«Schlachteplatte Reloaded»: Die Causa Jurassica Parka spaltet die Szene
Besonders nachdem jetzt auch noch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil von 2023 zu Kinderpornografie bekannt wurde
Am Mittwoch machte die Meldung Schlagzeilen, dass gegen die bekannte Dragqueen Jurassica Parka ein Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie laufe. Jetzt wurde bekannt, dass sie bereits 2023 wegen ähnlicher Delikte verurteilt wurde.
Zuerst hatte die BZ über die aktuellen Ermittlungen berichtet, inklusive Hausdurchsuchung. Die Nachricht schlug sofort hohe Wellen, innerhalb und ausserhalb der Community. Denn natürlich war das speziell für rechte politische Kreise ein gefundenes Fressen.
Die familienpolitische Sprecherin der AfD (aus der Landtagsfraktion Niedersachsen), Vanessa Behrendt, postete auf X sarkastisch: «Ich bin schockiert. Niemand würde darauf kommen, dass jemand ein sexuelles Interesse an Kindern hat, wenn er ständig den Kontakt zu Kindern sucht. Ausgeschlossen.» Gefolgt wurde dieser Post vom geteilten BZ-Artikel.
Alte Kampagnen und neue Angriffe Erst im Sommer hatte das rechte Hetzportal Nius eine Kampagne gegen ein Drag-Festival im Berliner Botanischen Garten gestartet – mit der Behauptung, dort würden Minderjährige mit übersexualisierten Dragqueens konfrontiert. Eine Unterschriftenkampagne gegen das Event wurde ins Leben gerufen. Der Queer-Beauftragte des Berliner Senats, Alfonso Pantisano, stellte sich damals vor die Kameras des Nius-Teams und verteidigte vehement Drag als nicht kindeswohlgefährdend. Dabei eingeschlossen waren die weltweit stark umstrittenen Dragqueen-Lesestunden in Kindergärten und Bibliotheken; solche Leseveranstaltungen für Kinder fanden an dem Tag auch im Botanischen Garten statt.
Entsprechend aufgebracht zeigten sich viele Kommentator*innen in sozialen Medien. Die lesbische Aktivistin Stephanie Kuhnen schrieb auf Facebook: «Mehr Schlachteplatte bekommen die nie wieder» – bezogen auf rechte Kreise, die den Fall Parka nun für ihre Zwecke nutzen.
Der Begriff «Schlachteplatte» bezieht sich auf Parkas berühmte Kolumne im Berliner Stadtmagazin Siegessäule, wo sie lange Autorin war und die Szene bissig kommentierte.
Enthüllung: Bereits 2023 verurteilt Am Donnerstag veröffentlichte dann ebenjene Siegessäule einen Artikel mit der «exklusiven» Nachricht, dass Mario O. (so der bürgerliche Name von Jurassica Parka) bereits 2023 wegen eines ähnlichen Delikts verurteilt wurde. Laut einem dem Magazin vorliegenden Urteil wurde er am 26. Oktober 2023 vom Amtsgericht Tiergarten (Schöffengericht) wegen «Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften» zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt. Das Urteil sei rechtskräftig.
In der Urteilsbegründung heisst es, dass der Strafrahmen zugunsten des Angeklagten gemindert wurde, da dieser «reumütig und geständig war, es sich um eine spontane Tat handelte und die Tat bereits einige Zeit zurücklag».
Wie die Staatsanwaltschaft der Siegessäule auf Anfrage mitteilte, wurde Mario O. vorgeworfen, «am 24.11.2021 Dateien mit kinderpornografischem Inhalt in einem sozialen Netzwerk hochgeladen bzw. verbreitet zu haben».
Das war dann in diesem Kontext die zweite Bombe, die platzte.
Theater sagen Auftritte ab Es wurde auch darüber berichtet, dass lokale Spielstätten, auf denen Parka regelmässig auftritt, erste Konsequenzen gezogen hätten. So sind beispielsweise im BKA-Theater alle Shows mit Parka abgesagt. Auch das SchwuZ kündigte an, die Popkicker-Partyreihe zu beenden, allerdings kam dann die Meldung, dass das SchwuZ ohnehin am 1. November schliesst (MANNSCHAFT berichtete).
