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Hasskriminalität ist in Österreich deutlich gestiegen

Eine Zunahme von 7 %

Vienna Pride
Regenbogenparade in Wien (Archivfoto: Adobestock)

Nach langem Warten hat das österreichische Innenministerium nun den Bericht über die Entwicklung von Hasskriminalität im Jahr 2022 veröffentlicht. Dieser lässt aber für die queere Community viele Fragen offen.

In Österreich wurden im Vorjahr 5865 Hassverbrechen erfasst. Das entspricht einem Anstieg von rund sieben Prozent. Dies geht aus dem aktuellen Bericht des Innenministeriums in Wien hervor. Überraschend ist, dass die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung mit 373 Fällen leicht zurückgegangen ist. 2021 wurden hier 376 Straftaten erfasst. Für den Rückgang wurden in dem Bericht des Innenministeriums keine Gründe genannt.


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Internationale Studien zeigen, dass die Dunkelziffer um bis zu zehn Mal grösser sein dürfte“, sagt dazu SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner. Er kritisiert, dass es seitens des Innenministeriums keine Erhebungen zur Dunkelziffer gibt: «Solange Menschen in unserem Land wegen ihrer Identität angegriffen werden, darf niemand tatenlos zuschauen.» Innenminister Gerhard Karner stammt von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Diese blockiert viele Initiativen und Gesetze zum Schutz der queeren Community.


MANNSCHAFT hat sich den Bericht des Innenministeriums genau angesehen. Dieser lässt im Zusammenhang mit Hassverbrechen gegen queere Personen viele Fragen offen. So werden in der Statistik bei Straftaten gegen die sexuelle Orientierung nur drei Kategorien angegeben: homosexuell, heterosexuell und bisexuell. Was ist mit Personen, deren sexuelle Orientierung pansexuell oder asexuell ist? In Österreich gab es in den Vergangenheit viele Angriffe im Zusammenhang von Lesungen von Dragqueens (MANNSCHAFT berichtete). Es ist unklar, wie das Innenministerium diese in der Statistik erfasst hat. Geht es hier um Verbrechen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung, oder fallen diese in die Kategorie Hassverbrechen gegen die Weltanschauung?

Bei Hassverbrechen gegen die Weltanschauung ist die Zahl der Straftaten von 2052 auf 2466 gestiegen. In der Kategorie sexuelle Orientierung sind auch Fälle von Hassverbrechen gegen heterosexuelle Personen aufgelistet. Ob diese Fälle im Zusammenhang mit Verbrechen gegen die queere Community stehen, ist unklar.

Kein Gesamtüberblick der transfeindlichen Straftaten
Neben der Kategorie sexuelle Orientierung werden in dem Bericht auch 350 Hassverbrechen im Zusammenhang mit dem Geschlecht angeführt. Die meisten Verbrechen richteten sich gegen Frauen. So gab es 2022 beispielsweise 113 strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, die im Zusammenhang mit dem Geschlecht begangen wurden. Davon waren 81 Frauen und zwei Männer betroffen. Bei weiteren 19 Fällen wurde divers und bei 11 Fällen die Bezeichnung andere angegeben. In dem Bericht heisst es, dass mit der Bezeichnung Geschlecht: andere fast durchwegs transfeindliche Vorfälle angegeben wurden. Allerdings fehlt in dem Bericht ein Gesamtüberblick der transfeindlichen Straftaten.


Queere Organisationen verlangen vom Innenministerium mehr Klarheit, um die queere Community besser schützen zu können. Sie vermuten, dass queere Personen entsprechende Fälle oft gar nicht anzeigen. Auch im Bericht des Innenministeriums heisst es, dass die Angaben über Hass-Kriminalität kein «vollständiges und objektives» Bild liefern. Der Inhalt «hängt zum überwiegenden Teil vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung, aber auch von der Ermittlungs- und Dokumentationspraxis der Polizei ab», heisst es in dem Bericht.

Das nächste Problem ist, dass in dem Bericht des Innenministerium über das Jahr 2022 nur Straftaten einbezogen wurden, deren polizeiliche Ermittlungsarbeit bereits abgeschlossen worden sind. «Daher können Straftaten mit Verdacht auf ein Vorurteilsmotiv, zu denen noch polizeilich ermittelt wird, in der vorliegenden Statistik nicht berücksichtigt werden», heisst es.

Queere Organisationen betonen, dass in Österreich zuletzt zahlreiche Straftaten gegen die queere Community verübt wurden. So hatte die sozialdemokratische LGBTIQ-Organisation Soho Österreich und der SPÖ-Parlamentsclub vor kurzem in einem eigenen Bericht Angriffe auf queere Personen in ganz Österreich zusammengetragen. «Seit dem Sommer 2022 sind die Angriffe auf LGBTIQ-Personen vielfältiger geworden: NGOs, Betroffene und Medien berichten über Vandalismus, öffentliche Beschimpfungen und gewaltsame Angriffe», heisst es in dem Bericht der Soho.

Vor allem im Zusammenhang mit den Regenbogenparaden kam es in vielen österreichischen Städten zu Angriffen auf queere Personen. Hinzu kommen zahlreiche Vandalenakte gegen die queere Community. Es «werden bewusst Regenbogen-Fahnen, Pride-Schutzwege und andere Symbole im öffentlichen Raum angegriffen und in vielen Fällen bewusst mit LGBTIQ-feindlichen Botschaften geschändet», heisst es in dem Bericht.

In Wien wurde eine Dragqueen wegen ihres Outfits von sieben Taxis abgewiesen (MANNSCHAFT berichtete).


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