«Tschüss Genderstern»: Trumpismus in Zürich?
Alan David Sangines plädiert für ein Nein an der Urne
Am 24. November stimmt die Zürcher Stadtbevölkerung über die Genderstern-Initiative der SVP ab. Kantonsrat Alan David Sangines schreibt in seinem Gastbeitrag*, warum das Vorhaben der SVP abgelehnt werden muss.
«Donald Trump und JD Vance rücken Attacken gegen Transmenschen ins Zentrum ihrer Abschlussargumente im Wahlkampf» titelte die Associated Press am 1. November 2024. Schon während des Wahlkampfs in den USA wurden gezielte Angriffe und Falschinformationen über nicht-binäre und trans Menschen verbreitet. Das Wahlergebnis ist bekannt: Trump wird erneut Präsident – eine Nachricht, die viele in Europa mit Entsetzen zur Kenntnis nahmen.
Es tobt ein neuer Kulturkampf, der die LGBTIQ-Community direkt betrifft: Im Westen haben wir längst überfällige rechtliche Verbesserungen erzielt. In vielen Staaten ist die gleichgeschlechtliche Ehe möglich, gleichgeschlechtliche Paare können Eltern werden und Hetze gegen homosexuelle Personen ist vielerorts verboten.
«Ihre jahrelangen erbitterten Kämpfe gegen die rechtliche Gleichstellung von homo- und bisexuellen Personen haben die Konservativen verloren. Das wissen sie.»
Alan David Sangines, Kantonsrat
Ihre jahrelangen erbitterten Kämpfe gegen die rechtliche Gleichstellung von homo- und bisexuellen Personen haben die Konservativen verloren. Das wissen sie. Und das frustriert sie. Umso mehr brauchen sie ein neues Feindbild und haben es in Form von trans- und nicht-binären Menschen gefunden.
Mit widerlichen Attacken gegen Nemo, reiten rechtskonservative Kräfte eine Attacke gegen die Ausführung des Eurovision Song Contest in Basel (MANNSCHAFT berichtete). Und in Zürich versuchen dieselben Kreise die Inklusion aller Menschen durch die Stadt Zürich rückgängig zu machen.
Am 24. November 2024 stimmt die Stadt Zürich über die Initiative Titel «Tschüss Genderstern» ab (MANNSCHAFT berichtete). Passender wäre der Titel «Tschüss Fortschritt». Was auf den ersten Blick wie ein kleines Sprachthema erscheint, ist in Wahrheit ein heftiger Angriff auf Inklusion.
Der Autor
Alan David Sangines (SP) ist seit 2023 Zürcher Kantonsrat, von 2010 bis 2023 vertrat er Kreis 9 im Gemeinderat der Stadt Zürich. Bei der Zurich Pride war er Vizepräsident und während fünf Jahren Politverantwortliche. Für sein Engagement für die LGBTIQ-Community erhielt er 2017 den Tolerantia Award.
Die Stadt Zürich setzt den Genderstern ein, um sicherzustellen, dass alle Geschlechter angesprochen sind – auch nicht-binäre und trans Menschen. So werden in Stellenanzeigen «Trampilot*innen» gesucht und die Bevölkerung wird mit «Anwohner*innen» angesprochen. So zeigt die Stadt: Alle Geschlechter werden respektiert und gehören zur Bevölkerung.
Das ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Erstens gibt es in der Schweiz schätzungsweise bis 154’000 nicht-binäre Menschen. Auch ihre Würde ist unantastbar und sie sind vollwertige Mitmenschen unserer Gesellschaft. Zweitens leidet Zürich wie viele Städte unter Fachkräftemangel, auch im öffentlichen Verkehr. Mehrere ÖV-Linien mussten zeitweise eingeschränkt werden. Mit der Suche nach «Trampilot*innen» zeigt die Stadt, dass auch Bewerbungen nicht-binärer Menschen willkommen sind. Diese Selbstverständlichkeit wird auch in anderen Schweizer Städten praktiziert.
Nun versucht ein rechtskonservatives Komitee die Zeit zurückzudrehen und der Stadt Zürich zu verbieten, den Genderstern zu verwenden (MANNSCHAFT berichtete). Angeführt wird das Komitee von SVP-Politikerin Susanne Brunner, die dafür bekannt ist nur die männliche Form in ihren Vorstössen nutzen zu wollen. Sie sieht den Genderstern als Bevormundung und meint, sich als Frau von der männlichen Form angesprochen zu fühlen. Dabei ignoriert sie jedoch, dass dies nicht für alle gilt.
Es ist offensichtlich: Die Initiative ist ein deutlicher Angriff auf eine Minderheit. Jene Kreise, die in der Vergangenheit vehement gegen die Rechte homosexueller Menschen kämpften und den Kampf verloren haben, richten sich nun gegen trans und nicht-binäre Menschen. Leider schliessen sich auch einige wenige ältere Männer unserer Community an und ignorieren, dass Angriffe auf nicht-binäre und trans Menschen auch Angriffe auf die gesamte Community sind.
Nemo, eine unfassbar talentierte nicht-binäre Person, hat den Eurovision Song Contest für die Schweiz gewonnen. Ein Ja zur Initiative wäre eine Botschaft, die sagt: «Danke für den Sieg, aber bleib als Mensch unsichtbar.» Das ist inakzeptabel! Eine Stadt muss die gesamte Bevölkerung ansprechen, auch die zehntausenden nicht-binären Menschen, die wertvolle Mitglieder der Gesellschaft und Teil unserer Community sind.
In den USA hat sich ein Präsident durchgesetzt, der unserer Community offen ablehnend gegenübersteht. In Zürich können wir es besser machen. Erteilen wir mit einem wuchtigen NEIN der diskriminierenden Sprachverbots-Initiative «Tschüss Genderstern» eine klare Absage!
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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