Buck Angel: «Man With a Pussy» kommentiert Transphobie-Debatte

Als trans Mann in schwulen Pornos wurde er berühmt. Jetzt hat er die Debatte rund um Ausgrenzung und transfeindlichkeit kommentiert, bei der es auch um J.K. Rowling geht

Mit diesem Foto bebilderte Buck Angel auf Facebook seinen Post zur derzeitigen LGBTIQ-Lage; dabei bezeichnete er sich selbst als «Transpa», also trans Grossvater (Foto: Buck Angel / Facebook)
Mit diesem Foto bebilderte Buck Angel auf Facebook seinen Post zur derzeitigen LGBTIQ-Lage; dabei bezeichnete er sich selbst als «Transpa», also trans Grossvater (Foto: Buck Angel / Facebook)

Einer der grossen Kulturkämpfe der Jetztzeit ist darüber entbrannt, wer genau mit den Begriffen «Mann» und «Frau» gemeint ist, wer in die «Safe Spaces» dieser Gruppen hinein darf und wer nicht. Nun hat sich eine der Ikonen der trans Bewegung geäussert: Buck Angel, der «Mann mit der Vagina».

Der 1962 geborene Buck Angel wurde in den frühen 2000er-Jahren bekannt, als er als trans Mann ins schwule Pornogeschäft einstieg und bei Produktionen von Labels wie Titan Media – bekannt für klassische «hypermaskuline» Darsteller – mitwirkte. Das war damals im Kontext des Schwulenpornos eine Sensation, die für viele Diskussionen sorgte. Trotzdem oder gerade deswegen wurde Angel mit Preisen der Pornoindustrie (inkl. der schwulen Pornobranche) überhäuft und immer wieder zu Interviews gebeten, um aus seinem Leben und von seinen Erfahrungen zu erzählen. Diese Interviews wurden auch in Mainstream-Medien veröffentlicht und erregten auch dort die Gemüter.

Seine Sichtbarkeit nutzte Angel von Anfang an, um aufzuklären und in öffentlichen TV-Auftritten immer wieder zu sagen, er sei «The Man With a Pussy», mit der Ergänzung: «It‘s not what‘s between your legs that defines you.» Also: Nicht das, was zwischen deinen Beinen ist, definiert wer du bist!

Als das Schwule Museum 2015 den Publikumsrenner «Porn That Way» präsentierte, war ein Foto von Buck Angel gleich am Eingang der Ausstellung zu sehen, in einer Art «Held*innen»-Galerie.

Eine der Kurator*innen von «Porn That Way», «Pornogräfin» Laura Méritt, bei der Ausstellungseröffnung vorm Bild von Buck Angel (Foto: Polly Puller)
Eine der Kurator*innen von «Porn That Way», «Pornogräfin» Laura Méritt, bei der Ausstellungseröffnung vorm Bild von Buck Angel (Foto: Polly Puller)

Verkürzte Etikettierung und vernichtende Schlagzeilen Seither ist viel passiert. Nicht zuletzt, weil die Diskussion um biologisches vs. selbstgewähltes Geschlecht und überhaupt um die Binarität von Mann/Frau für weltweite Schlagzeilen sorgte, speziell seit die Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling sich dazu äusserte. Da es sich bei ihr um einen extrem bekannten (und beliebten) Namen handelt und da sie von fast sämtlichen LGBTIQ-Medien wiederholt in vernichtenden Schlagzeilen als «transfeindlich» kritisiert wurde, haftet ihr nun diese Etikettierung an.

Nach Kritik: J.K. Rowling gibt Menschenrechtspreis zurück

Während sich fast alle Darsteller*innen aus den Harry-Potter-Filmen öffentlich von Rowling distanzierten, um nicht selbst von Twitterati mit Transfeindlichkeitsvorwürfen in Bedrängnis gebracht zu werden, aus der sie sich nicht argumentativ befreien könnten (weil im Fall von Twitter-Empörung keine ausgewogene Diskussion möglich scheint), hat sich soeben Hagrid-Darsteller Robbie Coltrane für Rowling ausgesprochen. Seiner Meinung nach würden viele trans Personen nur darauf «warten» beleidigt zu sein (MANNSCHAFT berichtete über Daniel Radcliffe und seine Position zu J.K. Rowlings Äusserungen.)

Der inzwischen 70-jährige Coltrane erklärte in einem Interview mit Radio Times: «Ich glaube nicht wirklich, dass das, was sie sagte, anstössig ist. Ich weiss nicht warum, aber es gibt inzwischen eine ganze Twitter-Generation von Menschen, die nur herumsitzen [hang around] und darauf warten, beleidigt zu werden.»

Backlash der «Community» In dieser Grosswetterlage also meldet sich nun Buck Angel zu Wort mit einem langen Statement auf Facebook. Ein Statement, das nicht nur als Äusserung an sich bemerkenswert ist, sondern wo auch die Reaktionen beachtenswert sind. Viele Kommentator*innen schrieben, was für eine «Inspiration» Angel für sie gewesen sei. Jemand mit dem Namen Caleb meinte: «Ich möchte diesen Kommentar teilen, aber ich bin nicht so weit, den möglichen Backlash meiner ‹Community› zu ertragen.»

«Cancel Culture»: Ein «Fehltritt» und du bist raus

Was für eine «Community» ist das, möchte man fragen, die nicht mehr über Inklusion Unterstützung und einen sicheren Hafen bietet, sondern aggressiv um sich schlagend Menschen in Angst und Schrecken versetzt, sogar diejenigen, die sich als Teil der «Community» begreifen? Buck Angel antwortete Caleb: «Das ist urkomisch [hilarious] und gleichzeitig traurig. Hör‘ auf in Angst zu leben, mein Freund, diese Menschen haben nur so viel Macht, wie du ihnen gibst. Liebe, Buck.»

