Liebe, Lust und andere Katastrophen – unsere queeren Buchtipps
Neues von Éric Chacour, Chloé Caldwell und Eryx Vail
Éric Chacour verwebt queere Liebe mit familiären Zwängen in Kairo. Chloé Caldwell zerlegt das lesbische Begehren in schmerzhafter Klarheit. Und Eryx Vail stellt die Frage, ob queeres Leben in dystopischen Zukunftsvisionen überhaupt vorkommen darf.
Éric Chacour – Was ich von dir weiss Der erste Satz: Welches Auto willst du mal fahren?
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Das Genre: Kairo zwischen den frühen 80ern- und den 2000er-Jahren: Tarek wächst in einem Bildungsbürgerhaushalt auf – mit Liebe und Förderung, Vater, Mutter und kleiner Schwester. Völlig unreflektiert tritt er in die Fussstapfen seines Vaters, übernimmt nach dessen frühem Tod die gut etablierte Arztpraxis und anscheinend auch seinen Lebensweg. Das geht natürlich nicht gut.
Die Handlung: Die Geschichte spielt im Ägypten der 1980er-Jahre und wird in eindringlicher Du-Form erzählt – ein vorerst nicht näher bekannter Erzähler richtet sich an Tarek, der in einem behüteten, akademischen Umfeld aufwächst und nach dem frühen Tod des Vaters dessen renommierte Arztpraxis übernimmt. Seinen Wunsch, lieber über Chorea Huntington zu forschen– eine seltene neurologische Krankheit –, stellt Tarek hinten an.
Um dem Erwartungsdruck zu entkommen, eröffnet er eine Ambulanz in einem armen Stadtviertel. Dort begegnet er Ali, der seine kranke Mutter begleitet – und ausgerechnet sie leidet an jener seltenen Krankheit, die Tarek so sehr beschäftigt. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine intensive Nähe, die Tareks bisheriges Leben ins Wanken bringt. Was zunächst wie ein Befreiungsschlag wirkt, führt schliesslich zu tiefgreifenden Erschütterungen, die weit über sein eigenes Leben hinausreichen.
Das Urteil: Eine berührende Familien- und Liebesgeschichte, in schöner Sprache geschrieben, die einen in ihren Sog zieht und nicht mehr loslässt. Man riecht die Minze, man möchte in den Cafés sitzen, eigentlich will man sofort dorthin . . . Die Spannung nimmt zu und lässt einen nicht mehr los. Selten habe ich ein Buch gelesen, das so viele überraschende Wendungen einbaut, man folgt der Geschichte atemlos – bis zum Schluss! Grossartig. – Roman, Gutkind, 288 Seiten
Chloé Caldwell – Women Seit Ende April ist die deutsche Übersetzung von «Women» draussen – das englische Original von Chloé Caldwell hat längst Kultstatus erreicht, weil Lena Dunham und Kristen Stewart das Buch feierten.
Darum geht es: Eine junge Autorin zieht in die grosse Stadt und verliebt sich zum ersten Mal – und sofort – in eine Frau: Finn, neunzehn Jahre älter, charismatisch, vergeben. Die Affäre stürzt die Erzählerin in eine Krise.
Wir finden: Der autofiktionale Roman liest sich wie ein Tagebuch, dessen Seiten von rechts nach links fliegen. Von aussen wirkt das Druckwerk zart mit seinen 191 Seiten, doch in sich trägt es eine intensive Reise über lesbisches Erwachen und Begehren, Besessenheit und Selbstentfremdung. Mit einer schnörkellosen Sprache, die nicht das Drama konstruiert, sondern roh und schonungslos erzählt und dadurch ohne Umwege berührt. – Roman, Eichborn, 191 Seiten
Eryx Vail – Die Schatten der solaren Union Darum geht es: Sonnensystem, 23. Jahrhundert: Man könnte meinen, die Gleichstellung der LGBTIQ-Community sei längst Realität. Weit gefehlt. Nach turbulenten Neuwahlen steht die Solare Union kurz vor dem politischen Kollaps.
Die queerfreundliche Vizepräsidentin Selena Veyra muss mit ihrem populistischen Kontrahenten Julius Marek regieren. Auf dem Saturnmond Enceladus kommt es aufgrund der sozialen Krise zu gewaltsamen Protesten, auf dem Mars richtet ein Tsunami Unheil an. Werden queere Familien bei den Evakuierungen gezielt übergangen?
Wir finden: Eryx Vail liefert einen düsteren, aber hochaktuellen Near-Future-Thriller, der die gesellschaftlichen Spannungen von heute in die Zukunft projiziert. Es geht um Populismus und Queerfeindlichkeit, aber auch um KI und Naturkatastrophen.
Der Roman leidet stellenweise unter den vielen Handlungssträngen und büsst so an emotionaler Tiefe ein. Doch Vail überzeugt mit einer bildstarken, pointierten Sprache und schafft es, Spannung und Relevanz bis zur letzten Seite aufrechtzuerhalten. – Roman, Phantorion Verlag, 400 Seiten
Weitere Buchtipps: Louise Morel ermutigt zur Entdeckung der Sexualität. Édouard Louis erzählt in «Monique bricht aus» eine bewegende Geschichte von weiblicher Befreiung. Asha Thanki verwebt mystische Erbstücke und das Erbe weiblicher Resilienz.
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