René Pape: Erst homophober Ausfall, dann Kniefall vor LGBTIQ
Der Starsänger aus Dresden nutzte seine Entschuldigung für sehr persönliche Enthüllungen
Opernsänger*innen sorgen eher selten für Schlagzeilen in LGBTIQ-Medien. Obwohl sogenannte «Operntunten» seit langem ein queeres Phänomen und fester Bestandteil der Community sind, was zuletzt Rosa von Praunheim in einem Film untersuchte (MANNSCHAFT berichtete über den ersten schwulen Opernführer der Welt). Nun aber sorgte der deutsche Starsänger René Pape für mächtigen Wirbel mit seinen Äusserungen zur New Yorker Pride-Parade.
Der ursprünglich aus Dresden stammende Bass René Pape ist seit Jahrzehnten Mitglied der Berliner Staatsoper Unter den Linden und ein weltweit gefeierter Vertreter seines Fachs. Er singt an allen grossen Opernhäusern der Welt Partien wie Sarastro in der «Zauberflöte» oder den Gurnemanz im «Parsifal» – Rollen mit klarer humanistischer Botschaft.
Was natürlich nicht bedeutet, dass man als Fan die Bühnenfiguren Papes mit dem realen Menschen gleichsetzen darf. Der postete in sozialen Netzwerken kürzlich einen Kommentar zur Beteiligung der Metropolitan Opera an der New Yorker Pride-Parade (MANNSCHAFT berichtete über die Parade, an der auch Madonna teilnahm).
Pape erklärte, deswegen nicht mehr an der Met singen zu wollen. Und warf der LGBTIQ-Community vor, anderen Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie zu sein hätten. Pape benutzte in diesem Zusammenhang Worte wie «hässlich» und «aggressiv». Seine Sätze waren wirr und unkonkret – und erfüllt von Homophobie. Und das sorgte für Aufregung. Weltweit.
Was war da los? Eine Entgleisung, die den «wahren» Pape sichtbar machte? Äusserungen, die umgehend mit einem Totalboykott Papes einhergehen müssten, wie einige besonders aggressive LGBTIQ-Fans auf Facebook und Twitter forderten? Er sollte – vergleichbar zu Anna Netrebko wegen ihres Verhältnisses zu Putin – überall ausgeladen werden. Cancel Culture im Klassikbereich, wie sie auch Startenor Placido Domingo im Kontext von #MeToo erlebte. (MANNSCHAFT berichtete über den Umgang der Klassikszene mit russischen Künstler*innen und Komponist*innen.)
Die Berliner Staatsoper veröffentlichte umgehend ein Statement, schliesslich tritt Pape dort aktuell in einer neuen «Turandot»-Produktion von Philipp Stölzl auf.
In dem Statement, das u.a. auf Facebook geteilt wurde, heisst es: «Die Äusserungen, die René Pape in den sozialen Medien bezüglich der Beteiligung der Metropolitan Opera an der Pride Parade in New York gepostet hat, haben im Haus und bei der Leitung zu grossen Irritationen geführt. René Pape ist ein langjähriges, geschätztes Ensemblemitglied der Staatsoper Unter den Linden und aktuell auf unserer Bühne zu erleben. Die Leitung hat direkt das persönliche Gespräch mit ihm gesucht, denn es ist klar, dass Homophobie und Diskriminierung jeglicher Art an unserem Haus absolut nichts zu suchen haben und nicht toleriert werden.» (MANNSCHAFT berichtete über den schwierigen Umgang der Klassikbranche mit Homosexualität.)
Vielfalt und Diversität Und weiter: «Als Institution möchten wir an dieser Stelle noch mal ein ausdrückliches Statement für LGBTIQ-Vielfalt und Diversität – und gegen Hass und Diskriminierung – machen. Für Respekt auf Augenhöhe, Toleranz und ein Miteinander. Wir möchten deutlich machen, dass wir alle Mitglieder der Community unterstützen.»
Am Berliner CSD werde das Haus allerdings nicht teilnehmen, weil man am 23. Juli bereits in der Sommerpause sei. Deshalb werde man die Pride-Demonstration «leider nicht künstlerisch unterstützen können».
Aber man habe mit Pape gesprochen, um ihn zu drängen, selbst ein klärendes Statement zu veröffentlichen. Das folgte denn auch kurz darauf.
Allerdings war es weit mehr als eine Entschuldigung, man sollte eher von einem «De Profundis» sprechen. Pape erklärt, dass das, was passiert sei, eigentlich nicht zu entschuldigen ist. Er entschuldigt sich aber trotzdem mehrfach, besonders bei der LGBTQ-Community, die ihm «über die Jahre viel Liebe und Unterstützung» entgegengebracht habe.
Kindheit in der DDR Er holt aus: «Ich bin in der DDR aufgewachsen. Hass und Zwietracht waren die Feuer, die in jener Zeit durch einen Überwachungsstaat angefacht wurden. Ich bin im Schatten dessen aufgewachsen und mein Hinterfragen der Handlungen und Motive anderer kommt aus einem dunklen Teil meiner selbst, auf den ich nicht im Geringsten stolz bin.»
Sein Pride-Post sein ein «unentschuldbarer Fehler» und basiere auf «einem Mangel an Urteilsvermögen». Es sei in einem Moment geschehen, für den er sich schäme.
«Nach so vielen Jahren des Kämpfens und der öffentlichen Spekulationen muss ich mit euch und mit mir selbst ehrlich sein», schreibt Pape: «Ich bin Alkoholiker und kämpfe mit Depressionen, seit ich mich erinnern kann. Ich ringe immer wieder mit einem Dämon, der das Schlimmste in mir zum Vorschein bringt. Es gibt keine Entschuldigung für das Verhalten, das daraus hervorgeht. Ich habe keinen endgültigen Sieg gegen diesen Dämon vorzuweisen, lediglich eine Reihe gewonnener und verlorener Schlachten.» (MANNSCHAFT+ kommentierte das Problem der LGBTIQ-Community mit Alkohol.)
Er werde sich diesen Sommer auf seine Gesundheit fokussieren, nicht nur für sich selbst, sondern auch, um in Zukunft für alle anderen «ein besserer Mensch» sein zu können.
«Ich möchte die LGBTIQ Community und euch alle aufrichtig um Entschuldigung bitten», so Pape.
Charity-Auftritt für LGBTIQ-Community? In einem Kommentar des Bayerischen Rundfunks heisst es bei BR Klassik: «Er wirkt authentisch.»
Und weiter: «Das Dunkle auf der Bühne ist eine von Papes grossen Stärken. Im echten Leben hat das Dunkle in ihm realen Schaden angerichtet. Die Grenze zur Realität aber muss Pape als Mensch und als Künstler ziehen. Doch nach einer schnellen und offenen Entschuldigung muss eine Gesellschaft dem Menschen im Künstler auch vergeben können.»
Einige der vehementesten Hetzer*innen gegen Pape schrieben unter seine Facebook-Entschuldigung: «Wir alle machen mal Fehler … Ein Charity-Auftritt für und mit der LGBTIQ-Community im nächsten Jahr wäre doch vielleicht eine schöne Perspektive!»
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