Was ist also das Statement? Hier die übersetzte Fassung: «Mann mit einer Vagina. So lebe ich mein Leben. Es war damals eine grosse Entscheidung, der Welt zu sagen, dass ich keinen Penis brauchte, um als Mann zu leben. Ich erhielt Morddrohungen. Ich wurde von anderen trans Männern gemobbt. Ich wurde zum Freak für die Welt, aber niemand konnte mich je daran hindern, mein Leben so vollständig wie möglich zu leben. ABER. Ich habe niemals behauptet ein biologischer Mann zu sein. Ich habe meine Vergangenheit als Frau immer akzeptiert als Teil meiner Transition.

Vor über 20 Jahren wollten mich schwule Männer nicht in ihren Räumen, also respektierte ich das und habe nie gedrängt. Ich tauchte immer wieder und wieder auf, ohne zu reklamieren, ein Bio-Mann zu sein. Ich erklärte mich selbst als Mann, der als Frau geboren wurde. Der immer noch eine Vagina hat. Einige Männer hassten mich deswegen, andere liebten mich. Ich habe mich nicht hineingedrängt und habe diese Männerräume [male space] respektiert. Ich fühlte mich gesegnet/ausgezeichnet, wenn ich eingeladen wurde und betrachtete diese Orte für mich als heilige Orte [sacred space]. Ich fühlte mich akzeptiert.»

Weiter heisst es: «Der Mann mit einer Vagina, der als Frau geboren wurde und sich niemals weiblich fühlte, lebte jetzt in einer Welt, die mir das Gefühl gab, machtvoll und lebendig zu sein. Heute bewege ich mich in der Welt als männlich, aber trotzdem als transsexueller Mann [transsexual man]. Ich empfinde es als wichtig, euch das zu erzählen, weil ich nie ein biologischer Mann sein und immer meine transsexuelle Erfahrung haben werde. Diese Erfahrung anzunehmen macht uns einzigartig und mächtig. Wir sind eine andere Spezies [breed].

Uns wurde das Geschenk von beiden Welten gegeben. Wisst das. Benutzt das, um vorwärts zu kommen, nicht zurück. Heute sehe ich diese Idee, dass trans Männer Männer sind. Ja, das sind wir, aber wir können nie vergessen, woher wir kommen und was unsere besondere Erfahrung mit Männlichkeit ist.»

Wir können nicht einfach Räume überrennen, nur weil wir akzeptiert werden wollen

Angels Fazit lautet: «Wir können nicht einfach Räume überrennen, nur weil wir akzeptiert werden wollen. Wir müssen auch Räume und Bereiche respektieren, die bereits besetzt sind. Lebt miteinander in den Männerräumen und erfahrt, wie die Akzeptanz und Liebe von Männern euch überwältigen wird. Ich bekomme täglich so viel Liebe von Männern, und ich glaube, das liegt daran, dass ich diese Räume respektiere. Lebe dein Leben. Finde dein Ziel und deine Berufung [purpose]. Du hast eins. Und das Leben wird dich umarmen.»

Verrohte Gesprächskultur und Wille zum Missverständnis Unterschrieben sind diese Zeilen mit dem Begriff «Tranpa», was so viel heisst wie «trans Grossvater» und auf den Altersunterschied zwischen Buck Angel und vielen heutigen trans Aktivist*innen verweist, die völlig anders sozialisiert wurden und vielleicht deshalb anders agieren.

Die Diskussion wird alle innerhalb und ausserhalb der LGBTIQ-Community sicher noch lange begleiten. Ob die «verrohte Gesprächskultur» und der «Wille zum Missverständnis» dabei auch ein Dauerzustand bleiben werden, muss sich zeigen. Arnd Pollmann meinte unlängst im Deutschlandfunk: «Aufbauschen, skandalisieren, beschimpfen: Unsere Gesprächskultur verkommt immer öfter zu strategischer Kommunikation. Das funktioniert, indem gezieltes Falschverstehen zur Taktik wird.»

Der Twitter Modus Vivendi sei demnach, alles überzuinterpretieren: «Die attackierte Position wird bis zur Unkenntlichkeit überzeichnet, um sie nicht mehr ernst nehmen zu müssen. Und die Frage steht im Raum: Wer will mit solchen Typen noch irgendetwas zu tun haben?»

Pollmann spricht von einem «verweigerten Verstehen», das «freudlos und verbissen» sei. Gegen diese Freudlosigkeit und Verbissenheit wendet sich Buck Angel sehr deutlich. Aber sein Aufruf zu Respekt und zum Respektieren der Räume (und Positionen) anderer scheint fast wie aus der Zeit gefallen.

Steuern wir auf den Abgrund zu? Auf Twitter schrieb Buck Angel zum aktuellen Status quo: «Sie haben die Stimmen der meisten Menschen inzwischen ausgeschlossen, indem sie eine Cancel Culture errichtet haben. Das ist alles geplant. Jetzt haben Menschen Angst, ihren Job zu verlieren. Es wird nicht weiter geforscht, weil man Angst haben muss, als transphob bezeichnet zu werden. Wache auf, Welt. Kämpfe dagegen an oder wir steuern alle auf den Abgrund zu [we are doomed]!»

Ob das nur eine weitere Verschwörungstheorie ist oder ein Kassandra-Ruf, der ernst zu nehmen ist?

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