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Viva la Vulva: Für bessere Aufklärung und ein Vagina-Museum

Für eine «lustvolle und empowernd-aufklärende Darstellung» weiblicher Sexualität

Vulva
Foto: Maria Talks/Unsplash

Es war einmal ein Vagina Museum – das immer wieder ein neues Zuhause suchen musste. Beobachterinnen halten das für sinnbildlich für Sexualität und Feminismus in der Welt der Museen. Dabei mangelt es nicht an Bedarf.

Von Larissa Schwedes, dpa

Wie unterschiedlich können Vulvalippen aussehen? Wieso lehnte man im frühen Europa Essen ab, das von menstruierenden Frauen gekocht wurde? Und weshalb kann eigentlich jedes Kind einen Penis malen, aber nicht jeder Erwachsene eine Vulva? In London wollen die Gründerinnen des Vagina Museums – zeitweise das einzige Museum seiner Art weltweit – die weibliche Anatomie, Sexualität und Geschichte sichtbarer machen und darüber aufklären. Doch das stellt sich als schwieriger heraus als erwartet.

Ein Penis-Museum in Island gibt es schon seit Jahrzehnten. In einer unscheinbaren Seitengasse im Ost-Londoner Stadtteil Bethnal Green fand schliesslich das nach eigenen Angaben weltweit erste Vagina-Museum bis vor kurzem sein Zuhause. In der Mitte ein überdimensionaler, mit rotglitzernden Pailletten besetzter Tampon – quasi Menstruation als Kunstobjekt, kreiert von der britischen Künstlerin Sam Dawood. Rundherum widmete sich die Ausstellung etwa obskuren Mythen der weiblichen Sexualität.



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Auch eine Umfrage war dort Thema, wonach mehr als die Hälfte der britischen Bevölkerung auf einer Abbildung der Vulva nicht korrekt den Vaginaeingang benennen könnte. Viele Menschen denken, «Vagina» sei die Bezeichnung für die Gesamtheit der äusseren weiblichen Geschlechtsorgane. Dazu sagt man aber «Vulva». Die Vagina hingegen ist ein inneres Geschlechtsorgan.

Mit der Ausstellung ist aber nun erst einmal Schluss: Wegen prekärer Mietverhältnisse mussten die Verantwortlichen Anfang Februar die Räumlichkeiten verlassen. An Interesse mangelte es nicht: An den letzten beiden Tagen platzte das Museum aus allen Nähten, Zeitslots mussten vergeben werden, um allen gerecht zu werden.


Die deutsche Historikerin Anina Falasca hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Wissenschaftlerin hat am Hygiene-Museum in Dresden daran mitgearbeitet, die Sexualitäten-Dauerausstellung zu reformieren – ihren Angaben nach ist das zugehörige Bildungsprogramm mit mehr als 300 Buchungen im Jahr das beliebteste des ganzen Hauses. Dennoch weiss sie, dass man es mit dem Thema nicht immer einfach hat.

Lustvolle und empowernd-aufklärende Darstellungen von Sexualität sind nach wie vor unterrepräsentiert.

Man könne den Fall «sinnbildlich» betrachten, meint die Historikerin nach dem vorläufigen Aus des Vagina Museums in London. «Lustvolle und empowernd-aufklärende Darstellungen von Sexualität sind nach wie vor unterrepräsentiert und werden etwa als ‹frühsexualisierend›, überfordernd für junge Menschen oder obszön bezeichnet», sagt Falasca im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Oft müssten sie ein Nischendasein in befristeten Projekten oder Sonderausstellungen fristen. Sexistische Darstellungen seien hingegen gängig.

Vulvalippen vs Schamlippen
Die Journalistinnen Gunda Windmüller und Mithu Sanyal kämpfen dafür, dass das Wort Vulvalippen eines Tages im Duden steht – als geeignetere Variante für Schamlippen. «Warum nutzen wir das Wort Scham, wenn wir unser Geschlechtsteil beschreiben?», fragten sich die beiden vor einigen Jahren – angetrieben von der Beobachtung, dass viele junge Frauen sich kaum mit der eigenen Anatomie auskennen oder sich schämten. Sie starteten eine Petition, die mittlerweile mehr als 43’000 Unterzeichner*innen gefunden hat. In immer mehr Medienberichten und sogar einem Schulbuchverlag komme das Wort nun vor. Auch im Duden werde es eines Tages stehen, meint Windmüller im Gespräch mit dpa. «Da bin ich fest von überzeugt.»


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In Dresden ist die Sexualität mittlerweile immerhin fest im Museum etabliert: Dort wird ebenfalls nicht nur Anatomie ausgestellt, sondern möglichst viel sexuelle Vielfalt und Diversität vermittelt. Historikerin Falasca, die an dem Konzept mitgewirkt hat, hält Museen für den perfekten Aufklärungsort. Sie genössen allgemeinhin ein hohes Vertrauen und würden gesellschaftlich geachtet. Ausserdem seien sie leicht zugänglich und jeder könne sich – anders als etwa im klassischen Schulunterricht – den Aspekten widmen, die sie oder ihn am meisten interessieren.

Das Team in London will die Hoffnung nicht aufgeben. «In Bethnal Green haben wir gezeigt, wie sehr die Welt ein Vagina-Museum braucht und will», heisst es auf der Internetseite. Man sei stolz, mehr als 40’000 Besucher*innen begrüsst zu haben.

Nun will das Museum seine Mission – Wissen zu vermitteln, Stigmata zu bekämpfen und ein Ort des Austauschs zu sein – so gut es geht online erfüllen. Einst als Online-Ausstellung begonnen, sind die Grundsteine dafür bereits gelegt. Gleichzeitig sucht man ein neues Zuhause: mindestens 1500 Quadratmeter, gut angebunden, nicht mehr als 5000 Pfund – «weil wir gemeinnützig sind, so bezahlbar wie möglich».

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