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In Österreich fiel vor 50 Jahren das Totalverbot von Homosexualität

… und was die Geschichte aus LGBTIQ-Perspektive sonst noch so hergibt

Wien
Ampelpärchen in Wien (Bild: Karstens Fotos / CC BY-SA 2.0)

Wir schreiben das Jahr 2021. Im Sommer ist es 50 Jahre her, dass das absolute Verbot von gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten in Österreich aufgehoben wurde. Im europaweiten Vergleich war Österreich damit eines der letzten Länder, das das Totalverbot abschaffte.

Zögerlich und zaghaft, das beschreibt wohl leider generell den österreichischen Weg zu gesetzlich verankerten Rechten von Homosexuellen. Von 1740 bis 1780 unter der Herrschaft Maria Theresias wurden Homosexuelle enthauptet und verbrannt. Von 1848 bis 1916 unter Kaiser Franz Josef wurden Homosexuelle wegen «Unzucht wider die Natur mit demselben Geschlecht» bis zu fünf Jahre in Kerker verbannt und das obwohl beispielsweise auch die Homosexualität von Erzherzog Ludwig Viktor, der Bruder von Franz Josef, als offenes Geheimnis galt. Im Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 wurden Homosexuelle unter anderem wegen ihrer fehlenden Eignung zur «Reproduktion der arischen Rasse» verfolgt und getötet. Alles Beispiele aus einer Reihe furchtbarer Gesetzeslagen und trauriger Diskriminierungen in der österreichischen Geschichte.

Auch nach dem Nationalsozialismus bis 1950 wurden um die 13.000 Homosexuellen nach Paragraph 129Ib verurteilt. Etwa 95 Prozent davon waren Männer. Nachdem Frauen zu dieser Zeit grundsätzlich keine eigenständige sexuelle Identität zugesprochen wurde standen sie auch im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Sexualkontakte sowie Beziehungen weitaus weniger im Fokus als Männer. Die Zuerkennung von Entschädigungen für Verfolgung, Diskriminierung und Unrecht begann erst in den 1990ern.

Einen wesentlichen Meilenstein markiert das eingangs bereits erwähnte Jahr 1971, in dem das Totalverbot gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte unter Bundeskanzler Bruno Kreisky von der Sozialdemokratischen Partei aufgehoben wurde. Wie mit dem Bundesgesetzblatt vom 2. August 1971 verkündet wurde, lautete § 129 nun: «Als Verbrechen werden auch nachstehende Arten der Unzucht bestraft: Gleichgeschlechtliche Unzucht einer Person männlichen Geschlechtes, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, mit einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.»


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Ein wichtiger Schritt, doch der österreichische Weg war danach nicht weniger zögerlich. Paragraph §220 sah etwa bis 1997 ein gesetzliches Verbot für öffentliches Gutheissen von Homosexualität vor und auch sonst zierten bis 2002 eine Reihe Sonderregelungen die österreichischen Gesetzestexte.

Ein paar Daten zur weiteren geschichtlichen Entwicklung in Österreich: 2004 setzte die EU mit einem Antidiskriminierungsgesetz, welches unter anderem Benachteiligung wegen sexueller Orientierung inkludiert, einen wichtigen Schritt für die österreichische Rechtslage. 2009 wurde die Eingetragene Partnerschaft gesetzlich verankert, 2016 das Adoptionsrecht für Homosexuelle auf nicht-leibliche Kinder ausgeweitet und 2019 die gleichgeschlechtliche Ehe im Gesetz festgeschrieben. Im Jahr 2020 gab es den ersten Geschlechtseintrag «inter» in Österreich (MANNSCHAFT berichtete).

Ganz abgesehen von Spekulationen und mehr oder weniger offenen Geheimnissen um die Sexualität von Politiker*innen, wie etwa des verstorbenen BZÖ-Gründers Jörg Haider, ist die Liste der offenen homosexuellen PolitikerInnen in Österreich im europäischen Vergleich bis heute kurz. Die meisten von ihnen, wie Ulrike Lunacek, Faika El-Nagashi (die Hassmails und Drohungen erhält – MANNSCHAFT berichtete) oder Peter Kraus, kommen aus der grünen Partei. Daneben bleiben zu erwähnen Mario Lindner (SPÖ) und Yannick Shetty (NEOS).


Geprägt wurde und wird die österreichische Geschichte vor allem durch die katholische Kirche beziehungsweise deren starke Verwobenheit mit der Politik. Schon bei der längst überfälligen Aufhebung des Totalverbots gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte im Jahr 1971 schrien katholische Bischöfe auf und warnten davor, dass Homosexualität dadurch propagiert und zur Mode werden könnte. Ein Aufschrei, der aus den Reihen der Kirche auch heute noch zu hören ist. Auch andere nationale und internationale Institutionen übernahmen definitiv keine Vorreiterrolle im Bestreben nach Akzeptanz und Gleichstellung. So führte etwa die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität noch bis 1992 offiziell als Krankheit. Ob in der Geschichte oder heute, die Errungenschaften sind grösstenteils der LGBTIQ-Szene selbst zu verdanken (u.a. soll in Wien ein eigenes Queer Museum entstehen – MANNSCHAFT+). Mutigen Menschen, die ihre Stimme nutzen und Veränderungen initiieren.


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