Penis erfunden: Rekordentschädigung für Polizistin
Der Fall Judy S. schlug hohe Wellen
In Berlin wurde einer 27-jährigen Polizeibeamtin unterstellt, sie hätte als trans Frau mit einer Penispumpe zwei Bundespolizisten nach einer Partynacht unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht.
Bild und B.Z. mussten jetzt eine Richtigstellung veröffentlichen, zudem wurde eine Rekordentschädigung vereinbart.
In den Richtigstellungen der Springer-Medien heisst es: «Keine dieser Behauptungen war zutreffend. Sie sind widerlegt.» Die Sätze erschienen am Donnerstag prominent auf den Titelseiten. Sie beziehen sich auf die Berichterstattung über die Berliner Polizistin «Judy S.» im vergangenen Herbst. Damals wurde behauptet, die Beamtin sei in Wirklichkeit eine trans Frau und habe zwei Männer beim Sex in ihrer Wohnung unter Drogen gesetzt und missbraucht. Doch keiner dieser Vorwürfe stimmte.
Wie der Tagesspiegel berichtet, hat Christian Schertz, Medienanwalt von Judy S., nun nicht nur die Richtigstellungen erwirkt, sondern auch eine Zahlung einer «Rekordentschädigung» in Höhe von 150'000 Euro durch Springer. Darauf hätten sich beide Seiten in einem aussergerichtlichen Vergleich geeinigt.
Auch Bild-Chefin Marion Horn hat sich erneut zu der Lügengeschichte geäussert und schrieb bei LinkedIn «Im Fall ‚Judy S.‘ haben wir versagt. Punkt.» Und: «Bitte, liebe Judy S., vielleicht können Sie unsere Entschuldigung irgendwann annehmen.»
Anwalt Schertz sprach von einem «unfassbaren Rufmord» gegen die Beamtin, die 2022 ihre Ausbildung bei der Landespolizei Berlin als eine der Jahresbesten abgeschlossen hatte. Danach ging sie zur Einsatzhundertschaft.
Judy S. wurden ein Party-Wochenende, zwei fremde Männer, eine Strafanzeige, und auch polizeiinterne Intrigen zum Verhängnis (MANNSCHAFT berichtete). Einen Tag nach dem bewussten Wochenende erklärt die Polizei über eine Presseerklärung, dass Einsatzkräfte «aufgrund eines richterlich erwirkten Durchsuchungsbeschlusses die Wohnung einer 27-jährigen Polizeibeamtin» durchsucht hätten, «nachdem sich zuvor zwei Geschädigte auf einem Polizeiabschnitt gemeldet und Anzeige erstattet hatten».
Die beiden hätten angegeben, dass sie in der Wohnung der Schutzpolizistin «unter Drogen gesetzt und anschliessend ohne ihr Einverständnis sexuelle Handlungen vorgenommen wurden». Die Durchsuchungsmassnahmen, vermeldet die Polizei, seien «mit Erfolg» verlaufen.
Damals ermittelte ein Fachkommissariat für Sexualdelikte sowie ein Kommissariat für Beamtendelikte beim LKA. Disziplinarrechtliche Massnahmen wurden eingeleitet und ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Über eine Suspendierung war noch nicht abschliessend entschieden, da erschien schon der erste Bild-Artikel. Es kursierten Gerüchte, Judy S. sei «ein Mann», hiess es, eine «trans Frau», habe einen Penis usw.
Wie derTagesspiegel im März berichtete, seien interne Details zu dem Fall Judy S. rechtswidrig an die Bild weitergegeben worden über eine Reporterin, die mit einem Polizisten verheiratet sei. Es war die Rede von einer gezielten Kampagne gegen Judy S. Wie sich nachträglich herausstellte, waren alle von Bild verbreiteten Behauptungen falsch. Trotzdem reagierte die Polizei selbst auf die Berichterstattung nur sehr verzögert.
Erst später hat die Bild die vielfach geklickten Artikel komplett aus dem Netz genommen. Es folgte eine Entschuldigung für «handwerkliche Fehler», die «nicht hätten passieren dürfen», dem Anwalt von Judy S. wurden 30‘000 Euro überwiesen.
«Mit den falsch aufgestellten Behauptungen, sie sei eine trans Frau, wird nicht nur sie angegriffen sondern auch die Gruppe von transidenten Polizist*innen. Dies ist eine pure Form von Diskriminierung.»
Marco Klingberg, VelsPol
Marco Klingberg, Vorsitzender des LGBTIQ-Mitarbeiternetzwerks in Polizei und Justiz, VelsPol Berlin-Brandenburg, sagte bei Bekanntwerden der Vorwürfe gegenüber MANNSCHAFT: «Mit den falsch aufgestellten Behauptungen, sie sei eine trans Frau, wird nicht nur sie angegriffen, sondern auch die Gruppe von transidenten Polizist*innen. Pauschal werden sie als drogen- und sexsüchtig dargestellt. Dies ist eine pure Form von Diskriminierung.»
Ob Judy S. je wieder als Polizistin in den Dienst zurückkehren wird, ist unklar. Ebenso unklar bleibt laut Tagesspiegel die Frage: «Wie und durch wen lässt sich die Ehre wieder herstellen, wenn sie erst mal verloren ist?»
Wer seine trans Identität offen leben will, soll das US-Militär verlassen - so gebietet es Präsident Donald Trump. Eine Richterin hält dieses Vorgehen für verfassungswidrig und findet deutliche Worte (MANNSCHAFT berichtete).
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