Bonnie Tyler: «Ich habe meine queeren Fans spät entdeckt»
Die 73-jährige Waliserin mit der extrarauen Stimme kommt zwischen Mai und Juli
«Total Eclipse Of The Heart» und «Holding Out For A Hero» zählen zu Bonnie Tylers grössten Hits. Auf ihrer Tour will sie auch neue Lieder präsentieren, wie sie MANNSCHAFT verriet. Zudem sprachen wir über das Geheimnis ihrer Ehe und ihren Edelfan Prinz William.
Liebe Bonnie, hast du den Winter wieder in deinem Domizil an der portugiesischen Algarve verbracht? Bonnie Tyler: Nein, wir sind zur Abwechslung in England geblieben. Das war auch schön, allerdings hat uns die Kälte doch ein wenig überrascht.
Irgendwie hatten wir trotzdem Lust darauf und wollten vor allem Weihnachten endlich mal zu Hause sein. Mein Mann hat den Weihnachtsbaum schon Ende November aufgestellt, damit wir so richtig was davon haben (lacht).
Du bist ein Familienmensch, oder? Zu einhundert Prozent. Wir selbst haben ja keine Kinder, aber meine drei Schwestern und zwei Brüder haben dafür jede Menge. Und dann die ganzen Enkel, da verliert man fast den Überblick (lacht).
Es macht mich oft ein bisschen traurig, dass meine Eltern nicht mehr da sind, wir hatten eine wunderbare Verbindung. Ich fand es so schön, ihnen ein Haus kaufen zu können, als ich erfolgreich wurde. Sie waren bis ins hohe Alter hinein gut umsorgt. Tolle Menschen waren das, wirklich. Meine Mutter war ein Engel.
Magst du es, die Familie um dich zu scharen? Und wie! Die Kleinen haben so viel Energie, sie schenken uns irrsinnig viel Freude. Und diese Unermüdlichkeit ist ansteckend. Ich meine, ich bin 73 und nehme es nicht für selbstverständlich, noch so emsig durch die Welt zu touren.
Im Januar habe ich in Neuseeland und in Australien gespielt, danach geht es durch ganz Europa, und Südamerika steht für dieses Jahr auch noch auf dem Programm.
Hast du als Vielreisende ein paar Tricks, wie man einen Langstreckenflug nach Neuseeland übersteht? Puh, das ist wirklich hart. Ich muss zugeben, dass ich in der Ersten Klasse fliege, das vereinfacht die Sache. Generell versuche ich, so viel wie möglich zu schlafen und zwischendurch ein paar Filme zu gucken.
Hast du in Neuseeland nicht auch ein Anwesen? Hatte. Wir besassen eine Farm mit Kühen und anderen Tieren, einen Milchbetrieb. Davor hatten wir einen Hof mit Kaschmirziegen. Aber vor einem Jahr haben wir den Bauernhof verkauft.
Zu viel Arbeit? Naja, mein Lieber, die Arbeit habe ich ja nicht selbst gemacht (lacht). Wir hatten vorher schon an örtliche Farmer vermietet, und die haben den Hof jetzt gekauft.
Wie viel Aufwand ist es, dich für eine Tournee stimmlich in Form zu bringen? Darling, das geht nicht von selbst. Ich übe seit Wochen bereits jeden Tag. Alle zwei bis drei Tage telefoniere ich mit meiner Gesangslehrerin, wir machen etwa zwanzig Minuten Intensivkurs zusammen. Seit wir miteinander arbeiten, hatte ich keinerlei Probleme mehr mit den Stimmbändern. Und wir sprechen hier von vierzehn Jahren.
Staunst du über deine Stimme? Es ist schon aussergewöhnlich, wie gut sie hält. Ich begann mit dem Singen, als ich siebzehn war, jetzt bin ich 73. Ich hätte es nie für möglich gehalten, in diesem Alter noch so mitzumischen. Aber wenn du auf dich aufpasst, kannst du das schaffen.
