Lieber keinen Queerbeauftragten als diesen!
Zur Personalie Alfonso Pantisano und seinen Empfehlungen zum Umgang mit Nazis
Wieder mal führt die AfD bei einer nicht-repräsentativen Umfrage unter queeren Planetromeo-Nutzern. Daraus werden ganz unterschiedliche Forderungen und Lehren abgeleitet. Ein Kommentar*
In fast allen Altersgruppen der Planetromeo-Nutzer liegt die queerfeindliche AfD auf Platz 1, gefolgt mal von den Grünen, mal von die Linke, mal von der Union auf Platz 2. Lediglich bei den Über-60-Jährigen schafft es die AfD nicht an die Spitze (MANNSCHAFT berichtete).
Alice Weidel triumphiert bei X über den «haushohen Vorsprung» ihrer Partei und schwurbelt, man habe Homosexuelle seitens der «bunten Vielfaltsgesellschaft» stets «gegen die AfD instrumentalisiert». Das ist natürlich Unsinn, denn gehetzt wird – stets! – von Vertreter*innen der Partei schon seit Jahren – alles bekannt und belegt (MANNSCHAFT berichtete).
Soweit der erwartbare Umgang von Rechts. Und was macht der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano (SPD)? Postet angesichts des Umfrageergebnisses diese Forderung bei Instagram: «Kein Sex mit Rassisten und Nazis» .
Ich muss leider sagen: Das ist eine der saublödesten Forderungen in der Geschichte der saublöden Forderungen, die nicht gerade arm ist an saublöden Forderungen.
Mich entsetzt das Umfrage-Ergebnis von Planetromeo auch – selbst wenn man berücksichtigt, dass die Zahlen nicht repräsentativ sind. Und dass Manipulationen der Ergebnisse nicht ausgeschlossen sind. Beides sagen die Jungs von Planetromeo selber.
Aber was bitte soll das bringen, Rassisten und Nazis Zärtlichkeiten und Sex zu verweigern? Macht das irgendwas besser? Löst es irgendein Problem?
Wäre es – nur mal rein hypothetisch und küchenpsychologisch gedacht und auch naiv – nicht vielleicht sogar sinnvoller und effektiver, gerade Rassisten und Nazis mal in den Arm zu nehmen und ihnen über den Kopf zu streicheln und ihnen zu zeigen, dass Zuneigung eine Option ist, nicht nur Hass? «Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei der Liebe» , sangen schon die Ärzte in ihrem Song «Schrei nach Liebe» , einem der bekanntesten Anti-Rechts-Lieder.
Dabei hat Pantisano ja recht mit seiner Analyse – auch wenn er keine neue Erkenntnis liefert. «Haben wir aus der Weltgeschichte, haben wir aus unserer queeren Emanzipationsgeschichte echt nichts gelernt?», fragt er im Begleittext zu seiner Kein-Sex-Forderung. «Sehen wir wirklich nicht, dass wenn wir ein Loch graben, um andere Minderheiten hineinfallen zu lassen, wir Gefahr laufen dann auch hineingeschubst zu werden?» Hass und Hetze hätten immer dazu geführt, dass Existenzen vernichtet und die im Grundgesetz garantierte Würde des Menschen missachtet würden.
Misslich für Pantisano: Mit einer Analyse allein lassen sich keine Klicks generieren, keine Aufmerksamkeit. Und nichts liebt und nichts braucht Pantisano so sehr wie Aufmerksamkeit. Sonst hätte er sich nicht in der Auseinandersetzung um Äusserungen von Kevin Kühnert mit Kufiya gezeigt, dem Symbol des palästinensischen Widerstands (MANNSCHAFT berichtete). Seit seiner Zeit als Aktivist bei Enough is Enough weiss er genau, wie Social Media funktioniert und womit man Klicks nach Hause holt. Hat ihm schon jemand gesagt, dass er kein Aktivist mehr ist?
Von diesem Queerbeauftragten fühle ich mich nicht nur nicht vertreten. Er macht sich und die Community lächerlich mit infantilen Forderungen wie jener, Nazis den Beischlaf zu verweigern. Damit spielt er bloss den Rechten, die sein Amt abschaffen wollen, in die Karten.
Rückblick: Im Sommer 2018 wurden zum Berliner CSD Postkarten in Umlauf gebracht, in SPD-Rot mit der Aufschrift «Du Hetero Sau!!!!!» Als Retourkutsche auf die geläufige Verunglimpfung schwuler Menschen in der Schule, im Fussballstadion oder auf der Strasse, die wir hier nicht wiederholen wollen.
Passend dazu wurde ein Presse-Foto mit dem breit lächelnden Pantisano verbreitet. Denn er stand hinter dieser auch schon reichlichen dummen Idee, damals noch in seiner Funktion als stellvertretende Vorsitzende der Pankower SPDqueer, zusammen mit dem Vorstand hatte er die Motive entworfen.
Ich wurde in jenem Sommer als Interviewgast im RBB-Fernsehen zu der Aktion befragt und erklärte sinngemäss: Es braucht in der Gesellschaft weniger sprachliche Gewalt, nicht mehr. Auch wenn sie noch so gerechtfertigt erscheinen mag. Beschimpfungen bringen uns nicht weiter. Was sie bewirken, ist Aufmerksamkeit. Womit wir wieder beim Lebensexlisier von Pantisano wären.
Im Juli 2023 wurde er vom Schwarz-Roten Senat zur Ansprechperson der Landesregierung Berlin für die Akzepanz sexueller und geschlechtliche Vielfalt ernannt. Er hat, so drückte es der Senat aus, eine «Repräsentationsfunktion auf Landes und Bundesebene». Pantisano (re)präsentiert aber vor allem immer nur: sich selbst.
Lieber habe ich keinen Queerbeauftragten als diesen.
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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