Ausverkaufte Kinosäle und lange Schlangen: Positive Bilanz für HIQFF

Der Film «Dreamers» gewann am HIQFF den Preis für besten Spielfilm, die Globula.
Der Film «Dreamers» gewann am HIQFF den Preis für besten Spielfilm, die Globula. (Bild: Joi Productions)

Mit der Vergabe der Publikumspreise und dem Abschlussfilm «Wenn du Angst hast», endete das 36. Hamburg International Queer Film Festival (HIQFF). Sechs Tage lang konnten Fans queerer Filmkunst in acht verschiedenen Kinos in die neusten Produktionen eintauchen, diskutieren und sich vernetzen.

Bis heute bleibt in Filmen des Mainstreams der Unterhaltungsindustrie, für queere Rollen und Protagonist*innen oft genug nur die Aufgabe des «Hofnarren» oder des pflichtschuldigen Sidekicks. Das von dem Trägerverein Querbild e.V. veranstaltete HIQFF wirkt da wie eine Insel. Hier sorgen die Veranstalter*innen von Deutschlands grösstem queeren Filmfestival immer wieder für Sichtbarkeit, bieten LGBTIQ-Produktionen eine Bühne.

2025 wurde ganz klar auch der Widerstandsgedanke thematisiert. Genau wie die Katze auf dem diesjährigen Festivalplakat, sei es Zeit bei Bedarf auch die Krallen zu zeigen, so die Botschaft der Veranstalter*innen an die Community. Bereits die Eröffnung des HIQFF auf Kampnagel lockte zahlreiche Besuchende an. Und die Filmfans strömten auch den Rest der Woche in Scharen in die Kinos. Für viele von ihnen ist das HIQFF ein fester Bestandteil in ihrem Jahreskalender, nicht wenige reisen dazu Jahr für Jahr, über grössere Distanzen nach Hamburg.

Lady Sasha und Amina Balajo führten durch die Eröffnungs-Gala des HIQFF auf Kampnagel.
Lady Sasha und Amina Balajo führten durch die Eröffnungs-Gala des HIQFF auf Kampnagel. (Bild: Stephan Bischoff)

Gleich mehrere Publikumspreise konnten die Zuschauer*innen im Verlauf der Festival-Woche vergeben. Die Globola (der Preis für den besten Spielfilm) ging 2025 an «Dreamers» von Joy Gharoro-Akpojotor (UK, 2025) mit einem Preisgeld von 1000 Euro, gesponsert von Hamburg Pride. Als beste Dokumentation («Dokula») wurde «Tre Fedre» («Fatherhood») von Even G. Benestad (Norwegen, 2025) ausgezeichnet – das Preisgeld über 1000 Euro wurde von der Synthese Gmbh gesponsort. Die mit einem Preisgeld von 1000 Euro dotierte Ursula (bester Kurzfilm) gewann «Gender Reveal» von Mo Matton (Kanada, 2024). Der Preis für den besten deutschen Kurzfilm («Made in Germany») ging in diesem Jahr an «Kiss Kiss Wolf» von Lynn T Musiol (2024).

Sera Heller und Hanne Homrighausen vom HQIFF-Team haben uns im Anschluss an sechs aufregende Festivaltage, einige Fragen beantwortet:

Ist die Woche aus eurer Sicht so verlaufen, wie ihr das erhofft hattet? Sera & Hanne: Ganz genaue Zahlen liegen uns zwar noch nicht vor, aber der erste Eindruck ist sehr positiv. Wir hatten auch in diesem Jahr wieder zahlreiche ausverkaufte Veranstaltungen und lange Warteschlangen vor den Kinosälen – ein deutliches Zeichen für das grosse Interesse und die hohe Resonanz.

Wir sind daher zuversichtlich, dass das Festival noch besser besucht war als im Vorjahr. Diese starke Publikumsbeteiligung freut uns sehr und zeigt einmal mehr, wie wichtig und lebendig queeres Kino ist.

Queer-emanzipatorische Bewegungen und Themen stehen weltweit zunehmend unter Druck. Ein Festival wie das HIQFF zu stemmen ist sicherlich niemals leicht, aber wie schwierig war es in diesem Jahr? Tatsächlich leben wir in Hamburg derzeit noch in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Die Stadt und die Kulturbehörde stehen weiterhin verlässlich an unserer Seite und unterstützen das Festival, dafür sind wir sehr dankbar. Dennoch spüren wir natürlich, dass queer-emanzipatorische Bewegungen weltweit zunehmend unter Druck geraten. Das macht die Arbeit nicht unbedingt leichter.