Rod Stewart ist achtzig, Tom Jones noch einige Jahre älter, und sie stehen immer noch in guter Verfassung auf der Bühne. Wenn es optimal laufen sollte mit meiner Gesundheit, kann ich mir vorstellen, noch ungefähr zehn Jahre lang zu singen.
Fühlst du dich jung? Jung im Herzen. Ich merke das daran, dass ich überhaupt nicht stillsitzen kann. Einfach mal in Ruhe ein Buch zu lesen, das klappt bei mir fast nie. Als ganz praktisch haben sich für mich Hörbücher herausgestellt, weil ich noch was nebenher machen kann, wenn ich die höre.
Mein Mann Robert ist ganz anders, der guckt gerade unten in aller Ruhe Fernsehen. Während ich hier mit dir telefoniere und danach weiter meinen Ankleideraum aufräume.
Wie lange seid ihr verheiratet? Seit 51 Jahren! Ich weiss, es klingt unglaublich.
Dein Mann war als Judoka bei den Olympischen Spielen 1972 in München dabei, heute ist er als Immobilienentwickler tätig. Was ist euer Geheimnis? Wir lieben uns. Sehr sogar. Ich würde meinen Mann für nichts und niemanden auf der Welt hergeben wollen. Er ist immer noch diejenige Person, mit der ich am liebsten Zeit verbringe. Wir reisen auch so gut wie immer zusammen, auch zu meinen Tourneen begleitet er mich. Die Fans kennen ihn schon, manchmal rufe ich ihn hoch zu mir auf die Bühne.
«Ich musste überredet werden. Ach was, bekniet hat man mich. Im Nachhinein sage ich: zum Glück. Denn ich mag das Buch gern, es ist sehr ehrlich.»
Bonnie Tyler
Du hast 2023 deine Autobiographie «Straight From The Heart» veröffentlicht. War es ein langgehegter Wunsch, dein Leben aufzuschreiben? Liebster, oh nein, ich musste überredet werden. Ach was, bekniet hat man mich. Im Nachhinein sage ich: zum Glück. Denn ich mag das Buch gern, es ist sehr ehrlich.
Du schreibst unter anderem, dass du früher sehr schüchtern warst. Wann hast du deine Schüchternheit abgelegt? Das geschah schleichend mit der Zeit. Irgendwann hatte ich alles erlebt, vieles erreicht, wurde ruhiger, gelassener und selbstbewusster. Ich hatte nichts mehr zu beweisen. Ich konnte einfach rausgehen und mein Leben und meine Arbeit geniessen.
Welche Leidenschaften hast du sonst so neben der Musik? Ich schwimme unheimlich gerne. Es ist ja verrückt, aber ich habe erst mit Ende sechzig überhaupt gelernt zu schwimmen. Während der Pandemie, die wir in Portugal verbrachten, fing ich aus Langeweile in unserem Pool damit an. Und ich liebe es. Aber nur im Pool. Niemals im Meer. Ich möchte nicht im Bikini bei allen möglichen Leuten auf Facebook auftauchen.
Du hast ursprünglich als Verkäuferin in Wales gearbeitet. Deine Karriere begann, als du auf eine Annonce in der Tageszeitung geantwortet hast, in der eine Harmoniesängerin gesucht wurde. Wärest du heute 19, müsstest du dich auf TikTok tanzend und singend präsentieren, um entdeckt zu werden. Ich bin pragmatisch veranlagt und würde das Spiel wahrscheinlich mitspielen. Aber ich bin froh, dass es bei mir auf die althergebrachte Art funktionierte. Ich sang jahrelang alle erdenklichen Stile von Blues bis Rock’n’Roll in Clubs für hart arbeitende Männer. Meist war ich in den Bingo-Pausen dran. So etwas stählt dich für dein restliches Leben.
Bonnie Tyler
Geboren als Gaynor Hopkins am 8. Juni 1951 in Skewen, Wales. Weltberühmt wurde Bonnie Tyler durch ihre rauchige Stimme und Hits wie «Total Eclipse of the Heart», «Holding Out for a Hero» und «It's a Heartache».
