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Sind beim Kitkat-Fetisch­club in Berlin Rechts­extreme Tür­steher?

Der Partylocation wird vorgeworfen, die «rechteste Tür der Stadt» zu haben

Kitkat
Symbolfoto: Aleksandr Popov / Unsplash

Der sexpositive KitKat Club in Berlin – ein Urgestein der deutschen Hauptstadtclubszene und berühmt für seine oftmals queeren Kinky-Partys – ist in die Schlagzeilen gekommen. So titelte die taz diese Woche: «Die rechteste Tür der Stadt» und berichtet von Verbindungen der Security zur rechten Szene.

Von The Clubmap wird das KitKat so beschrieben: «Toleranz ist ein Muss, um in den KitKat Club zu gehen, und die Türsteher wählen schon gut aus, wer einfach nur ein Spanner ist.»

Gerade bei einer Partylocation, bei der Toleranz und Queerness derart wichtig sind für den Wohlfühlfaktor der Besucher*innen, liess der kurz vor Weihnachten veröffentliche Bericht der antifaschistischen Rechercheplattform Exif-Recherche aufhorchen, in dem geschildert wird, dass mindestens drei der KitKat-Türsteher aus dem Berliner Netzwerk des Kampfsportevents «Kampf der Nibelungen» (KdN) stammen sollen – eine «Szene aus Hooligans, Kampfsportlern, Rockern und Kriminellen», wie die taz zusammenfasst und ergänzt, KdN sei Europas grösster neonazistische Kampfsportveranstaltung.

Im Artikel von Exif wird Maik P. ausführlicher beschrieben, der in der Hooliganszene des BFC Dynamo aktiv sein soll, die zum Fussball-Viertligisten gehört und schon seit Ost-, besonders aber der Nachwendezeit zu den schlagkräftigsten des Landes zähle – und keinen Hehl aus ihrer rechten Gesinnung mache, wie es heisst.


«KKC-Korps»
P. soll demnach ein Kampfsporttraining in einem Gym leiten, das seine Räume im Erdgeschoss eines Clubhauses der Hells Angels in Biesdorf habe. Dort trainiere er mit «Kernpersonen» des KdN. Auf einem von Exif zitierten Foto soll P. zusammen mit Mark F. zu sehen sein, beide in T-Shirts mit dem Aufdruck «KKC-Korps», KKC steht für KitKat Club.

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Der KitKat Club in der Berliner Köpenicker Strasse Anfang der 2000er Jahre (Foto: Milouz1976 / CC BY-SA 3.0 Deed)

Auch F. wird als Teil des rechten Hooligan- und Rockermilieus beschrieben, der zusammen mit P. und Mitgliedern des KdN-Teams im Biesdorfer Studio trainiere und entsprechende freundschaftliche Verbindungen pflege. Als weiterer Türsteher des KitKat wird der Kampfsportler Robert M. benannt. Auch er soll Kontakte in diese Kreise pflegen. Als Beleg wird ein Bild erwähnt, das M. in einer Jogginghose der bei Neonazis beliebten Modemarke «Thor Steinar» zeigt.

Über diese Zusammenhänge berichtete diese Woche auch die Berliner Morgenpost in einem Artikel über den KitKat Club mit der Überschrift «Bestimmen Rechtsextreme, wer in den Laden darf?».


KitKat-Betreiberin Kirsten Krüger reagiert
Um hier Klarheit zu schaffen – auch weil es in der Vergangenheit mehrere Beschwerden gab wegen angeblicher rassistischer, sexistischer und queerfeindlicher Übergriffe, die «nicht zu einem offenen, bunten und toleranten Feierleben passen», wie Maximilian B. von der Initiative Geradedenken von der taz zitiert wird – hat die taz bei der KitKat-Betreiberin Kirsten Krüger nachgefragt, wie sie die Vorwürfe einordnet.


Die RBB-Doku-Reihe «F*ck Berlin» beleuchtet die sexpositive Szene der deutschen Hauptstadt


Aus ihrer Antwort geht hervor, dass Mark F. als Security-Unternehmer für sie arbeitet und selbst Mitarbeiter*innen beschäftigt. Über F. könne sie sagen, dass er «bis vor knapp 20 Jahren in der Hooliganszene Berlins aktiv» gewesen sei, zu seinen heutigen «Umtrieben» sagt Krüger nichts.

Zu Robert M. teilt Krüger mit, dass er in seinem Gym «nicht nur Boxen, sondern auch Selbstverteidigung für Menschen verschiedener sexueller Orientierung» anbiete. Im KitKat habe er nur aushilfsweise gearbeitet. Krüger weiter: «Soweit ich das weiss und beurteilen kann, gab es weder bei Herrn F. noch Herrn M. je politische Ambitionen.»

Maik P. kenne sie persönlich nicht, sagt Krüger der taz, dieser sei lediglich «4- bis 5-mal kurzfristig eingesprungen». Krüger erklärt, P.s private Verbindungen seien ihr «nicht bekannt». Sie betont, ihre Mitarbeiter*innen hätten verschiedene Hintergründe: «Ganz grundsätzlich haben wir kein Interesse an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit extremen Positionen. Das widerspricht unserer Philosophie.»

Allerdings weist die taz an dieser Stelle darauf hin: Konsequenzen für die Türpolitik des KitKat Clubs habe Krüger nach den aktuellen Enthüllungen nicht angekündigt.

«Vorwürfe aussitzen»
Maximilian B. von Geradedenken sagt: «Für einen international bekannten Kinky-Club ist es erschreckend, wie wenig sie sich um die Themen Übergriffigkeit und rechtes Gedankengut kümmern.»

