Der Vater der Regenbogen­flagge: Gilbert Baker

Sein Weg vom Soldaten zum LGBTIQ-Aktivisten

Gilbert Baker im Portrait (Foto: Screenshot Great Big Story)
Gilbert Baker im Portrait (Foto: Screenshot Great Big Story)

Während des Pride Monats ist die Regenbogenflagge überall zu sehen. Gilbert Baker hat sie geschaffen. Der Designer im Portrait.

Drag Queens streuten Blumen auf den Weg und sie trugen die Fahne die Strasse hinunter. Ein Sonntag 1978 in San Francisco. Die erste Regenbogenfahne wog im Wind und Gilbert Baker, gerade einmal 27, wusste: dies war sein Lebenswerk. Nie würde er etwas besseres schaffen als die Regenbogenfahne.

Gilbert Baker wurde am zweiten Juni 1951 in Kansas geboren. «Ich habe mich immer ausgestossen gefühlt», sagte er in einem Interview mit Radio Liberty. Am Tag seines 19. Geburtstages tat sich ein Ausweg auf. Das Militär zog ihn ein. Raus aus dem prüden Umfeld. Gilbert Baker war hoffnungsvoll – bis zum Sexualitätstest.

Der Sergeant fragte: «Sind Sie homosexuell?» Gilbert Baker sagte: «Nein.» Der Sergeant: «Sicher? Sie klingen wie einer.»

Bei Schiessübungen liess der Sergeant eine Wassermelone bringen. Er durchsiebte sie mit Kugeln. «Das passiert mit Homosexuellen bei der Armee», sagte er.

Gilbert Baker hatte genug. Er verweigerte den Dienst an der Waffe, wurde stattdessen Sanitäter und verliebte sich in den Kameraden Jim. Unter der Woche nahm er Blutproben von Vietnam-Heimkehrer*innen. Am Wochenende spazierte er mit Jim über die Golden Gate Bridge. Doch was sie zusammenbrachte, riss sie alsbald auseinander. Zum Ende der Ausbildung wurde Jim ins japanische Okinawa versetzt. Gilbert Baker blieb in San Francisco.

«Ich habe jede Nacht von Jim geträumt. Ich wollte nicht mehr übers Schwulsein lügen. Mich in Jim zu verlieben, hat mich verändert», sagte Baker in seiner Biographie «Rainbow Warrior – My Life in Color» (Regenbogen-Kämpfer – Mein Leben in Farbe). Er outete sich vor seiner Familie. Sie verstiessen ihn. Nun war er ganz allein.

Im Februar 1972 wurde Baker ehrenhaft aus dem Militär entlassen. Er kaufte eine Kenmore-Nähmaschine, schloss sich der Gay Liberation Movement an und entwarf Banner für ihre Proteste. Bis in die späten 1970ern waren homosexuelle Handlungen in den USA strafbar. Razzien in Schwulenbars, Schikane und Verhaftungen. Wer gleichgeschlechtlichen Sex in seiner Mietwohnung hatte, dem drohte die fristlose Kündigung. Umso sensationeller war die Wahl von Harvey Milk zum Stadtrat – als erster offen schwuler Politiker in der Geschichte des Landes.

Die LGBTIQ-Bewegung nahm Fahrt auf, und sie brauchte ein Symbol. Gilbert Baker sollte es schaffen.

«Als ich die Regenbogenflagge schuf, wusste ich genau, was ich machte. Ich habe nicht nochmal darüber nachdenken müssen, was die Flagge sein sollte. Ein Regenbogen verbindet alle Farben – alle Farben der Sexualität. Ein Regenbogen ist für alle und überall», so Baker.

Er wusch Stoffe, färbte sie, schnitt Streifen zu und nähte sie zusammen. Acht Farben, acht Bedeutungen.

Pink: Sexualität Rot: Leben Orange: Heilung Gelb: Sonnenlicht Grün: Natur Türkis: Kunst Indigoblau: Harmonie Violett: Geist

Kurz spielte er mit der Idee, Sterne auf die Regenbogenflagge zu nähen, liess es aber bleiben.

Zwei Regenbogenfahnen nähte er. Beide waren 60 mal 30 Fuss gross. Am 25. Juni 1978 wurden sie das erste Mal gezeigt, auf der Gay Freedom Day Parade in San Francisco. 350’000 Menschen nahmen an dieser Parade teil, so Spiegel Online. «Ich fragte mich: Werden sie es verstehen? Ich sah ihnen in die Augen und sah, dass die Flagge in ihre Seele traf. Sie liebten sie», sagte Baker. Drag Queens verstreuten Blumen und sie lachten vor Glück, vor Stolz.

Fünf Monate darauf wurde der schwule Stadtrat Harvey Milk ermordet. Ein Politiker schoss ihn in den Kopf.

Baker liess als Reaktion für die nächste Gay Freedom Day Parade 400 Regenbogenfahnen produzieren. Das Pink der Flagge ging verloren – es konnte maschinell nicht gefärbt werden. Ähnliches widerfuhr dem Türkis. Kompromisse mit der Massenproduktion. Doch ebendie verhalf der Flagge zum Durchbruch.

Nach der Parade waren die Häuser im queeren Viertel Castro mit Regenbogenfahnen geschmückt. Die Flagge erlangte internationale Berühmtheit. Jeder wollte sie. Die Bestände waren leergekauft. Baker verdiente nichts am eigenen Design. Er selbst hatte kein Urheberrecht. Wenn Reporter*innen ihn danach fragten, sagte er stets: «Wie sollte diese Flagge funktionieren, wenn sie jemanden gehört? Es geht ja eben darum, dass sie jedem gehört.»

Die Regenbogenfahne wurde zum Symbol der gesamten LGBTIQ-Community. Sie ist so losgelöst von ihrem Urheber, dass man leicht denkt, es hätte sie schon immer gegeben. Sie überwindet Herkünfte und Sprachbarrieren, steht für weltweite Zusammengehörigkeit, Mut, Stolz und Hoffnung. Jeder Mensch kennt ihre Bedeutung – nur wenige ihren Schaffer.

Am 31. März 2017 starb Gilbert Baker friedlich im Schlaf. In San Francisco hielten sie die Totenwache unter gehissten Regenbogenfahnen.

Mehr: Gay Games 2026 in Valencia – Vier LGBTIQ-Organisationen schmeissen hin (MANNSCHAFT berichtete)

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