in

Trotz Bekenntnis zu LGBT: BDP stimmt für CVP-Initiative

Am 10. Dezember stellten sich sieben von neun BDP-Nationalräte hinter die CVP-Initiative und somit hinter eine heterosexuelle Ehedefinition. Verwirrend, weibelte die BDP im Juni 2014 doch um die Gunst der homosexuellen Wähler.

Dieser Artikel erschien in der Januar/Februar-Ausgabe von Mannschaft Magazin.

(gzy) Nicht wenige haben sich wohl verwundert die Augen gerieben, als am 11. Dezember die Abstimmungsresultate der BDP-Fraktion im Nationalrat veröffentlicht wurden. Sieben von neun BDP-Nationalräten sprachen sich für die CVP-Initiative «Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe» aus, welche die Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Bundesverfassung verankern will. Nur die Nationalräte Rosmarie Quadranti und Heinz Siegenthaler befürworteten den direkten Gegenvorschlag, der sowohl die fragliche Ehedefinition, als auch die Gemeinschaftsbesteuerung ausliess.
Der direkte Gegenvorschlag wurde schlussendlich vom Nationalrat dank einer Mehrheit der SP, der Grünen, der FDP und der GLP mit 102 zu 86 Stimmen gutgeheissen.

LGBT-Ranking lobt die BDP
Trotz dem erfreulichen Ergebnis im Nationalrat lohnt sich eine genaue Analyse der Parteiposition der BDP, gerade weil sie ein besonders LGBT-freundliches Image pflegt. Diese Reputation bestätigt ein Ranking von Pink Cross, das wenige Tage vor der Abstimmung im Nationalrat veröffentlicht wurde. Darin landet die BDP zusammen mit den Grünen auf Platz zwei in punkto LGBT-Engagement, dicht hinter der SP und der GLP. Die Öffnung der Ehe, ein Antidiskriminierungs-gesetz für Homosexuelle, Zugang zur Fortpflanzungsmedizin sowie die Stiefkind- und Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare gehören gemäss dem Ranking zu den politischen Anliegen der BDP. Sogar die FDP, die im Nationalrat geschlossen gegen die CVP-Initiative gestimmt hat, schneidet im Ranking schlechter ab als die CVP und landet auf dem zweitletzten Platz vor der SVP.
«Die BDP sticht als bürgerliche Partei dahingehend heraus, als dass sie ein hohes Bewusstsein für die LGBT-Thematik hat und ihren Wirkungskreis mit hoher Sachlichkeit für LGBT-Anliegen sensibilisiert», schreibt Pink Cross in ihrem Fazit.
Auch im Juni 2014, als sich Politiker wie auch die Öffentlichkeit über die diskriminierenden Aussagen des SVP-Urgesteins Toni Bortoluzzi empörten, sprang die BDP auf den fahrenden Zug. Mit dem Slogan «Toleranz ist bei uns nicht Programm, sondern eine Selbstverständlichkeit. Das liegt so in unserem Hirnlappen» outete sich die BDP als Alliierte der Homosexuellen im Kampf gegen Diskriminierung und Homophobie. Gegenüber Mannschaft Magazin bestätigte Pressesprecherin Nina Zosso im Juni, dass «die junge BDP sich an vorderster Front» für die Gleichstellung einsetze.