Was das Sponsoring betrifft: Das war schon immer eine Herausforderung. Es ist oft schwierig, langfristige Partnerschaften mit Unternehmen aufzubauen, die sich glaubhaft und nachhaltig für queere Sichtbarkeit engagieren. Trotzdem gelingt es uns jedes Jahr wieder, mit viel Engagement und kreativen Lösungen ein starkes Festival auf die Beine zu stellen.

Das Festival Programm war geprägt von Beiträgen, die Themen wie Widerstand gegen Unterdrückungsmechanismen, Selbstermächtigung, Safe Spaces aber auch Sichtbarkeit jenseits europäisch-weisser Blickwinkel aufgegriffen haben. Wie wichtig sind diese Themen aus eurer Sicht, gerade auch hinsichtlich zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen? Diese Themen sind für uns sehr wichtig – nicht nur, weil sie in den Filmen behandelt werden, sondern auch weil wir bei der Auswahl der Filme bewusst darauf achten, unterschiedliche Perspektiven zu zeigen. Wir möchten, dass verschiedene Stimmen und Erfahrungen sichtbar werden, von queeren Menschen aus aller Welt und mit verschiedenen Hintergründen. Es geht also nicht nur darum, was die Filme erzählen, sondern auch darum, wessen Geschichten wir erzählen und wie wir damit das gesamte Festival gestalten.

Als Hamburg International Queer Film Festival denken wir bewusst international und dieser Anspruch bedeutet für uns, Perspektiven sichtbar zu machen, die im Mainstream oft unterrepräsentiert bleiben. Unser Name steht genau dafür: Für Offenheit, Vielfalt und einen solidarischen Blick über nationale und kulturelle Grenzen hinweg. Gerade mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und erstarkenden Backlash ist es wichtiger denn je, diesen Stimmen Raum zu geben.

Freuen sich über ein erfolgreiches Festival, stellvertretend für das umfangreiche Team die Vorstandsmitglieder des Trägervereins Querbild e.V. v.l.n.r. Joachim Post, Antje Soltau, Hanne Homrighausen, Sera_Heller.
Freuen sich über ein erfolgreiches Festival, stellvertretend für das umfangreiche Team die Vorstandsmitglieder des Trägervereins Querbild e.V.: Joachim Post, Antje Soltau, Hanne Homrighausen, Sera Heller (v.l.n.r) (Bild: Stephan Bischoff)

Spiegelt sich dies auch in den Entscheidungen zu den Preisträger*innen wider? Das können wir so pauschal nicht sagen, denn unsere Preise sind reine Publikumspreise, das heisst: Das Publikum entscheidet, welche Filme ausgezeichnet werden. Es gibt also keine Jury, die urteilt. Gleichzeitig beobachten wir aber, dass unser Publikum ein starkes Gespür für die inhaltliche Tiefe und gesellschaftliche Relevanz vieler Beiträge hat. Wir würden durchaus sagen, dass die Mehrzahl unserer Besucher*innen unsere Haltung zu Themen wie Sichtbarkeit, Intersektionalität und Empowerment teilt und sich das auch in den Entscheidungen widerspiegelt. Das bestärkt uns in unserer kuratorischen Arbeit.

Seit acht Jahren sind die Schulvorstellungen ein fester Bestandteil des HIQFF. Ihr arbeitet hier mit dem Magnus Hirschfeld Centrum zusammen und habt in diesem Jahr dazu auch finanzielle Unterstützung gefunden durch Hamburg Pride. Wie habt ihr die Termine in diesem Jahr erlebt? Gab es Widerstände, vielleicht mehr als üblich? Für die Schulen selbst können wir nicht sprechen, aber aus unserer Perspektive war die Resonanz in diesem Jahr aussergewöhnlich positiv. Die Schulvorstellungen waren so gut besucht wie noch nie zuvor – eine war sogar komplett ausverkauft, die andere ebenfalls sehr gut besucht. Das freut uns sehr und zeigt, dass das Angebot angenommen wird.

Sicherlich hat die Förderung durch Hamburg Pride, die in diesem Jahr den kostenfreien Eintritt ermöglicht hat, dazu beigetragen. Gleichzeitig glauben wir, dass sich das Format über die vergangenen acht Jahre hinweg etabliert hat und mittlerweile einen sehr guten Ruf geniesst, bei Lehrkräften ebenso wie bei Schüler*innen. Wir sehen darin ein starkes Signal für das Interesse an queeren Themen im schulischen Kontext und eine wichtige Bestätigung für die Zusammenarbeit mit dem Magnus-Hirschfeld-Centrum.

