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Feministische Selbstverteidigung WenDo: Mehr als eine Sportart

Beim Training in Wien

WenDo
Symbolbild: Isaiah Rustad/Unsplash

Seit rund 40 Jahren wird WenDo als feministische Selbstverteidigung in Wien  trainiert. Lesben und andere Frauen lernen ihre eigene Kraft selbst zu finden, Spass zu haben und sich zu wehren.

«Bewegung ist ihre grosse Begabung…», schreibt die Autorin Ulrike Gramann in ihrem Buch, in dem sie die lesbische Sportlerin und feministische Kickboxerin Claudia Fingerhuth aus Deutschland porträtiert. Mit dem Körper einer Leistungssportlerin begegnet sie den Sportarten Kickboxen, feministischer Selbstverteidigung und Wendo und verschreibt sich die Sportlerin konsequent dem Breitensport.

«Du musst keine geborene Kämpferin sein, um mit uns zu trainieren» wird Fingerhuth im Buch «Die Sportlerin, eine Geschichte über die feministische Kickboxerin Claudia Fingerhuth» zitiert. Deren Konzept sei, die Kraft zu erkennen, freizusetzen und gemeinsam in Bewegung zu sein, egal welche körperlichen Voraussetzungen eine hat, schreibt Gramann.

Auch im FZ, dem Frauen-Lesben-Migrantinnen-Mädchen-Zentrum, im neunten Wiener Gemeindebezirk, sind die WenDo-Frauen stets gemeinsam in Bewegung bei ihren regelmässig stattfindenden Kursen, um feministische Selbstverteidigung zu trainieren. WenDo heisst, aus dem Englischen Women und Japanischen Do übersetzt, der Weg der Frauen. Es ist feministische Selbstverteidigung.


Für die beiden lesbischen Trainerinnen Angela und Lisa aus dem FZ sei WenDo aber keine Sportart, weil es kein Leistungssport sei, bei dem die körperliche oder geistige Fitness leistungsorientiert und im Wettkampf trainiert werde, sagen sie. Sie bezeichnen WenDo als Struktur der Bewegung, die gegen das patriarchale System und als organisierte Form gegen Gewalt an Frauen und Lesben dargestellt ist.

Lernen, die Doppelaxt zu schwingen.

Bei WenDo lernen die Frauen und Lesben die sogenannte Doppelaxt zu schwingen. Denn die Doppelaxt, oder auch «Labrys» genannt, soll einerseits die sexuelle Orientierung der Lesben sichtbar machen, andererseits den feministischen Kampf um Frauenrechte aufzeigen. Die Labrys gilt ausschliesslich als matriarchales Kultsymbol, wegen ihrer dreieckigen Form mit dem Schamdreieck verbunden. Schliesslich umfasst der Bereich Sport mehr als nur den Leistungssport, auch jene Bewegungsabläufe im Breitensport, die einfach Spass machen, gemeinsam, freiwillig auszuüben und voneinander zu lernen, ohne bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten vorauszusetzen, wie es bei der feministischen Selbstverteidigung WenDo ist.

Bereits in den 1970er Jahren wurde WenDo aus Kanada nach Europa überliefert. Im Jahr 1982 sind lesbische Frauen von Deutschland in die österreichischen Städte wie zum Beispiel nach Innsbruck, Salzburg und Wien gereist, um WenDo als feministische Selbstverteidigung auch hier zu trainieren. Bis heute, rund 40 Jahre später, haben die Frauen und Lesben in Wien keinen Verein dafür gegründet, sondern üben WenDo als strukturierte feministische Bewegung aus. WenDo sei für alle Frauen offen zugänglich, egal welche ethische, nationale oder sexuelle Hintergründe, finanzielle oder körperliche Fähigkeiten sie haben, sagt Lisa.


Darum sei auch keine körperliche Fähigkeit vorausgesetzt, sondern die teilnehmenden Frauen lernen ihre eigene Kraft selbst zu finden, Spass zu haben, sich körperlich zu bewegen, mit unterschiedlichen körperlichen und emotionalen Fähigkeiten sich zu wehren und den eigenen Körper wahrzunehmen, sagt Angela. Dabei tauschen sich die teilnehmenden Frauen in den WenDo-Kursen auch ihre Erfahrungen verbal aus. Die Tatsache, nicht im Vereinsregister in Wien eingetragen zu sein, bedeutet einerseits die WenDo-Struktur unabhängig von öffentlichen Subventionen zu leben, andererseits haben die WenDo-Frauen dadurch keine Option, um finanzielle Mittel als Vereinssubventionen anzusuchen. Die WenDo-Struktur sei in Wien etwas anders aufgebaut als zum Beispiel in Deutschland, wo viele Trainerinnen mit ihren Kursen hauptberuflich ihr Geld verdienen, um davon zu leben, sagt Lisa.

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Doch die in Österreich angebotenen WenDo-Kurse werden je nach Einkommen gestaffelt, von den Kursteilnehmerinnen bezahlt. Darum können sie damit ein kleines Anerkennungshonorar der Trainerinnen wie auch notwendige fixe Betriebs- und Materialkosten bezahlen. «Das geht sich noch gut aus“, sagt Lisa, aber es sei auch wichtig die Freiräume für Frauen, wie das besetzte Haus als autonomes Frauen-Lesben-Migrantinnen-Mädchen-Zentrum in Wien mietfrei behalten, damit auch WenDo-Kurse weiterhin dort stattfinden können. «Darum sollten wir mehr solche Freiräume wie das FZ bekommen», sagt Angela.

