Versöhnlich und hoffnungsvoll: Kollektives Coming-out in Klagenfurt

Theater im konservativen Süden Österreichs

Das Theaterstück Queerinthia im Stadttheater Klagenfurt
Das Theaterstück «Queerinthia» im Stadttheater Klagenfurt (Bild: Karl Heinz Fessl)

Fernab von CSD-Trubel und Grossstadt-Glitzer: Sieben Menschen erzählen auf einer Kärntner Bühne von ihrer Angst, in der eigenen Heimat queer zu sein. Unsere Kolumnistin Anastasia Biefang sass im weinenden Publikum.

Der Sommer steht bevor, und die Pride-Saison bricht bunt über uns herein. Es wird wieder laut auf den Strassen und die Feierlaune in der Community steigt – hoffentlich, trotz vieler gesellschaftspolitischer Entwicklungen, die versuchen, uns wieder zu marginalisieren, unsichtbar zu machen. 

Umso erfreulicher war mein wunderbar queeres Erlebnis im April in Österreich, unweit der malerischen Karawanken. Zum ersten Mal in meinem Leben verbrachte ich dort ein paar Tage – auf Einladung eines Freundes – in der Nähe von Klagenfurt. Es waren leise Tage in traumhafter Landschaft, einer Gegend, in der queeres Leben nicht sofort ins Auge springt. Zurückgezogen und konservativ wirkte es auf mich. 

Und genau dort erlebte ich ein kollektives Coming-out, so bewegend und einzigartig, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte: auf der Theaterbühne des Stadttheaters Klagenfurt.

Sieben queere Menschen, vielfältig in ihren Hintergründen, ihrem Erleben und ihrer Schauspielpraxis, führten ein zutiefst berührendes Stück auf: Queerinthia. Sie erzählten, wie sie ihr Queersein mit ihrer Heimat verbanden. Wie diese Heimat ihre queere Identität geformt hat. Wie sie Ablehnung erfuhren, Angst verspürten, sich selbst zu sein. Wie sie sich als queere Jugendliche verleugneten, sich nichts sehnlichster wünschten, als in ihrer «Andersartigkeit» akzeptiert zu werden. Ergreifend, mutig.

Jede einzelne Geschichte, selbst vorgetragen und eingebettet in eine queere Utopie, war kraftvoll und zugleich berührend leise. Jede war ein öffentliches Coming-out und eine intime Konfrontation mit der Gesellschaft im Publikum. Die authentischen Erzählungen standen für sich und wirkten gleichzeitig als kollektive Stimme für viele queere Menschen. 

Den Zuschauenden wurde ein Spiegel vorgehalten, ein Abwenden war kaum möglich, so fesselnd waren die Geschichten. Die queeren Kinder Kärntens klagten nicht an, sie waren nicht wütend, sondern fragten einfach: Warum konnte unsere Heimat uns nicht lieben, wie wir sind? 

Die Stille im Theater wurde nur vom Schluchzen der Zuschauenden unterbrochen. Tränen flossen über Gesichter. Die queeren Darstellenden waren nicht laut, nicht anklagend, nicht belehrend. Sie waren «nur» sie selbst. Sie öffneten sich einer Gesellschaft, die für sie nie offen war. Sie machten sich vulnerabel, um einen Dialog zu ermöglichen, der ihnen in ihrem Aufwachsen verwehrt wurde. Um endlich gesehen zu werden, weil sie früher übersehen wurden.

Auf der Bühne fanden sie Gehör, und einen Mut, den sie aus nachvollziehbaren Gründen früher nicht hatten aufbringen können. Und von der Bühne aus reichten sie dem Publikum die Hand. Versöhnlich, hoffnungsvoll und voller Optimismus, dass nach dieser Aufführung die privaten Coming-outs in Kärnten für queere Jugendliche leichter werden und das queere Leben dort sichtbarer.

Mit ihrem Auftritt haben diese sieben Menschen vielleicht mehr bewegt, als eine noch so farbenfrohe Parade es je könnte. Danke!

Anastasia Biefang (Illustration: Sascha Düvel)
(Bild: Sascha Düvel)

Die trans Perspektive

Anastasia Biefang war die erste trans Kommandeurin der deutschen Bundeswehr und Protagonistin des Films «Ich bin Anastasia». Sie wohnt in Berlin.

[email protected] Illustration: Sascha Düvel

Weitere Beiträge von Anastasia gibt's in der Kolumne «die trans Perspektive»

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