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Rückblick 2022: A wie Affenpocken, B wie Bisexualität, C wie …

Es gab viel Schönes und leider auch viel zu viel Schreckliches

Oleh Psjuk
Oleh Psjuk aus der Ukraine gewann mit dem Kalush Orchestra den ESC 2022 (Bild: Jens Büttner, dpa)

Was bewegte uns 2022, was beschäftigt uns auch 2023 weiter? Ein ABC – natürlich mit Anglerhut, über Hassgewalt und einem nicht-binären Überraschungserfolg und  Zukunft Pink.

2022 war das Jahr von Affenpocken und Zeitenwende (sprich: Mpox und Russlands Angriffskrieg), höchst umstrittenen Klimaprotesten, mutigen Demos im Iran, Queen-Tod und Sisi-Hype. Das Jahr holte Bisexualität in den Mainstream (mit der Netflix-Serie «Heartstopper»), dann war da die Twitter-Aufregung um Elon Musk, das Abdriften von Kanye West, die Ohrfeige bei den Oscars, den Welthit «Unholy» für die deutsche Sängerin Kim Petras an der Seite von Sam Smith, den Netflix-Serienhit «Wednesday» von Tim Burton mit Jenna Ortega sowie das endgültige Aus von studiVZ.

Es gab die Dauerdebatte um den angeblichen Publikumsschwund in Kinos und Theatern, wieder mal Kontroversen ums Kaufhaussterben und einen Wohnmobil-Hype. Es war das Jahr des frühen Todes von Ex-Kinderstar Aaron Carter, des Depressionen-Bestsellers «Du darfst nicht alles glauben, was du denkst» von Kurt Krömer und einem Überraschungserfolg für Kim de l’Horizon.

Welche Themen das Jahr 2022 sonst noch so beherrscht haben und dies wohl auch 2023 weiter tun.


#A wie Anglerhut:
Über den Anglerhut eines als «Hutbürger» bekannt gewordenen Pegida-Demonstranten in Dresden («Sie haben mich ins Gesicht gefilmt») wurde 2018 noch gelacht. Inzwischen sind Fischerhüte, auch Bucket Hat (Eimer-Hut) genannt, sehr trendy. Eurovision-Song-Contest-Sieger Oleh Psjuk aus der Ukraine trägt auch einen. Modevorhersage: Bleiben auch 2023 noch bisschen angesagt.

#B wie Bush, Kate:
Die Netflix-Serie «Stranger Things» benutzt das Lied «Running Up That Hill» und bringt den Song von Kate Bush nach 37 Jahren an die Spitze der britischen Charts. Das Lied von 1985 wird weltweit Kult. Der Trend, dass alte Songs zu Hits werden dank Serien, Filmen oder Benutzung in Social Media bleibt auch 2023 ein Phänomen.

#C wie Coming-out
Auch 2022 outeten sich wieder viele Queers. Besonders oft vertreten: der Spitzen-Sport. Zu unserer Übersicht!


#D wie Duschen:
Energiespar-Badetipps von deutschen Grünen wie Winfried Kretschmann («Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung») oder Robert Habeck (kürzer duschen!) nerven manche. FDP-Mann Wolfgang Kubicki (FDP) duscht nach eigenen Worten «überwiegend kalt», lässt Habeck via Bild aber auch wissen: «Ich dusche so lange, bis ich fertig bin.»

#E wie Ehrlich
Nach einem Jahr kreativer Pause haben sich die Macher des Podcasts «schwanz & ehrlich» zurückgemeldet. Sie wollen «schwulen Sex, queere Liebe und die LGBTIQ-Community wieder in das Auge der Öffentlichkeit rücken».

#F wie Fussballmüdigkeit:
Selten ist der Profi-Fussball mit der Fifa und ihrer sogenannten Wüsten-WM in Katar so umstritten wie 2022. Der Schaden könnte noch lange bleiben.