Die WenDo-Trainerinnen bieten themenspezifisch zugeschnittene feministische Selbstverteidigungskurse zum Beispiel für Mädchen und Frauen in Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen, oder je nach Interesse und Anfrage beispielsweise zu den Themen: Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Lesbenfeindlichkeit oder Schutz von Frauenräumen. Last but not least bieten die WenDo-Trainerinnen gerne auch WenDo-Kurse ausschliesslich für Lesbengruppen an, sagt Lisa, weil lesbenspezifische Erfahrungswerte mit homophober männlicher Gewalt im öffentlichen Raum besser thematisiert werden können. Jedoch für alle Frauen, die einen WenDo-Grundkurs wollen, wird ihnen dieser an zwei Tagen angeboten, durchaus auch in heterogenen Gruppen. Sie lernen unterschiedliche Aktivitäten, wie sie sich körperlich und verbal verteidigen, wie sie sich am Boden verteidigen oder trainieren Befreiungstechniken, um sich vor Angriffen durch männliche Gewalt zu wehren. Aber sie führen auch Gespräche über sexistische Gewalt, trainieren ihre Stimme und das Nein-Sagen. Es ist ein Prozess, der gewisse Zeit braucht, um die Techniken von WenDo zu können.

Im Rahmen eines Aufbau-Kurses können die Frauen ihr Training fortsetzen, dabei vertiefen sie ihre Kenntnisse mit Freikampfangebote und Gruppenangriffe, was auch stets bei Frauen und Lesben ein Thema sei, genauso Solidarität zu anderen, die angegriffen werden, zu trainieren, sagt Lisa. In Österreich sind die WenDo-Gruppen selbstorganisiert, die nach einem Grundkurs sich zusammenschliessen und laufend weiter trainieren oder sich auch gegenseitig ihr diesbezügliches Wissen anlernen. Schliesslich sei es wichtig, dass die Techniken in der feministischen Selbstverteidigung bei WenDo nicht an das männliche Geschlecht weitergegeben werden dürfen: Es ist der Weg der Frauen, sich vor männlicher Gewalt zu schützen. WenDo beschreibt vieles, was wichtig ist, um sich gut zu verteidigen und könne beliebig bei den unterschiedlichen Gruppen erweitert werden, was sie trainieren wollen, dafür seien keine Grenzen gesetzt. Die unterschiedlichen Stärken der Frauen gegenseitig zu nutzen, trage solidarisch dazu bei, um sich gegenseitig Kraft zu geben, sagt Angela.

Die WenDo-Kurse in Wien finden bevorzugt in Frauenräumen wie dem FZ statt. Aber auch in verschiedenen Mädchen- und Frauenprojekten in Volkshochschulen, sozialen Einrichtungen, Jugendzentren, oder im Projektunterricht in Schulen bieten die Frauen des autonomen Frauen-Lesben-Migrantinnen-Mädchen-Zentrum die WenDo-Kurse an. Für diese externen Kurse, die von öffentlicher Hand finanziell subventioniert werden, beantragen die WenDo-Trainerinnen ein fixes Honorar.

Frauen, die vom Frauenhandel betroffen sind, sowie heterosexuelle Erziehungsberechtigte, die auf den tragischen Fall der 13-jährigen ermordeten Leonie in Wien medial aufmerksam gemacht wurden, zeigten verstärktes Interesse, an einem WenDo-Kurs teilzunehmen. Allerdings müsse darauf geachtet werden, den Druck auf die Mädchen und Frauen nicht zu stark zu erhöhen, um WenDo-Training auszuüben, sagt Angela, die das Prinzip der Freiwilligkeit bei den WenDo-Kursen betont.

Darum stelle sich auch die Frage, inwieweit es sinnvoll sei, die selbstorganisierten WenDo-Selbstverteidigungskurse in institutionalisierten Schulbildungseinrichtungen anzubieten. Aufgrund der bisherigen Erfahrungswerte widersprechen die dort geführten Listen der Anwesenheitspflicht dem Prinzip der Freiwilligkeit und damit den Grundsätzen der WenDo-Struktur.

Doch viele Schulleitungen bieten in ihren Schulen auch schon Selbstverteidigung durch die Polizei an. Deshalb werden die feministischen WenDo-Selbstverteidigungskurse vorwiegend in Alternativschulen und in den sogenannten Projektwochen der Schulen am Ende des Schuljahres von uns angeboten, sagt Lisa, die den Platz für radikal-feministische Basisbildung vor allem ausserhalb in der Bewegung sehe.

 Femizide haben keine Nationalität oder keine bestimmte Herkunft der Täter

Seit den letzten rund zehn Jahren hat sich die Sichtweise auf Femizide und sexuelle Übergriffe auf Frauen verändert, weil beispielsweise auch in den Medien mehr darüber berichtet wird. Aber es wird oft nur rassistisch betrachtet und Femizide skandalös gesehen, wenn ein sexistischer Täter andere Herkunft habe. Femizide haben keine Nationalität oder keine bestimmte Herkunft der Täter, sondern es habe mit der männlichen patriarchalen Gewalt in unserer Gesellschaft zu tun. Infolge seien immer mehr Frauen interessiert, WenDo zu trainieren, um hoffnungsvoll gegen diese patriarchale Gewalt entgegen zu treten. WenDo sei lebensrelevant, damit die revolutionäre Kraft der Frauen wachse und Femizide sowie sexuelle patriarchale Übergriffe gestoppt werden, sagen die beiden WenDo-Frauen abschliessend.

Die Wiener Lesbengruppe als Arbeitsgruppe in der HOSI feiert ihren 40. Geburtstag. Passend zum Jubiläum ist dieses Jahr «Mein lesbisches, queeres Wien» erschienen, das Nachfolgewerk des 2015 erschienenen Sammelbandes «Mein lesbisches Wien» (MANNSCHAFT berichtete).


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