Zwei Frauen in Berlin: Anabelas Kitchen

Zum Lesbian Visibility Tag

Anabela und Marion (von Links)
Anabela Campos-und Marion in Berlin (Bild: Sören Kittel)

Am 26. April ist Lesbian Visibility Das: Der Tag ist jährlich der Sichtbarkeit von Frauen gewidmet, die Frauen lieben.

Wir stellen ein Restaurant vor, das nicht nur seit 17 Jahren von einem lesbischen Paar betrieben wird, sondern auch seit langem komplett ohne Menü funktioniert.

Begonnen hat es bei einem Osterbrunch in Moabit, wo sie Anabela zum ersten Mal Marion von Weitem sah: kurze dunkle Haare, ansteckendes Lächeln. Die Portugiesin Anabela Campos-Neves ist da schon länger in Deutschland, beide sind noch in anderen Beziehungen. «Wir haben uns da nur kennen gelernt», sagt Marion. «Aber ich sage mal so: Wir haben einander im Auge behalten.» Zwei Jahre später treffen sie einander wieder und es dauert nicht lang und sie sind ein Paar – das war im Jahr 2002.

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Wieder 23 Jahre später sitzen sie gemeinsam in «Anabelas Kitchen», einem Restaurant in Charlottenburg nicht weit vom Savignyplatz. Seit 17 Jahren bietet das Restaurant auf der Pestalozzistrasse Küche auf hohem Niveau an. Das besondere dabei ist, dass es keine Karte gibt. Bei jedem Gast stellt sich zur Begrüssung Anabela vor und erzählt, was sie auf dem Markt besorgt hat: Schwertfisch, Lamm oder Brandenburger Reh? Muscheln, Rinderbäckchen oder Tintenfisch? Dann fragt sie nach Unverträglichkeiten und was die Gäste nicht mögen – und das Fest kann beginnen.

Als sie mit dem Restaurant begonnen haben, erzählt Marion, da gab es noch eine Speisekarte, so richtig mit Preisen in Euro am Rand der Seite. Aber nach zwei Jahren haben sie noch einmal nachgedacht, was für eine Art Restaurant sie betreiben wollen – und kamen schliesslich auf diese Idee. «Erst dann haben wir auch den Namen geändert zu Anabelas Kitchen.» Erst hatten sie überlegt, das Portugiesische Wort für Küche zu benutzen, aber «Cozinha» versteht eben doch nicht jeder in Berlin. 

Omakase. Das ist japanisch und bedeutet wörtlich «Details überlasse ich Ihnen».

Das Portugiesische in Anabelas Küche drückt sich zurückhaltend auf dem Teller aus: Der Fokus liegt auf Meeresfrüchten und deftigen Speisen aus dem Süden. Preise gibt es nur auf der Weinkarte. Für die beiden hat das Arbeiten ohne feste Karte fast nur Vorteile, und der Erfolg gibt den beiden recht: Das Restaurant ist meinst lange im Voraus ausgebucht. Inzwischen gibt es sogar einen offiziellen Namen für diese Art von Menü: Omakase. Das ist japanisch und bedeutet wörtlich «Details überlasse ich Ihnen».

«Wir hatten schon Omakase», sagt Anabela, «bevor Omakase bekannt wurde.» Sie habe sich durch eine Karte so beengt gefühlt und nach ein paar Wochen war auch klar, dass die Kundschaft sich gern einmal überraschen lassen möchte, ob es jetzt Kartoffel-Möhren-Stampf oder eher ein Erbsen-Mousse als Beilage bekommt. «Hier im Kiez kennen das inzwischen ohnehin alle Stammgäste und auch, wenn Gäste zum ersten Mal hier sind, finden sie immer etwas.» Außerdem ist immer ein besonderer Moment, wenn die Köchin kurz selbst am Tisch steht.

Leicht war es trotzdem nicht in den ersten Jahren. Marion musste oft erklären, wie es funktioniert, inzwischen gibt es auch immer häufiger spezielle Unverträglichkeiten. Marion kommt ursprünglich nicht aus der Gastronomie, sondern hat Germanistik, Kunstgeschichte und Medienwissenschaften studiert. «Ich war es nicht gewohnt, vorsichtig Befehle zu empfangen oder zu erteilen», sagt Marion. In der Küche müsse es oft schnell gehen, für Höflichkeiten bleibe oft keine Zeit. «Da war es ganz normal, dass man am Anfang aneinander gerät.»

Marion hat vor diesem Leben Filme produziert, hatte eine ganz andere Karriere, bevor sie in das Geschäft ihrer Frau einstieg. «Dafür kannte ich jemanden von der Filmausstattung, der uns beriet, als wir das Restaurant einrichteten.» Das saftige Grün, das die Gäste hier umgibt – ein positiver Effekt. Nach ein paar Jahren setzten sie sich zusammen und überlegten, wie sie die Abläufe verbessern können – damit beide am Abend gut gelaunt das Restaurant verlassen. Anabela: «Ich habe mit Marion eine Frau, der ich 100-prozentig vertrauen kann.»

Das Restaurant atmet auch ihre gemeinsame Geschichte: An den Wänden sind alte Rezepte von Freunden des Hauses und aus Anabelas Familie. Ein Suppenrezept der Grossmutter, ein Kuchenrezept eines Freundes, das berühmte «Pumpernickel-Parfait» von Marion – sowie ein Verlobungs-Foto von den Anabelas Eltern. Die Eröffnung des Restaurants fand natürlich am Frauentag, dem 8. März – der auch Marions Geburtstag ist.

Anabela sagt über Marion: «Mir ihr fühlen sich die Leute einfach wohl, ich hätte gar nicht die Geduld, immer so freundlich zu bleiben.» Sie erzählt von einem Tag, als sie hörte, dass einer ihrer Kellner rassistisch beleidigt wurde. «Das war das einzige Mal, dass ich einen Gast zurechtgewiesen habe», sagt Marion, «sonst beisse ich mir auf die Zunge, auch dann, wenn doch einmal jemand einen frauenfeindlichen Witz macht.»

Marion und Anabela wollen weitermachen, solange es geht, auch wenn sie dieses Jahr wegen des Restaurants ihren jährlichen Portugal-Urlaub verschieben mussten. Aber sie haben gemeinsam Corona und die Inflation überstanden – und die Preise noch immer nicht wirklich angepasst. Ein dezidiertes «LGBTIQ-Restaurant» wollten sie nie sein, nirgendwo hängt eine Regenbogenflagge. Und wenn Marion oder Anabela allein durch die Kantstrasse laufen und auf Bekannte treffen, gibt es immer die Frage: «Wie geht es ihrer Frau?»  

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