Hassgewalt verlangt Solidarität und Selbst­verteidigung

Symbolbild: Rachmat-Putro Restuaji/Unsplash
Symbolbild: Rachmat-Putro Restuaji/Unsplash

Früher war die Wachsamkeit der Polizei im Hinblick auf anti-queere Gewalt eher mau. Das ist heute anders, wenn auch nicht konsequent und überall. Aber: Sie kann auch nicht überall sein, schreibt unser Autor in seinem Kommentar*. Was also tun?

Solche Meldungen gibt es häufiger, in diesem Fall las ich eine von ihnen in der konservativ-liberalen FAZ: «Trans Frau in Hannover von sechs Männern attackiert und bespuckt», in der Dachzeile zu dieser Überschrift steht «Ermittlungen laufen». Das ist kein singulärer Vorfall: Gewalt gegen Menschen, die als der üblichen Geschlechterordnung zuwiderlaufend empfunden werden. Ob es sich um wachsende Aggression gegen Queers handelt oder nur die Wahrnehmungssensibilität gestiegen ist, interessiert mich nicht. Denn jeder einzelne Fall ist – so würden es vor allem die Betroffenen sagen – einer zuviel.

Vor gut einem Jahr wurde beim CSD in Münster der trans Mann Malte C. von einem jungen Mann attackiert und schliesslich mit einem Faustschlag so niedergestreckt, dass das Opfer Tage später an den Folgen des Gewaltaktes starb (MANNSCHAFT berichtete). Der Täter, ein geflüchteter Tschetschene, mutmaßlich selbst schwul, dies jedoch beispielsweise mit härtester Gewalt abwehrend, konnte inzwischen von einem Gericht zu einer fünfjährigen Jugendstrafe mit der Auflage, sich danach einer Suchttherapie zu unterziehen, verurteilt werden (MANNSCHAFT berichtete).

Es sind wie gesagt nicht nur diese hier genannten Fälle, die Qualitäten übelster Feindlichkeit queeren Menschen aufweisen. Wir haben, lässt sich zur diesjährigen CSD-Saison sagen, viel gewonnen, vor allem sind wir, wie soll man es anders als sprachpädagogisch ausdrücken, «sagbar» geworden. In meinen sehr viel jüngeren Jahren hat es solche Gewalt auch gegeben, aber in den siebziger Jahren galten Menschen wie ich selbst nicht als schützenswert, sondern als nachstellungsbedürftig, etwa mit Hilfe von polizeilichen Kontrollen in Parks, die nach Einbruch der Dunkelheit zu schwulen Cruising-Areas wurden.

Möglicherweise wird das Potential antischwuler, antilesbischer oder antitrans Gewalt auch durch Social-Media-Kommentare stimuliert. Die uns nicht mögen, riechen die Gefahr, die ihrem Lebensstil droht, seit langem: Die «Schwuchteln» sollen wieder ins Versteck! Diese trans Menschen – was massen die sich an … Hier käme jetzt ein Reigen von schlimmsten Schmähworten, der nicht verdient, wiederholt zu werden.

Es ist an den Polizeien und der Sicherheitsbehörden überhaupt, sich um die Täter*innen, die den Hass streuen, zu kümmern. Da liegt noch vieles im Argen, was die Tatsensibilisierung anbetrifft. Aber auch an diesem Punkt kommt es auf die historische Dimension an. Noch vor gar nicht so vielen Jahren war die Wachsamkeit von Polizeien im Hinblick auf antiqueere Gewalt eher mau. Indes, traurig aber wahr: Die Ordnungshütenden können nicht überall sein, wo unsereins sich aufhält.

Es gäbe meiner Ansicht nach einen weiteren Aspekt stark zu machen: die Selbstverteidigungskraft. Das ist die Fähigkeit, nötigenfalls sich auch körperlich wehren zu können. Lesben haben das in den siebziger Jahren als Strategie empfohlen, um das Motto mit Leben zu erfüllen: Holen wir uns die Nacht zurück! Mit anderen Worten: Täter*innen sollen nie damit rechnen, es mit einem wehrlosen Opfer zu tun haben. Im Gegenteil: Als Abschreckung dient die Erfahrung, es nicht leicht zu haben, wenn einer beispielsweise eine trans Person versucht zu behelligen.

Das ist nicht schwer zu erlernen, dieses Selbstverteidigen. Gewichtiger ist allerdings, sich von den nichtbewussten Anteilen zu verabschieden, die einem signalisieren, dass der Täter womöglich mit seiner Aggression recht hat. Nein, Täter haben nie recht, wir sind es uns wert, dass wir einander beistehen, weil wir so sind, wie wir sind. Früher erlebte ich einen Überfall auf einen schwulen Mann des Nachts auf Hamburg St. Pauli. Um ihn herum standen eine Menge andere, die auch schwul waren. Am Ende waren wir zu dritt, die dem Attackierten durchaus grob beisprangen, ein Dutzend andere waren eilends verschwunden. Wir haben die zwei Täter in die Flucht geschlagen. Wir wussten, was wir uns schuldig sind. Solidarität – was sonst?

* Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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