Ihre Karriere erstreckt sich bisher über fünf Jahrzehnte und über 20 Millionen verkaufte Alben. Ab Mai reist Bonnie Tyler mit ihrer «Just Live»-Tour durch Deutschland, die Schweiz und Österreich: von Berlin bis Zwickau vom 3. Mai bis 12. Juli, in Zürich am 26. Mai und vom 25. bis 29. Juli ins österreichische Moosburg, Linz und Mörbisch am See. – bonnietyler.com
Eines der neuen Stücke von deinem jüngsten Studioalbum «The Best Is Yet To Come» heisst «Stronger Than A Man». Musstest du stärker sein als die Männer, um in den Siebzigerjahren Karriere zu machen? Ehrlich gesagt habe ich das nie so empfunden. Ich wusste, dass ich es mit den ganzen Jungs-Rockern aufnehmen konnte. Als Mädchen war ich schüchtern, aber meine Ängste habe ich frühzeitig auf der Bühne verloren.
Du wirst nicht Nummer Eins in Amerika, England und Deutschland, wenn du Bammel hast oder verhuscht bist. Sondern wenn du den Mut hast, die anderen aus dem Feld zu schlagen, gepaart mit der Überzeugung, die Beste zu sein.
«Holding Out For A Hero» wie auch «Total Eclipse Of The Heart» sind seit vielen Jahren absolute Klassiker in Gay-Clubs. Wann wurde dir bewusst, dass du so eine leidenschaftliche LGBTIQ-Fangemeinde hast? Erst sehr spät. Auch, weil ich immer wieder darauf angesprochen wurde. Ich finde das fantastisch und liebe meine queeren Fans.
Woran liegt es, dass du in der Gay-Community so viele Bewunderer hast? Viele meiner Songs sind so herrlich dramatisch, vielleicht hat das was damit zu tun. Und die Videos, vor allem die alten, da komme ich schon ziemlich divenhaft rüber. Aber, ach, ich mache keinen Unterschied, ob meine Fans schwul oder bi oder hetero oder sonst was sind. Liebe ist Liebe, ganz einfach.
«Aber, ach, ich mache keinen Unterschied, ob meine Fans schwul oder bi oder hetero oder sonst was sind. Liebe ist Liebe, ganz einfach.»
Bonnie Tyler
Überall auf der Welt mögen die Menschen deine Lieder und deine Stimme. Hast du eigentlich so etwas wie einen Edelfan? Ich liebe wie gesagt selbstverständlich alle meine Fans gleich, aber wenn du schon so fragst: Prinz William. Als seine Oma, die Queen, noch lebte, kam er mal mit seiner Frau Kate und seinen zwei ältesten Kindern zu einem meiner Konzerte nach Cardiff in Wales, was nicht weit entfernt ist von meinem Geburtsort. Ich konnte von der Bühne aus erkennen, dass er mitsang!
Habt ihr euch auch unterhalten? Ja. Er erzählte mir, dass die Familie auf der Autofahrt nach Wales «Total Eclipse Of The Heart» gehört habe, damit seine Kinder wussten, was sie erwartet. Süss, oder?
Schon, ja. Und die Ehrenauszeichnung «Member Of The Order Of The British Empire», kurz MBE, hat er dir später auch noch verliehen. Ja, vor knapp zwei Jahren. Die Queen hat die Zeremonie leider nicht mehr miterlebt, aber sie hat meine Ehrung noch kurz vor ihrem Tod in die Wege geleitet. Ich bin jetzt offiziell ein Mitglied des britischen Establishments, stell dir das doch mal bitte vor!
Riccardo Simonetti spricht im MANNSCHAFT-Interview über die Herausforderungen der Sichtbarkeit, das Ringen um Anerkennung und über fehlende Vorbilder in der Jugend. Ein Gespräch über Träume, Widerstände und die Kraft, zu sich selbst zu stehen.
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