#G wie Gender pronouns:
In sozialen Medien oder auch E-Mail-Signaturen ist es Trend, Personalpronomen anzugeben. Die Bewegung stammt aus den USA. Gender bezeichnet das soziale Geschlecht – im Unterschied zum biologischen Geschlecht. Wenn etwa Influencerinnen hinter ihren Namen in Klammern «she/her» angeben (oder «sie/ihr» und Ähnliches), zeigen sie Solidarität mit Transgender und nicht-binären Menschen, die sich nicht für Pronomen wie «they/them» gross erklären sollen müssen. Prognose: Dürfte als Zeichen des Respekts angesagt bleiben.

Genderstern
(Bild: Sebastian Gollnow/dpa)

#H wie Hassgewalt
Das Jahr 2022 zeigte deutlich, wie kaum eines zuvor: Hass tötet. Es gab dafür viele traurige Beispiele: Münster, Oslo, Bratislava und Colorado Springs: Hier wurden im November fünf Menschen getötet, viele weitere wurden verletzt (MANNSCHAFT berichtete).

#J wie Jugendwort «smash»:
Jung tun geht immer mit dem Jugendwort, zu dem 2022 «Smash» gekürt wird, das für ein Objekt der Begierde oder auch ein Stelldichein stehen kann. Als Verb «smashen» bedeutet es so viel wie «jemanden abschleppen» oder auch «mit jemandem Sex haben».

#K wie Kulturelle Aneignung:
Unter kultureller Aneignung wird die Übernahme von Ausdrucksformen aus einer anderen Kultur, meist der einer Minderheit, verstanden. Und rasch stehen sich bei sowas Kontrahenten unversöhnlich gegenüber, beschimpfen einander als Rassisten. Das passiert mit Dreadlocks (MANNSCHAFT berichtete), im Sommer mit «Winnetou» und wird wohl auch 2023 wieder passieren.

#L wie Layla:
Heiss diskutiert, öfter (vergeblich) auf Volksfesten verboten, aber auch viel gespielt, dominiert der auch zum offiziellen «Hit des Jahres» gekürte Partyschlager «Layla» von DJ Robin und Schürze die Mallorca-Szene, viele Partys und bringt auch den ZDF-Fernsehgarten in Schwung. Selten war die Aufregung um ein Lied so gross wie bei diesem am Ballermann gross gewordenen Sommerhit. Mallorca-Schlager werden wohl auch 2023 massentauglich sein.

DJ Robin & Schürze
Das Publikum feiert den Auftritt des Schlager-Duos DJ Robin & Schürze mit dem umstrittenen Song «Layla» im «ZDF-Fernsehgarten». (Bild: Hannes P. Albert / dpa)

#M wie Modesünden en vogue:
Jogginghose auf der Strasse zu tragen ist ebenso wie Shorts im Sommer für Millionen Menschen kein Tabu mehr. Birkenstocks und Schlappen (Slides) sind ebenso okay. Corona hat das Fashion- und Gemütlichkeitsverständnis ziemlich umgekrempelt. Gleichzeitig inszenieren sich manche in sozialen Medien als besonders chic angezogen und abgehoben – unter dem Hashtag #oldmoney.

#N wie Nicht-binär
In Film und Fernsehen haben nicht-binäre Figuren noch einen Seltenheitswert (MANNSCHAFT+). Ein Buch mit nicht-binärer Erzählfigur sorgte 2022 nun für Furore: «Blutbuch» von Kim de l’Horizon aus der Schweiz.

#O wie Oben ohne:
«Oben-ohne-Baden für alle» in Schwimmbädern war im Sommer ein Riesenthema, aber dann doch nur ein kleines Phänomen. Nur wenige Frauen liessen das Bikini-Oberteil tatsächlich daheim. Fazit: Nackte Tatsachen gehen in der Theorie immer, in der Praxis naja.

Frauen demonstrieren bei einer Demonstration in Berlin (Foto: dpa)
Frauen demonstrieren bei einer Demonstration in Berlin (Foto: dpa)

#P wie Perlenkette und Herrenhandtasche:
Von den Elevatorboys bis Harry Styles und Teens und Twens auf den Strassen: Geschlechterrollen verschwimmen. Viele Jungs tragen nun eine murse (von male purse), also Herrenhandtasche. Und auch Perlenketten glitzern an männlichen Hälsen. Why not? Kommt 2023 auch in hinteren Winkeln der Republik an.

