Queeres Bündnis beklagt Judenhass in der Community

lgbtiq gegen antisemismus
(Bild: Kriss Rudolph/MANNSCHAFT)

Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, beklagt einen dramatischen Anstieg antisemitischer Straftaten in Deutschland. Judenhass sei ein Problem der gesamten Gesellschaft». Dazu gehört, wie sich in Berlin immer wieder deutlich zeigt, auch die queere Community.

Am 1. August hat sich in Berlin das «LGBTIQ+ Bündnis gegen Antisemitismus in unseren Communities» gegründet. ein Zusammenschluss verschiedener Vereine, Initiativen und Einzelpersonen. Nicht alle möchen namentlich genannt werden, aus Angst vor Anfeindungen. Am Montag lud das junge Bündnis zum Pressegespräch ins Feinberg's – ein israelisches Restaurant in Schöneberg, das seit Jahren immer wieder Ziel von antijüdischen Angriffen ist

Seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 (MANNSCHAFT berichtete) habe es eine Flut negativer Kommentarer gegeben, besonders bei Tiktok, sagte Gastwirt Yorai Feinberg kürzlich der B.Z. Als etwa sein Koch ein Video von einem Kartoffelpuffer mit Israel-Flagge postete, habe es rund 3000 Reaktionen gegeben, 99 Prozent davon «schlimm bis ekelhaft». So habe ein junger Mensch geschrieben: «Hitler hat seine Arbeit damals nicht richtig beendet.»

In dieses Restaurant lud nun das queere Bündnis gegen Antisemitismus zum Pressegespräch. Gekommen waren u.a. die Mitglieder Seyran Ateş, Geschäftsführerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee, Anette Detering und Wolfgang Beyer, Mitbegründer*innen und Initiator*innen des East Pride Berlin, sowie Bastian Finke, Leiter der schwulen Anti-Gewaltprojektes Maneo, auf dessen Initiative sich das Bündnis im Sommer gegründet hatte.

Schon seit rund 20 Jahren hätten sich «antisemitische Denkfiguren in Teilen queer-femistischer Kontexte etabliert», erklärt das Bündnis. Seit dem Massaker der Hamas gegen israelische Bürger*innen am 7. Oktober 2023 mit über 1200 Toten eskaliere nun in grossen Teilen der LGBTIQ-Communities der vorhandene Antisemitismus, dies habe sich vor allem zur diesjährigen CSD-Saison gezeigt.

So hätten etwa Dyke-March-Organisatorinnen mit roten Hamas-Dreiecken für eine Soli-Party im Möbel Olfe geworben. Auch Jara und Leor waren als kleine jüdische Gruppe in die Bar gegangen, die nun ebenfalls dem Bündnis angehören. Bei jenem Abend seien sie Zielschreibe antisemitischer Übergriffe gewesen. Ihrer Bitte an die Barleute, die Polizei zu rufen, sei niemand nachgekommen (MANNSCHAFT berichtete).

east pride
(Bild: East Pride Berlin)

Dyke March von pro-palästinensischen Demonstrant*innen vereinnahmt

Beim March selber sei ihr immer wieder die Parole «Free Palestine» entgegengerufen worden, berichtete Anette Detering vom East Pride. Die pro-israelische queere Gruppe hatte dazu aufgerufen, sich am Abend des Dyke Marches am Demo-Startpunkt unter einer Pride Flagge mit Davidstern zu treffen. Die «Free Palestine»-Parolen habe sie jeweils mit «from Hamas» beantwortet, sagte Detering. Leider sei aber der Dyke March insgesamt von pro-palästinensischen Demonstrant*innen vereinnahmt worden.

Die persönliche Verantwortung trage Manuela Kay, so Detering, das müsse aufgearbeitet werden. Kay hat 2013 den Berliner Dyke March mitbegründet und ist Teil des Orga-Teams.

Sorgenvoll äusserte sich am Montag auch Bündnis-Mitglied Lala Süsskind, die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, darüber etwa, dass Terror gegen Israel als Widerstand bezeichnet werde, gerade in linken Kreisen und eben auch in der Partei die Linke.

Was auf dem Linke-Landesparteitag passiert sei, nannte sie eine «Schande». Süsskind fragte, sichtlich alarmiert: «Merken wir nicht, dass unsere Demokratie bröckelt?»

«Ich habe mich als Jüdin noch nie so unwohl gefühlt in Deutschland.»

Lala Süsskind

Am 11. Oktober war es beim Berliner Parteitag zu einer heftigen Auseinandersetzung über einen Antrag zur Ablehnung von Antisemitismus gekommen, der auch Judenhass von links thematisierte. Wenig später verliessen u.a. Klaus Lederer und Carsten Schatz die Partei (MANNSCHAFT berichtete).

Appell an die schweigende Mehrheit

«Ich habe mich als Jüdin noch nie so unwohl gefühlt in Deutschland», so Süsskind und wandte sich die schweigende Mehrheit der Gesellschaft, die zu wenig gegen Antisemitismus aufstehe. Diese Mehrheit müsse endlich aufhören zu schweigen. «Sie muss rufen, schreien, damit die Politik endlich etwas unternimmt.» Das Problem, konstatierte Ateş: «Die grosse schweigende Mehrheit denkt leider: Es ist ja (noch) nicht so schlimm.»

bündnis berlin gegen Antisemitismus
(Bild: Kriss Rudolph/MANNSCHAFT)

Das queere Bündnis will bei der Berliner Senatsverwaltung um Unterstützung werben. Einig waren sich die Vertreter*innen, dass dies nicht über den Queer-Beauftragten des Senats, Alfonso Pantisano, zustande kommen werde. Der hatte kürzlich bei Instagram ein Bild mit Kufiya geteilt, noch dazu kurz vor dem Jahrestag des Massakers der Hamas, um eine Äusserung des ehemaligen SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert zu kritisieren (MANNSCHAFT berichtete).

«Solche Personen gehören nicht in die Politik», erklärte Süsskind. Ateş kritisierte die fehlende Abgrenzung des SPD-Politikers zur Hamas und sagte: «Alfonso Pantisano ist für uns leider keine Ansprechperson, er ist nicht dialogfähig.»

Zum Thema: «Queers, die für Palästina protestieren? Ich bin sehr dafür!» Interview mit einem schwulen Aktivisten aus Israel

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