Auch die Siegessäule erinnerte daran, dass im aktuellen Fall die Unschuldsvermutung gilt, was auch die Staatsanwaltschaft betont – unter anderem gegenüber der BZ. Allerdings wirft die bereits rechtskräftige Verurteilung von 2023, bezogen auf einen Fall von 2021, ein kompromittierendes Schlaglicht auf die neuen Entwicklungen. Parka selbst war in ihrem Statement auf Instagram diese Woche auf den alten Fall mit keinem Wort eingegangen.
Medien und Intrigen Währenddessen kommentierte das Online-Portal Männer den Fall am Donnerstagabend und schrieb zum «Update» und dem rechtskräftigen Urteil von 2023, dass diese «brisante Wende» der Siegessäule-Enthüllungen die Frage aufwerfe, ob das Magazin an diese Informationen nur gekommen sei, weil Parkas Kollegin Margot Schlönzke – die als Privatperson beim Special Media Verlag «Mitarbeiterin» in der Anzeigenabteilung ist – die Infos weitergegeben haben könnte. Erwähnt wird auch, dass Parka selbst als Mario O. für den Verlag gearbeitet hatte bis 2024.
«Waren die nun exklusiv gemeldeten Informationen über die Vorverurteilung dem Magazin vielleicht nur aufgrund des ehemaligen Anstellungsverhältnisses und der internen Verflechtungen zugänglich? Der deutsche Pressekodex fordert in Ziffer 7 explizit Transparenz in solchen Gemengelagen», so Männer.
So wie also rechte politische Kreise den Fall für ihre Kampagnen nutzen, nutzten auch Chefredakteure bzw. Herausgeber wie Michael Rädel ihn für Abrechnungen mit der Konkurrenz. Auch die Drag-Kollegin von Parka und Schlönzke, Nina Queer, ging am Freitag mit massiven Vorwürfen auf Facebook gegen beide vor und erklärt Schlönzke als «gefährlich», weil sie angeblich im Hintergrund «die Denunziierung von Einzelpersonen und die Spaltung der Community unaufhaltsam» vorantreibe. Nina Queer fordert sogar auf, die Siegessäule (als Arbeitgeberin bzw. Ex-Arbeitgeberin von beiden) zu «boykottieren» und stattdessen das Magazin blu zu lesen, das (zufälligerweise?) auch von Michael Rädel als Chefredakteur betreut und herausgegeben wird.
Auch auf den Social-Media-Kanälen von MANNSCHAFT wurde heftig diskutiert, wie der Fall einzuordnen sei. Jemand schrieb, Parka habe der Community «einen Bärendienst» erwiesen, «selbst wenn sich das Schlimmste nicht bewahrheiten sollte». Und: «Wer sich so moralisch in der Öffentlichkeit gibt, sollte keine Leichen im Keller haben» – was sich auf die vielfach eher «linke» Positionierung in den Talkshows und Äusserungen Parkas bezieht.
Von Parka selbst wurde bislang kein neues Statement veröffentlicht. Dafür ereifert sich inzwischen Nius darüber, dass der Berliner Regierende Bürgermeister «Drag-Lesung mit verurteiltem Kinderporno-Straftäter» finanziert habe. Auf dem Bild zum Artikel sieht man Parka zusammen mit ihrer langjährigen Kollegin Schlönzke und Wegner.
In der Siegessäule hat Autorin Sonya Winterberg noch gewarnt, dass man den Fall mit «grosser Vorsicht» behandeln sollte. Denn: «Aktivist*innen und Kunstschaffende betonen die Notwendigkeit einer klaren Differenzierung: Drag ist eine Kunstform und Ausdruck queerer Identität, sie dürfe nicht mit kriminellem Verhalten in Verbindung gebracht werden.»
Doch genau das passiert nun gerade – wie Nius und viele Kommentator*innen zeigen, die sich etwa auf den Social-Media-Kanälen der BZ und anderer Medien wirklich ereifern.
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