Von der taz wird eine anonyme Insiderin zitiert, die behauptet, es handele sich beim KitKat Club um «eine der anstrengendsten Türsituationen» der Stadt. Auffällig sei insbesondere sexistisches und queerfeindliches Verhalten der Türsteher. Diese agierten «täterschützend» und «zweifeln Schilderungen von betroffenen Personen stark an», so die zitierte Insiderin. «Viele queere BiPoc-Personen (schwarze und indigene Menschen, Anm.) fühlen sich an dem Ort nicht mehr sicher und würden das KitKat meiden», fasst die taz zusammen. Der Betreiberin Krüger bescheinigt die Anonyma, sie würde «Vorwürfe aussitzen, statt sich damit auseinanderzusetzen». Auch würde sie «völlig hinter den Türstehern stehen».

In diesem Zusammenhang wird auf den Clubbesuch des Rammstein-Sängers Till Lindemann im vergangenen Juli hingewiesen. «Wie es hiess, sei dieser nach einer Umarmung mit einem Türsteher ohne Taschenkontrolle in den Club gelangt», so die taz.

Rammstein
Till Lindemann, Frontsänger von Rammstein (Foto: Malte Krudewig/dpa)

Gegen den als Unterstützer der LGBTIQ-Szene geltenden Lindemann (MANNSCHAFT berichtete) waren im Mai 2023 von Frauen Vorwürfe erhoben worden, der Bandleader habe sie ohne ihre Zustimmung zu sexuellen Handlungen genötigt. In sozialen Netzwerken kursierte die Behauptung, bei Rammstein-Konzerten seien junge Frauen unter Alkohol, Drogen oder K.o.-Tropfen gesetzt und missbraucht worden. Mehrere prominente Mainstreammedien berichteten. Das Kollektiv Geradedenken konstatiert: «Indem Till Lindemann trotz der aktuellen Vorwürfe im KitKat feiern konnte, hat der Club gezeigt, dass dort Betroffenen sexualisierter Gewalt kein Glauben geschenkt wird.»

Lindemanns Anwalt sprach in dem Zusammenhang von einer «unzulässigen Verdachtsberichterstattung», gegen die man juristisch vorgehen werde. Die Ermittlungsverfahren gegen Lindemann wurden schliesslich eingestellt.

«Ort des sicheren Auslebens von Fetischen»
Ein Künstler berichtet dem Online-Magazin Resident Advisor, bei einer Party des Kollektivs Gegen im KitKat Club «begrapscht» worden zu sein. Den Türstehern wollte er den Vorfall nicht melden: «Wenn Leute versuchen, ihnen etwas zu melden, werden sie oft rausgeschmissen», so die Erklärung. Der namentlich nicht genannte Künstler beschreibt ein solches «übergriffiges Verhalten» als «Teil der KitKat-Kultur» und wird entsprechend von der taz zitiert.

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Innenansicht des KitKat Clubs (Foto: hardcopy.press.de / visitberlin.de)

Nun ist die Aufregung in der Berliner Kinky- und LGBTIQ-Szene gross, denn wie fortan umgehen mit der Situation? Muss man den Club – als «Ort des Hedonismus, des ausgelebten Fetischismus und der Vielfalt» – neu bewerten? Taugt er noch als «Safe Space für Menschen mit unterschiedlichen Sexualitäten und Geschlechtern», fragt die Morgenpost.

Exif schreibt in seinem Artikel zum «Netzwerk des Kampf der Nibelungen in Berlin»: «Dass die Betreiber*innen des weltweit bekannten KitKat Club in Berlin-Mitte nicht wissen, wer seit Jahren ihre Räume und ihr Publikum absichert, ist … schwer zu glauben. In Shirts mit dem Aufdruck ‹KKC-Korps› wird man dort u.a. von Robert (M.) …, von Maik (P.) und von Mark (F.) begrüsst und befragt, wenn man an den exklusiven Partys teilnehmen möchte. Der KitKat Club ist schliesslich nicht irgendein Club, sondern versteht sich als sexpositiv und kinky und hat den Anspruch für Fetische und unterschiedliche Sexualitäten offen zu sein. Das sogenannte ‹Selecting›, d.h. die gezielte Auswahl erwünschten und unerwünschten Publikums, in die Hände von Personen wie (P.) oder (F.) zu geben, ist unverantwortlich. Den Club selbst als Ort des sicheren Auslebens von Fetischen und Ähnlichem zu verstehen, ist hinsichtlich der Türsteher mehr als fragwürdig.»

Als Türsteher*in besetzt man eine machtvolle Position

«Als Türsteher*in besetzt man automatisch eine machtvolle Position: man kann entscheiden, wer in den Club darf oder wer rausfliegt», so Exif. «Türsteher*innen wird das Hausrecht übertragen, eine Kontrolle darüber, wie das Hausrecht umgesetzt wird, findet nur selten statt. Viele Clubs rühmen sich … lieber mit muskulösen, schlagfertigen Männern an ihrer Tür, die im Zweifel Menschenleben gefährden, als sich für eine diverse Security einzusetzen.»

Da der KitKat Club nunmehr grosse mediale Aufmerksamkeit auf sich und seine Türsteher gezogen hat – auch bei der politisch betont linken queeren Hauptstadtpresse – darf damit gerechnet werden, dass die Geschichte weiter recherchiert und es zu den verschiedenen Fragen mehr Antworten geben wird, als die, die KitKat-Betreiberin Kirsten Krüger bislang gegeben hat.

Was für Beziehungsprobleme entstehen, wenn ein*e Partner*in einen Fetisch hat und der*die andere nicht – und wie damit umgehen? (MANNSCHAFT berichtete.)

 


Stéphane Séjourné

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