Polizei untersagt CSD in Budapest: Prominente Queers protestieren
Initiiert u.a. von Bettina Böttinger
Solidarität mit ungarischen Queers: Bettina Böttinger, Carolin Emcke, Thomas Hermanns und Georg Uecker haben einen Offenen Brief an die Regierung in Ungarn sowie die deutsche Bundesregierung und Brüssel initiiert.
Per Gesetz ist queeren Menschen in Ungarn das Recht auf Versammlungsfreiheit genommen worden: Die Polizei hat nun auch die für Ende des Monats geplante Pride-Parade in Budapest verboten. Sie lehnte den Antrag der Veranstaltenden mit der Begründung ab, bei dem Umzug in der Hauptstadt könne es zu gesetzlich verbotenem Verhalten kommen, und es sei nicht ausgeschlossen oder sogar unvermeidlich, dass Menschen unter 18 Jahren daran teilnähmen (MANNSCHAFT berichtete). «Es kann nicht hingenommen werden, dass ein EU-Staat grundlegende Rechte mit Füssen tritt», heisst es in einem Offenen Brief, der an diesem Donnerstag vorgestellt wurde.
Bettina Böttinger, Carolin Emcke, Thomas Hermanns und Georg Ueckerhaben vor diesem Hintergrund den Offenen Brief (der Wortlaut folgt weiter unten) an die Regierung in Ungarn sowie die deutsche Bundesregierung und Brüssel initiiert. Er wird von vielen prominenten Unterzeichner*innen unterstützt, darunter Olivia Jones, Carolin Kebekus, Hape Kerkeling, Maren Kroymann, Barrie Kosky und Kim de l’Horizon.
Einige der Initiator*innen und Unterzeichner*innen reisen am 28. Juni nach Budapest, um ihre Solidarität vor Ort deutlich zu machen.
Im Verfahren um mutmasslich diskriminierende Gesetze in Ungarn hat derweil die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine erhebliche Entfernung Ungarns von den Grundwerten der EU festgestellt. Ungarn vertrete nicht nur andere Auffassungen der Grundwerte der EU, schrieb Generalanwältin Tamara Capeta in ihren Schlussanträgen. «Vielmehr habe Ungarn mehrere dieser grundlegenden Werte negiert und sich damit erheblich vom Modell einer verfassungsmässigen Demokratie (...) entfernt.»
Die Schlussanträge sind für die urteilenden Richter nicht bindend, sie folgen ihnen aber häufig. Wann das Urteil verkündet wird, ist bisher nicht bekannt.
Die Kommission hatte Ungarn wegen Gesetzen verklagt, die dem Land zufolge dem Jugendschutz und dem Schutz vor Pädophilie dienen sollen. Sie beschränken etwa den Zugang zu Inhalten, in denen es um die Anpassung des Geschlechts oder Homosexualität geht. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde verstösst Ungarn damit unter anderem gegen Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union. Derlei Verstösse könnten mit einem Stimmrechtsentzug in der EU geahndet werden.
Die Generalanwältin empfahl den Richter*innen nun, der Klage der Kommission stattzugeben. Die fehlende Achtung oder Ausgrenzung einer gesellschaftlichen Gruppe seien rote Linien, die sich aus den EU-Werten ergäben.
«Es darf in Europa nicht unwidersprochen bleiben, wenn der grundrechtliche Schutz von Menschenrechten und Demokratie ausgehöhlt und zerstört wird. Queere Rechte sind Menschenrechte.»
Aus dem Offenen Brief
Der Wortlaut des Offenen Briefes «Die Lage für queere und trans Menschen in Ungarn spitzt sich seit dem angekündigten Verbot des CSD/Pride 2025 und der transfeindlichen Verfassungsänderung im April zu - und das in einem EU-Land! Die Charta der Grundrechte der EU garantiert die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, sie garantiert Versammlungs- und Meinungsfreiheit und den Schutz vor Diskriminierung.
Wir, die Unterzeichnenden, kritisieren aufs Schärfste die Kriminalisierung von friedlichen Demonstrationen wie dem CSD/Pride. Es darf in Europa nicht unwidersprochen bleiben, wenn der grundrechtliche Schutz von Menschenrechten und Demokratie ausgehöhlt und zerstört wird. Queere Rechte sind Menschenrechte. Europa ist kulturelle, religiöse, soziale, sexuelle Vielfalt. Die lebendige LGBTIQ Community in Ungarn braucht Anerkennung und Schutz wie alle anderen Menschen in Europa auch.
Wenn die ungarische Regierung unter Viktor Orban aus diesem europäischen Konsens ausscheren will, wird das nicht leise und unbemerkt passieren! Wir rufen dazu auf, laut die Solidarität mit allen queeren und trans Menschen in Ungarn zu zeigen und sie in ihrem Recht auf eine eigene Demonstration in Budapest am 28.6.25 zu bestärken! Wir rufen ausserdem die EU-Führung in Brüssel sowie die deutsche Regierung auf, alles zu tun um diese Demonstration zu unterstützen und ihre ungarischen und ausländischen TeilnehmerInnen zu schützen. Der 28.6. wird in Budapest ein entscheidender Tag werden für die Rechte und Sichtbarkeit aller queeren und trans Menschen in der EU.» (mit dpa)
Was die Stadt Wien für LGBTIQ tun will. Es geht u.a. um Wohnen und queere Geflüchtete (MANNSCHAFT berichtete).
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