Elevator Boys
Berlin: Die Mitglieder der Elevator Boys kommen zur Show der About You Fashion Week ins Kraftwerk. (Bild: Gerald Matzka / dpa)

#Q wie Quiet Quitting:
Auch working your wage genannt (dem Lohn entsprechend arbeiten). Es geht vor allem jüngeren Leuten darum, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen und sich von der Idee zu verabschieden, im Job ständig alle Anforderungen überzuerfüllen.

#R wie Religion:
Nach Jahrhunderten geschieht 2022 ein Kulturumbruch auf deutschem Boden: Nur noch eine Minderheit der Bevölkerung ist kirchlich gebunden. Vor drei Jahrzehnten waren noch etwa drei Viertel der deutschen Bevölkerung in einer der grossen Kirchen Mitglied. Nun sind es unter 50 Prozent. Tendenz stark fallend. Fazit: Kirchen adieu, doch an etwas zu glauben scheint nach wie vor angesagt.

#S wie Sommergetränk:
Der Aperitif «Wildberry Lillet» erobert die Charts mit dem gleichnamigen Lied der Sängerin Nina Chuba und ist wohl auch das Trendgetränk 2022. Er wird wohl auch 2023 cool bleiben.

#T wie Trans Awareness
In Wien wurde im November ein weiterer Trans-Zebrastreifen eingeweiht. Denn nach wie vor werden trans Personen mit massiven Benachteiligungen und Ausgrenzung in Berufs- und Alltagsleben konfrontiert. Dem will sich der Wiener Bezirk Neubau entgegenstellen.

#U wie Ukraine:
Viele waren zu naiv, um einen Angriffskrieg wie den von Russland und Wladmir Putin gegen die Ukraine für möglich zu halten. Der 24. Februar geht als Schreckensdatum in die Geschichte ein. «Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht» (Annalena Baerbock). Widerstandsikone wird Wolodymyr Selenskyj, der nach eigenen Angaben im ZDF «circa 20» der grünen T-Shirts hat, in denen er auftritt.

#V wie Voyage:
Abba geben in London unter diesem Titel wieder Konzerte als Avatare, pardon Abbatare (MANNSCHAFT berichtete). Fans und Technik-Freaks sind begeistert und buchen Tickets auch 2023 in der eigens errichteten Konzerthalle.

#W wie Wordle:
Das Spiel von Software-Entwickler Josh Wardle kommt schon im Oktober 2021 als Web-Anwendung auf, erobert Anfang 2022 das Netz im Sturm. Viele Varianten, auch deutsche Versionen gibt es. Der Hype ist schon wieder ein bisschen vorbei. What’s next?

Wordle
Eine Person spielt mit der App eines Online-Buchstabenrätsels. (Bild: Fernando Gutierrez-Juarez / dpa)

#X wie Xatar:
Zu den aufsehenerregenden Filmen des Jahres gehört «Rheingold» von Fatih Akin über Rap-Star Xatar – Hauptdarsteller ist Emilio Sakraya, den es 2023 und darüber hinaus zu beobachten gilt.

#Y wie Yuzu:
Asiatische und vor allem auch japanische Küche mit Trendfood wie Sushi, Ramen und Katsu bleibt angesagt. In vielen Supermärkten taucht 2022 die sogenannte japanische Zitrone auf. Die Yuzu-Frucht gilt als Mischung aus Zitrone und Mandarine.

#Z wie Zukunft Pink:
Nach 14 Jahren meldet sich Seeed-Sänger Peter Fox mit neuem Soloprojekt zurück. In düsterer Zeit wird es ein positiver Hit: «Alle malen schwarz/Ich seh‘ die Zukunft pink/Alles wird gut mein Kind.» Oder: «Power to the people/Frauen rulen die Welt.» Sowie: «Schwarz, weiss, straight, gay/Liebe für alle – und für mich selbst» (MANNSCHAFT berichtete).


queer

Aufbruch? Auf den Queer-Beauftragten verweisen reicht nicht!

Tarik Tesfu

«A Glamorous Takeover» – Queere Kultur erobert den Mainstream