Erfundener Penis: «Rufmordkampagne» gegen Berliner Polizistin
Der Fall Judy S. schlägt hohe Wellen
In Berlin wurde der 27-jährigen Polizeibeamtin Judy S. unterstellt, sie hätte als trans Frau mit einer Penispumpe zwei Bundespolizisten nach einer Partynacht unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht.
Das berichtete die Bild-Zeitung in mehreren Artikeln. Aber wie sich später herausstellte: Nichts davon ist wahr. Welche Konsequenzen hat das nun, auch für Judy S.?
Die Artikelserie vom vergangenen November zum Fall Judy S. hat den Ruf der Polizistin ruiniert. Die Meldungen sorgten auch auf Social Media für gewaltige Kommentarstürme - weltweit. Der Anwalt von Judy S., Christian Schertz, spricht von einem «unfassbaren Rufmord» gegen die Beamtin, die 2022 ihre Ausbildung bei der Landespolizei Berlin als eine der Jahresbesten abgeschlossen hatte. Danach ging sie zur Einsatzhundertschaft.
Einflussreicher Posten
Die beliebte Beamtin hatte sich auch zur Wahl als Gesamtfrauenvertreterin bzw. deren Stellvertreterin gemeldet. Ein einflussreicher Posten, mit mehr Einfluss als Personalräte, wie der Tagesspiegel schreibt.
Judy S. wurden ein Party-Wochenende, zwei fremde Männer, eine Strafanzeige, und – das legen die Recherchen der Zeitung nahe – auch polizeiinterne Intrigen zum Verhängnis. Einen Tag nach dem Wochenende erklärt die Polizei über eine Presseerklärung, dass Einsatzkräfte «aufgrund eines richterlich erwirkten Durchsuchungsbeschlusses die Wohnung einer 27-jährigen Polizeibeamtin» durchsucht hätten, «nachdem sich zuvor zwei Geschädigte auf einem Polizeiabschnitt gemeldet und Anzeige erstattet hatten».
Warum kam es zur Anzeige? Die beiden hätten angegeben, dass sie in der Wohnung der Schutzpolizistin «unter Drogen gesetzt und anschliessend ohne ihr Einverständnis sexuelle Handlungen vorgenommen wurden». Die Durchsuchungsmassnahmen, vermeldet die Polizei, seien «mit Erfolg» verlaufen.
Disziplinarrechtliche Massnahmen
Ein Fachkommissariat für Sexualdelikte sowie ein Kommissariat für Beamtendelikte beim Landeskriminalamt übernahmen die Ermittlungen. Disziplinarrechtliche Massnahmen wurden eingeleitet und ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Über eine Suspendierung war damals noch nicht abschliessend entschieden, da erscheint der erste Bild-Artikel. Es kursieren Gerüchte, Judy S. sei «ein Mann», eine «trans Frau», habe einen Penis usw. Es ist sogar von einem Mikropenis die Rede.
Wie der Tagesspiegel nun berichtet, seien interne Details zu dem Fall Judy S. rechtswidrig an die Bild weitergegeben worden über eine Reporterin, die mit einem Polizisten verheiratet ist. Es ist die Rede von einer gezielten Kampagne gegen die Kandidatur von Judy S. Und, wie sich nachträglich herausstellte, sind alle von der Bild verbreiteten Behauptungen falsch. Trotzdem reagierte die Polizei selbst auf die Berichterstattung nur sehr verzögert.
«Handwerkliche Fehler»
Ein Polizeisprecher behauptet auf Nachfrage, die Bild mehrfach telefonisch darauf hingewiesen zu haben, dass Berichte, die über die erste Pressemeldung der Polizei hinausgehen, und die von Bild genannten Details, «insgesamt nicht zutreffend sind» – es gab keine Bundespolizisten, keine Penispumpe, keine trans Person.
Erst später hat die Bild die vielfach geklickten Artikel komplett aus dem Netz genommen. Es folgte eine Entschuldigung für «handwerkliche Fehler», die «nicht hätten passieren dürfen», dem Anwalt von Judy S. wurden 30‘000 Euro überweisen.
Guido Fickenscher, Strafverteidiger von Judy S. und Professor für Strafprozess- und Polizeirecht an der Brandenburger Hochschule der Polizei, sagt zum Tagesspiegel: «Es stimmt mich immer wieder nachdenklich, wie schnell Menschen eine blosse Behauptung als Wahrheit akzeptieren – und je gravierender die Anschuldigung, desto bereitwilliger wird sie geglaubt.»
«Pure Form von Diskriminierung»
Marco Klingberg, Vorsitzender des LGBTIQ-Mitarbeiternetzwerks in Polizei und Justiz, VelsPol Berlin-Brandenburg, sagt gegenüber MANNSCHAFT: «Mit Entsetzen mussten wir lesen, dass eine Berliner Polizistin mit falschen Tatsachen und Äusserungen diffamiert und ihre Karriere innerhalb der Polizei zerstört wurde. Mit den falsch aufgestellten Behauptungen, sie sei eine trans Frau, wird nicht nur sie angegriffen sondern auch die Gruppe von transidenten Polizistinnen und Polizisten. Pauschal werden sie als drogen- und sexsüchtig dargestellt. Dies ist eine pure Form von Diskriminierung.»
Und weiter: «Innerhalb des Polizeiapparates scheint ein sensibler Umgang mit transidenten Kolleginnen und Kollegen zu fehlen. Kritisch werden wir hier hinterfragen müssen, um eine Lösung zu finden.»
Ob Judy S. jemals wieder als Polizistin in den Dienst zurückkehren wird, ist unklar. Ebenso unklar bleibt laut Tagesspiegel die Frage: «Wie und durch wen lässt sich die Ehre wieder herstellen, wenn sie erst mal verloren ist?»
Wer seine trans Identität offen leben will, soll das US-Militär verlassen - so gebietet es Präsident Donald Trump. Eine Richterin hält dieses Vorgehen für verfassungswidrig und findet deutliche Worte (MANNSCHAFT berichtete).
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