Angriffe auf LGBTIQ erreichen neuen Höchststand

Aktuelle Zahlen aus Berlin

Symbolbild: Christoph Soeder/dpa)
Symbolbild (Bild: Christoph Soeder/dpa)

Im Jahr 2024 wandten sich insgesamt 928 betroffene Personen an Maneo, das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin. In der Folge wurden knapp 2000 Beratungsgespräche geführt. 

Dies verdeutliche den hohen Bedarf an kontinuierlicher und spezialisierter Opferhilfe für die LGBTIQ-Community, so Maneo.

Die Fachstelle Maneo (das schwule anti-Gewalt-Projekt in Berlin) erfasste im Berichtszeitraum insgesamt 738 Fälle und Hinweise mit explizit LGBTIQ-feindlichem Bezug – ein Anstieg von 8% im Vergleich zum Vorjahr. Diese bilden eine Teilmenge der insgesamt 1081 eingegangenen Meldungen, die Maneo gesichtet und dokumentiert hat. Damit wurde erneut ein Höchststand an dokumentierten Fällen erreicht. (Der Exil-Schweizer Beni Durrer will Berlin verlassen – MANNSCHAFT berichtete).

Öffentliche Räume besonders betroffen 165 der gemeldeten Vorfälle ereigneten sich auf öffentlichen Strassen oder in Bereichen des öffentlichen Nahverkehrs. Die Sichtbarkeit schwuler und bisexueller Männer sowie trans und nicht-binärer Personen im öffentlichen Raum birgt ein hohes Risiko, allein deshalb beleidigt, gedemütigt oder körperlich angegriffen zu werden. 

Maneo hat viele solcher Vorfälle in der Statistik erfasst, sowohl Fälle, die polizeilich angezeigt wurden, als auch Fälle, die Betroffene nicht zur Anzeige bringen wollten. Das Dunkelfeld in diesem Bereich sei besonders hoch.

maneo grafik
Grafik von Maneo

Zunehmende Angriffe auf Szeneorte Besorgniserregend sei der Anstieg von Übergriffen auf LGBTIQ-Einrichtungen und Gedenkorte: 62 solcher Fälle wurden dokumentiert – ein Zuwachs von fast 60 % im Vergleich zum Vorjahr.

Einrichtungen wurden mit Eiern, Getränkeflaschen und Steinen beworfen oder mit Anschlägen bedroht, Schaufensterscheiben beschädigt oder eingeschlagen. Auch Gäste wurden verbal bedroht und körperlich angegriffen.

Die Sicherheitslage an Szeneorten in Berlin habe sich offenbar gegenüber dem Vorjahr nicht verbessert – eine Entwicklung, die Maneo mit grosser Sorge betrachte, wie es in einer Pressemitteilung heisst.

Gezieltes Eindringen und in Fallen gelockt Täter greifen demnach nicht nur gezielt Szene-Einrichtungen an, sondern dringen auch in diese ein, beispielsweise in Cruising-Gebiete. Sie haben es auch auf sicher geglaubte Datingportale abgesehen, wo sie gezielt Jagd auf Schwule, männliche Bisexuelle und MSM machten (MANNSCHAFT berichtete).

Sie locken ihre Opfer in Fallen, um sie dort nicht nur auszurauben, sondern ihnen zusätzlich noch schwere Verletzungen zuzufügen, damit ihren Hass ausleben. Im Berichtsjahr wurden 27 Fälle erfasst.

Strukturelle Herausforderungen und Handlungsbedarf Maneo geht von einem Dunkelfeld von 80–90 % aus. Viele Betroffene trügen bereits vielfältige Vorerfahrungen von Diskriminierung, Ausgrenzung und teilweise auch körperlicher Gewalt mit sich (Minderheitenstress).

Die oft gleichzeitig erlebte Erfahrung fehlenden Beistands verstärke auch die Skepsis gegenüber Strafverfolgungsbehörden, sie würden nicht genügend Aufmerksamkeit und Entschlossenheit mitbringen, die Taten zu verfolgen und aufzuklären. Oft blieben auch Ergebnisse über Ermittlungserfolge aus. Ebenso fehlten oft ermutigende Signale aus der Politik.

Die kontinuierlich hohe Anzahl an Fällen stelle das Team vor wachsende Herausforderungen, so Maneo. Trotz begrenzter personeller Ressourcen habe die Fachstelle auch in diesem Jahr zahlreiche nicht angezeigte Fälle sichtbar machen können. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden und die Angebote weiter zu spezialisieren, sei eine personelle Verstärkung im Bereich der Opferhilfearbeit dringend erforderlich.

Auch gegenüber jüdischen Queers hätten sich selbst in den LGBTIQ-Communities offene Anfeindungen ausgebreitet. «Erschüttert» habe man im letzten Jahr miterleben müssen, wie jüdische LGBTIQ in Berlin «massiver Ausgrenzung, Einschüchterung und Bedrohung» ausgesetzt waren, wie auf Szeneveranstaltungen Sympathien für extremistische Organisationen bekundet und damit Hass und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit praktiziert und glorifiziert wurden.

Zusätzlich zu alltäglichen Übergriffen im öffentlichen Raum sehen sich Queers auch Bedrohungen durch extremistische Gruppen ausgesetzt, die sie gezielt als Feindbild ins Visier nehmen, so Maneo. Besonders im Zusammenhang mit der bevorstehenden Pride-Saison warnt der Brandenburgische Verfassungsschutz aktuell vor möglichen Angriffen durch rechtsextreme Kreise. Neonazistische Gruppen zählen Homosexuelle zu ihren erklärten Feindbildern und könnten versuchen, Veranstaltungen zu bedrohen oder gezielt anzugreifen.

Die 70-jährige Nora und die 34-jährige Sarah suchen nach einer gemeinsamen Sprache. Was passiert, wenn Politik gendergerechtes Vokabular verbieten will? Wie sprechen in der Community «Alt» und «Jung»? Unterscheidet sich in Deutschland «Ost» von «West»? (MANNSCHAFT-Story)

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare