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«Viele Queers blenden aus, dass Diskriminierung immer noch existiert»

Anfang Mai 2021 eröffnete in Zürich das Regenbogenhaus

regenbogenhaus
Foto: Instagram/Regenbogenhaus

Seit einem Jahr gibt es das Regenbogenhaus. Via Crowdfunding-Kampagne waren zuvor 100’000 Franken gesammelt worden. Das Projekt gewann die Wahl zum ersten MANNSCHAFT-Queero der Schweiz. Wir sprachen mit Hannes Rudolph, einstiges Gründungsmitglied des Transgender Network Switzerland (TGNS) und Vorstandsmitglied vom Verein Regenbogenhaus.

Hannes, wie war das erste Jahr?
Anfangs sehr herausfordernd  denn wir mussten alles fertigstellen. Wir haben viele Mitglieder mit vielen Bedürfnissen, die wir erfüllen möchten. Das heisst auch, dass es sehr viel Arbeit war — alles ehrenamtlich. Dann kam leider Corona und wir waren eingeschränkt. Sobald die Pandemie es erlaubte, durften wir endlich beginnen und wir konnten nur staunen. Wir staunten, was die Leute alles für Ideen und Projekte haben. Für uns war es wichtig zu identifizieren, was fehlt — wir mussten viele Sofas bestellen. Die Gruppen überrannten uns mit Anfragen — es war ein sehr erfolgreiches Jahr.

Hannes Rudolph (Foto: privat)

Was sind das für Gruppen?
Das Regenbogenhaus ist ein Dach mit mittlerweile 35 queere Organisationen, die das Haus tragen und auch nutzen. Queere Personen profitieren, wenn es Räume für sie gibt. Queere Personen können sich in öffentlichen Räumen nicht sicher fühlen. Queere Paare checken vor jedem Kuss, wer in der Nähe ist. Darum braucht es Orte, wo wir voll akzeptiert sind.

Das Regenbogenhaus ist also ein Safe Space?
Es gibt viele unterschiedliche Bedürfnissen und wir versuchen darauf Rücksicht zu nehmen. Wir definieren uns als Safer Space.


Wie entsteht so ein Safer Space?
Wir dulden keinen Rassismus und Sexismus oder keine Homo- und Transfeindlichkeit. Wir schliessen auch Leute aus finanziellen Gründen nicht aus: Die meisten Angebote sind gratis oder günstig.

Viele denken, dass es in Zürich keine Homofeindlichkeit mehr gibt. Ist das so?
Natürlich nicht: Spätestens seit der Ehe für alle, fragen sich viele wieso es noch eine Pride braucht. Aber das sind Menschen, die nicht wissen, was für Probleme viele queere Menschen haben — auch in Zürich gibt es viele Probleme.

Du hast gesagt, dass das erste Jahr sehr aufregend war. Hast du eine spezielle Erfahrung gemacht?
Unser Eröffnungsfest war ein grosses Ereignis, knapp 500 Menschen kamen. Nach so langer Zeit mit einschneidenden Corona-Massnahmen trafen wir uns wieder — das war unglaublich schön.


Hast du Probleme identifiziert in Bezug auf die Corona-Pandemie?
Ganz am Anfang hatte sich herausgestellt, dass queere Personen mehr leiden, weil die Regelungen sehr heteronormativ waren. Viele queere Menschen leben ohne Familie im eigenen Haushalt. Die Einsamkeit war bei vielen gross und es wurde versucht virtuell auszuweichen: Zum Beispiel mit Streaming-Aktionen auf Social Media.

Du machst das ehrenamtlich.
Ich möchte helfen, die Community zu stärken. Ich habe selber die Erfahrung gemacht, mich als Teil einer Community zu fühlen. Das half mir und stärkte mich. Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich trans war — ein Umfeld von trans Menschen war damals sehr hilfreich.

Wie gehst du mit Homo- und Transfeindlichkeit um?
Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass nicht wir und Queersein das Problem sind, sondern die Menschen in der Mehrheitsgesellschaft, die uns nicht akzeptieren wollen. Sie vertreten veraltete Sichtweisen, wenn sie uns für krank oder falsch halten. Um das zu verstehen, ist Kontakt mit anderen Queers sehr wichtig. Viele Queers, vor allem schwule cis Männer, blenden aus, dass Diskriminierung immer noch existiert.

Auch ein sehr grosser Teil von schwulen und bisexuellen Männern haben sexuelle Belästigung erlebt. Ist es im Regenhaus ein Thema?
Es wird mehr ein Thema. Von der Stadt Zürich gibt es ein Meldetool: Dort können auch queere Menschen sexuelle Belästigungen melden. Das Problem ist, dass schwule cis Männer versuchen, ihre Probleme zu verstecken. In politischen Bewegungen sind schwule, cis Männer deshalb unterrepräsentiert.

Was ist für das kommende Jahr geplant?
Wir als Regenbogenhaus bieten das Dach und die Veranstaltungen kommen von den Mitgliederorganisationen. Das grösste Ereignis dieses Jahr ist das 50. Jubiläum der HAZ Zürich — es werden viele spannende Veranstaltungen geplant, für die ganze Community. Es wird viel los sein: Wir bringen viele Veranstaltungen, Ereignisse oder Forderungen bei uns unter.

Welche Forderungen hast du?
Als erstes müssen wir unsere erkämpften Rechte beschützen: Unsere Rechte sind leider nicht selbstverständlich. Zweitens ist mir wichtig, dass das Wissen über Vielfalt, Privilegien und Diskriminierung in der Gesellschaft verbreitet wird — das wird uns noch eine Weile beschäftigen.


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