Mit dem HIQFF schafft ihr einen bedeutenden Safer Space für Diskussionen und Themen zu queerer Selbstbestimmung und Identität. Werden diese Freiräume nach eurer Erfahrung derzeit kleiner? In Hamburg dürfen wir uns glücklicherweise über vergleichsweise stabile und vielfältige queere Vernetzung und Strukturen freuen, gerade im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands. Es gibt hier seit vielen Jahren ein breites queeres Kultur- und Beratungsangebot, das auch politisch unterstützt wird. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und wir wissen das sehr zu schätzen.

Gleichzeitig bleibt die Relevanz von Veranstaltungen wie dem HIQFF ungebrochen, vielleicht wird sie sogar noch grösser. Denn auch wenn Hamburg in vielerlei Hinsicht ein sicherer Ort für queere Menschen ist, beobachten wir gesellschaftlich eine zunehmende Polarisierung und einen wachsenden Druck auf marginalisierte Gruppen. Freiräume, in denen queere Identitäten, Selbstbestimmung und Empowerment sichtbar, verhandelbar und erlebbar werden, sind daher heute genauso wichtig wie früher – wenn nicht wichtiger.

Von unserem Publikum bekommen wir regelmässig sehr positive Rückmeldungen, die uns genau das bestätigen: Dass das HIQFF für viele ein Ort ist, an dem sie sich gesehen, verstanden und sicher fühlen und an dem Austausch auf Augenhöhe möglich ist.

Kann euer Festival neben der Bühne, die ihr für queere, emanzipatorische Filmkunst bietet, auch ein Sprungbrett sein für den ein oder anderen Film, gesellschaftlich noch grössere Gruppen zu erreichen? Unser Festival versteht sich nicht nur als Bühne für queere, emanzipatorische Filmkunst, sondern auch als Plattform, um Filme einer grösseren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir zeigen bewusst Werke, die noch keinen regulären Kinostart hatten, genau mit dem Ziel, ihnen Sichtbarkeit zu verschaffen und idealerweise ihren Weg in den regulären Kinobetrieb zu ebnen. Im besten Fall gelingt es so, dass einige dieser Filme nicht nur innerhalb der queeren Community, sondern auch darüber hinaus ein Publikum finden. Das ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit: Sichtbarkeit schaffen, nicht nur innerhalb sicherer Räume, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Genau darin liegt auch eine der grossen Stärken von Filmfestivals wie dem HIQFF.

Könnt ihr uns schon einen Ausblick auf das nächste Jahr geben? So viel dürfen wir schon verraten: Das 37. Hamburg International Queer Film Festival wird vom 13. bis 19. Oktober 2026 stattfinden. Alle Freund*innen queerer Filmkunst dürfen sich also den Termin schon einmal vormerken. Wir freuen uns darauf, auch im nächsten Jahr wieder gemeinsam mit unserem Publikum queeres Kino in all seiner Vielfalt zu feiern!

Hamburg Pride fördert Schulvorführungen im Rahmen des HIQFF Grossen Zuspruch fanden in diesem Jahr die Schulvorführungen im Rahmen des Hamburg International Queer Film Festival. Erstmals wurden diese mit 2000 Euro gezielt vom Verein Hamburg Pride e.V., unter anderem Veranstalter des Hamburger CSD, unterstützt. Dies führte dazu, dass die Schüler*innen kostenlos mit ihren Lehrpersonen altersgemäss geeignete Filme in einigen Sondervorführungen in Hamburger Kinos erleben konnten. Interessierte Schulen mussten sich aktiv um die Termine bemühen. Befragt nach den Beweggründen, warum Hamburg Pride e.V. gerade die Schulvorstellungen so deutlich unterstützt hat, sagt Manuel Opitz, Vorstand Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, «Queerfeindlichkeit fällt nicht vom Himmel. Sie entsteht durch Prägung in einem Prozess. Schule hat hier eine wichtige Aufgabe in der Prävention und Aufklärung», sagt er. Das HIQFF leiste hier einen wichtigen Beitrag, queere Lebensweisen und Vielfalt sichtbar zu machen.

Mehr: Die Eurogames kommen nach Frankfurt. 4000 Teilnehmende werden in 20 Sportarten erwartet (MANNSCHAFT berichtete)

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