Österreich entschuldigt sich bei verfolgten Homosexuellen
HOSI spricht von «historischem Signal»
Österreichs Justizministerin Zadić entschuldigt sich bei den verfolgten Homosexuellen der zweiten Republik. Die HOSI fordert: LGBTIQ Opfer der Strafverfolgung müssen rehabilitiert und für erlittenes Unrecht entschädigt werden.
Im Jahr 1971 wurde das Totalverbot gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte unter Bundeskanzler Bruno Kreisky von der Sozialdemokratischen Partei aufgehoben (MANNSCHAFT berichtete). Wie mit dem Bundesgesetzblatt vom 2. August 1971 verkündet wurde, lautete § 129 nun: «Als Verbrechen werden auch nachstehende Arten der Unzucht bestraft: Gleichgeschlechtliche Unzucht einer Person männlichen Geschlechtes, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, mit einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.»
Nach Angaben des Historikers Andreas Brunner wurden in Österreich von 1950 bis 1971 mehr als 13 000 Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung verurteilt.
An diesem Montag hat sich Justizministerin Alma Zadić im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Präsidenten des Landesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, und dem Historiker Andreas Brunner, der auch die Co-Leitung des Zentrums QWIEN innehat, im Grossen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien für die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen in der zweiten Republik entschuldigt.
Eine solche Entschuldigung war u.a. von Yannick Shetty (NEOS) gefordert worden. Er erklärte im MANNSCHAFT+-Interview: «In Österreich wurde nach der Nazi-Zeit vieles totgeschwiegen.»
«Ich möchte den heutigen Anlass im Grossen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien – ein Ort der wie kaum ein anderer für das Recht und die Justiz steht – nutzen, um mich als Justizministerin stellvertretend und in aller Form bei jenen homosexuellen Menschen und ihren Angehörigen zu ent-schuldigen, die in der zweiten Republik strafgerichtlich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden», so Justizministerin Alma Zadić
«Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, dass ihnen widerfahren ist ausdrücken. Diese Menschen wurden von den Institutionen, die sie eigentlich hätten schützen sollen, in ihrer Würde, in ihrem Menschsein verletzt. Für dieses geschehene Unrecht – aber auch für das lange Schweigen, das darauf folgte – möchte ich mich als Justizministerin heute in aller Form bei den Betroffenen entschuldigen», so Zadić in ihre Rede.
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien begrüsst die Bitte um Entschuldigung bei den Opfern der Homosexuellen-Strafverfolgung: „Das ist ein enorm wichtiges Signal für all jene, die menschenrechtswidrig kriminalisiert worden sind», sagt Ann-Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien. «Die Justizministerin übernimmt damit in historischer Weise Verantwortung für das Unrecht, das die Republik den Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transgender, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ-)Menschen angetan hat. Das haben wir viele Jahre gefordert, und dass das zum 50. Jahrestag der Entkriminalisierung von Homosexualität und zur 25. Regenbogenparade aufgegriffen wird, freut uns besonders.»
Die Strafverfolgung ging, obwohl Homosexualität an sich bereits 1971 entkriminalisiert worden ist, bis 2002 weiter, erklärt Otte: «Wenn ein 19-Jähriger eine Beziehung mit einem 17-Jährigen hatte, konnte er dafür mit bis zu 5 Jahren Gefängnis bestraft werden. Denn bis 2002 gab es noch Strafbestimmungen (§§ 209, 210, 220 und 221 StGB), die sonst legales Verhalten ausdrücklich nur im gleichgeschlechtlichen Kontext kriminalisiert haben.»
Jetzt müssen alle Fälle geprüft und Menschen für Haftzeiten entschädigt werden
«Das wurde schliesslich als menschenrechtswidrig aufgehoben. Aber bei weitem nicht alle Opfer hatten das Geld oder die Kraft, individuell dagegen zu berufen», sagt Otte. «Jetzt müssen daher alle Fälle geprüft werden und jene Menschen rehabilitiert und vor allem entschädigt werden, deren Verhalten heute auch nicht strafbar wäre. Einerseits braucht es Entschädigungen für die Haftzeiten, andererseits aber auch die beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsversicherungszeit, die entsprechend verzinste Rückzahlung verhängter Geldstrafen sowie die pauschale Abgeltung für allfällige Anwalts- und Gerichtskosten.»
«Darüber hinaus fordern wir auch eine Entschuldigung des Nationalrats, denn dieser war es, der dieses Unrecht erst verursacht hat. Hier ist vor allem die ÖVP in der Pflicht, die die Abschaffung dieser Strafbestimmungen besonders lange blockiert hat, weswegen sie zum Teil erst von Höchstgerichten aufgehoben werden mussten. Gerade von NR-Abgeordneten Nico Marchetti, der erst vorgestern, Samstag, über seine Rolle als schwuler Abgeordneter der ÖVP gesprochen hat, erwarten wir hier volle Unterstützung», so Otte abschliessend.
Die Entschuldigung durch die Justizministerin könne nur der Anstoss für eine weitere konsequente Aufarbeitung sein, erklärte Josef Lindner, Obmann der HOSI Salzburg. «Aber: Wir danken Bundesministerin Alma Zadić ausdrücklich für diesen mutigen Schritt.»
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