«Rosenstolz hat mir mit 14 das Leben gerettet» – Fans gedenken Anna R.
Der Tod der Rosenstolz-Sängerin Anna R. bewegt die Fans des Duos bis heute. Am Samstag pilgerten viele Queers aus ganz Deutschland zum Theater des Westens, um im Rahmen eines Fan-Events Abschied zu nehmen.
Der Tod der Rosenstolz-Sängerin Anna R. liegt 5 Wochen zurück, und noch immer ist die Trauer unter den Fans gross. Nach wie vor legen sie Blumen vor dem Theater des Westens nieder, Kerzen, Briefe und Stofftiere. Denn dort läuft nicht nur das Musical «Romeo & Julia», inklusive «Liebe ist alles». Die einstigen Kollegen von Anna R., Peter Plate und Ulf Leo Sommer, sind dort inzwischen Intendanten.
Ein Fanclub hatte für Karsamstag ein gemeinsames Zusammenkommen im Theater organisiert, mit Einladung zur Abendvorstellung von «Romeo und Julia» (MANNSCHAFT berichtete). Roberto Monden, einst Manager der Band, hatte vorab von «sensationell vielen Rückmeldungen» gesprochen. Dem Fanclub seien «einige Plätze zur Verlosung zur Verfügung gestellt», hiess es.
Tatsächlich fand sich dann am Samstagnachmittag im Hof des TdW eine grosse Menschentraube ein: 400 Tickets wurden verlost, 400 Fans waren gekommen, um sich auszutauschen und Abschied von Anna R. zu nehmen, darunter etliche Berliner*innen, viele aber auch angereist u.a. aus Bremerhaven, Brandenburg, NRW und Sachsen. Im Hof, dort wo es zum Bühneneingang geht, harren sie geduldig aus.
Die ganze Rosenstolz-Familie ist da, sagt die Brandenburgerin Christiane: «Das ist eine ganz doll bunte, sehr liebenswerte Gemeinschaft. Wir haben alle diese grosse Obsession, nämlich die Lieder von Rosenstolz. Dazu kommt diese Vielfalt: Es ist und war ja von Anfang an eine sehr queere Community.»
Dazu gehört etwa das Berliner Paar Marvin und Dirk. «Ich glaube, das hat noch nicht mal was mit queer sein zu tun», sagt Marvin. Ich mochte die Texte einfach. Seit ich 16, 17 bin, haben mich die Songs begleitet.»
Die Nachricht von Annas Tod vor 5 Wochen war ein Schock. Er hat sofort seinen Mann angerufen, der unterwegs war. Als er nach Hause kam, brachte er Blumen mit und sagte: Komm, wir fahren zum Theater.
«Wenn man eine Lieblingskünstlerin hat und die ist auf einmal nicht mehr da, finde ich es unglaublich wichtig, Abschied zu nehmen.»
Rosenstolz-Fan Dirk
«Wenn man eine Lieblingskünstlerin hat, und die begleitet einen gefühlt das ganze Leben - und wenn die dann auf einmal nicht mehr da ist, finde ich es unglaublich wichtig, dann auch Abschied zu nehmen», sagt Dirk.
Christel aus Rathenow ist in Begleitung von drei jungen Frauen gekommen, zwei davon sind ihre Töchter. Die Mutter ist schon sehr lange Fan der Musik von Plate und Sommer. Sie hat ihre Kinder einst mit ihrer Liebe zu Rosenstolz angesteckt, und Tochter Jamie wiederum hat ihre Begeisterung auch an ihre Partnerin Luca weitergegeben.
Und dann sind da noch Katrin und Andrea, ein Ehepaar aus der Nähe von Rostock. Die Musik und vor allem die Texte von Rosenstolz haben ihr immer viel bedeutet, sagt Andrea, vor allem zu Beginn in den 1990er Jahren, als es nicht so leicht gewesen sei, sich als lesbische Frau zu outen. Besonders mochte sie damals die Zusammenarbeit der Band mit Hella von Sinnen für «Ja, ich will».
Am Nachmittag haben die beiden schon die neue Produktion «Die Amme» im Theater des Westens gesehen, am Abend ist «Romeo und Julia» dran. Ein ganzer Tag mit Rosenstolz. Für das grosse Fan-Gedenken hatten auch sie sich beworben, aber weil Katrin vergessen hatte, ihre Mailadresse zu hinerlassen, war das Paar leer ausgegagen.
Die beiden haben Rosenstolz schon live in Hamburg und in Rostock gesehen und verbinden viele gute Erinnerungen mit der Band. «Aber in Berlin war es am geilsten, die Stimmung war damals einfach so super», schwärmt Katrin.
Gegen 17.45 Uhr hat das Warten ein Ende. Die 400 Fans werden eingelassen. Medien sind im Theater ausdrücklich nicht erwünscht; auch die Fans werden angehalten: Wenn Peter Plate sie gleich begrüssen wird, möge man bitte keine Handy-Videos von seiner Ansprache machen. Es soll ein familiärer Moment werden, für Anna R.
Bevor die Türen sich schliessen, stehen die beiden Frauen aus der Nähe von Rostock noch als einzige im Hof. Ein Mitarbeiter vom Theater kommt auf sie zu und lädt sie ein, ebenfalls an dem Fan-Treffen teilzunehmen, dann lässt er die Nachzüglerinnen ein. Ein Happy End für Katrin und Andrea.
Ein Berliner Fan wird am Abend Fotos mit Peter Plate und Ulf Leo Sommer bei Instagram posten und dazu schreiben: «Momente, die mir die Welt bedeuten: Heute durfte ich die beiden Männer treffen, die mir gemeinsam mit der wunderbaren Anna R. als 14-Jähriger mit ihrer Musik das Leben gerettet haben. Ein emotionaler Tag, den ich im Herzen bewahren werde.»
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