Finanzpolitik hat erste Priorität
Wie das Votum der BDP-Bundesrätin und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf im Nationalrat vermuten lässt, gibt die BDP finanzpolitischen Anliegen gegenüber schwullesbischen Interessen den Vorzug. Die Tatsache, dass der Gegenvorschlag die Individualbesteuerung von Ehepaaren offen lässt, ist das entscheidende Kriterium für die BDP.
«Dies wird dazu führen, dass die Diskussion zwischen Splitting und Individualbesteuerung weitergehen wird. Sie dauert jetzt schon bald zwanzig Jahre», sagt Martin Landolt, BDP-Nationalrat, auf Anfrage von Mannschaft Magazin. Der Gegenvorschlag würde eine Diskussion verursachen, welche die Abschaffung der Heiratsstrafe weiter verzögern würde. «Wir hatten also die Wahl zwischen einem Gegenvorschlag, der den Ehebegriff zwar in unserem Sinn definiert, aber nicht zur Abschaffung der Heiratsstrafe führt, und einer Volksinitiative, die trotz des kosmetischen Mangels ihrer Ehedefinition zur Abschaffung der Heiratsstrafe für alle führen wird.» Von einer zügigen Abschaffung der Heiratsstrafe würden schlussendlich auch eingetragene Paare steuerlich profitieren können, fügt er hinzu.
[quote align=’left‘]«Ich hoffe, die BDP korrigiert ihre Haltung und bietet anschliessend Hand dafür, die Ehe unkompliziert auf gesetzlicher Ebene auch für homosexuelle Paare zu öffnen.»[/quote]Die heterosexuelle Ehedefinition der CVP-Initiative, nichts weiter als ein «kosmetischer Mangel»? «Wir gehen in keiner Art und Weise davon aus, dass die CVP-Definition der Ehe zu einem Erschwernis für andere Bereiche werden wird», so Landolt. «Und unsere Einschätzung kann nicht so falsch sein, sonst würde sie nicht vom Bundesrat geteilt.»
Der Bundesrat empfahl die CVP-Initiative im November 2013 zur Annahme. Falsch wäre es aber, die Ehedefinition der CVP deswegen zu unterschätzen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD machte in einem Schreiben den Bundesrat darauf aufmerksam, dass die Annahme der Initiative «eine wichtige gesellschaftspolitische Frage en passant mitentscheiden» würde (Mannschaft berichtete). Bis heute ist die Ehe in der Bundesverfassung nämlich nicht wortwörtlich definiert. Somit wäre es möglich, die Ehe rasch und unkompliziert auf gesetzlicher Ebene zu öffnen. Mit einer expliziten Definition in der Verfassung, wie sie die CVP-Initiative fordert, wäre dies nicht mehr möglich.

BDP auch weiterhin eine vertretbare Partei für Homosexuelle

Denis Kläfiger ist Co-Präsident der BDP Kanton Luzern und offen schwul. In den Tagen nach der Abstimmung im Nationalrat spürte er, dass sich in seinem Bekanntenkreis Verwirrung breit machte. «Viele Schwule und Lesben fragten mich, wo die BDP nun genau stehe», sagt er gegenüber der Mannschaft.
Denis kann die Haltung seiner Partei verstehen, hätte aber für den Gegenvorschlag gestimmt, wäre er im Nationalrat. Den Parteientscheid nimmt er der BDP nicht übel: «Sie hat ihre Position sachlich begründet und das respektiere ich. Toleranz und Respekt sind für die BDP nicht einfach Floskeln im Parteiprogramm, sondern gelebte Selbstverständlichkeiten.»
Für Denis ist die BDP auch für Schwule und Lesben eine vertretbare Partei: «Die BDP vertritt in ihren politischen Positionen die Haltung, dass der Gesetzgeber einzelne Familienmodelle, Lebensformen oder auch sexuelle Orientierungen weder bevorzugen noch benachteiligen soll.»

Kein Verständnis für die BDP
Pink Cross sieht beim positiven Ranking der BDP momentan keinen Handlungsbedarf, obwohl das Abstimmungsverhalten der BDP nicht der versprochenen Haltung des Parteipräsidenten entspreche. «Wir hoffen, dass sich dieser Wandel in Zukunft noch einstellen wird, ansonsten werden wir unser Ranking mit Sicherheit nochmals anpassen», sagt Geschäftsführer Bastian Baumann auf Anfrage von Mannschaft Magazin. So oder so werde Pink Cross 2015 die einzelnen Parteien auf ihre Versprechen gegenüber LGBT-Anliegen aufmerksam machen.
Kein Verständnis für die Aussagen der BDP hat Alan David Sangines, Zürcher SP-Gemeinderat und LGBT-Aktivist. Die «sachliche» Begründung sei nichts als Schönrederei, zumal auch der Gegenvorschlag die Abschaffung der Heiratsstrafe ermögliche. «Unsere Bundesverfassung mit einer ultrakonservativen Ehedefinition zu verschandeln ist kein kosmetischer Mangel, sondern pure Homophobie, wie sie nur noch in ultrakonservativen Staaten existiert», sagt Alan gegenüber der Mannschaft. «Ich hoffe, die BDP korrigiert ihre Haltung in der Volksabstimmung und bietet anschliessend Hand dafür, die Ehe unkompliziert auf gesetzlicher Ebene auch für homosexuelle Paare zu öffnen.»


Neues Magazin: Uganda goes «Bombastic»

Prinz William hält sich aus Rehabilitierungs-Aktion raus