«Don’t Travel Gay» – Will ich mein Geld in LGBTIQ-feindliche Länder tragen?
Der Samstagskommentar
In Florida wurden alle queeren Inhalte von der offiziellen Tourismus-Seite gelöscht: die schönsten Gay-Strände, die besten Pride-Veranstaltungen. Will man queere Reisende nicht mehr dort sehen?
«Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen», dichtete einst der deutsche Lyriker Matthias Claudius. Und wenn auf Reisen geht, der oder die zur LGBTIQ-Community gehört, dann sollte er oder sie sich genau überlegen, wohin die Reise gehen soll. Oder etwa nicht?
Zum Beispiel wurden gerade erst alle queeren Inhalte von der offiziellen Tourismus-Seite des US-Bundesstaates Florida gelöscht. Listete man zuvor noch die schönsten Gay-Strände auf und nannte die besten Pride-Veranstaltungen, will man queere Reisende nun allem Anschein nach nicht mehr in Florida haben. Damit wird die konservative «Don’t say Gay»-Politik des queerfeindlichen Gouverneurs Ron DeSantis weitergetrieben, die seit einem Gesetz aus dem Jahr 2022 auf dem Vormarsch ist, das besagt, im schulischen Kontext nicht mehr über queere Inhalte sprechen zu dürfen.
Ob tatsächlich ein direkter Zusammenhang zwischen der Löschung der Tourismus-Inhalte und Gouverneur DeSantis besteht, ist indes unklar. Das Fremdenverkehrsamt schweigt sich aus. Die Human Rights Campaign, die grösste queere Organisation der USA, hatte aber bereits im letzten Jahr eine Reisewarnung für Florida ausgesprochen.
Wir müssen auch nicht zwingend Händchen haltend am Strand entlanglaufen, aber verstellen wollen wir uns im Urlaub auch nicht.
Mein Partner und ich, machen uns nichts aus «schwulem Urlaub». Abgesehen vom Besuch in einer entsprechenden Bar oder einem Club, bestimmt unsere Sexualität nicht unsere Freizeitgestaltung. Eine schwule Kreuzfahrt etwa wäre mein schlimmster Alptraum und auch Festivals wie das «Circuit» haben mit der Zeit ihren Reiz verloren. Zwar haben auch wir im letzten Jahr mit Gran Canaria ein bei Schwulen beliebtes Reiseziel angesteuert, uns aber am Hotelpool neben gut betuchten Rentner*innen und mit Buch in der Hand deutlicher wohler gefühlt, als wenn wir in irgendwelchen Dünen herumgeklettert wären. Wir müssen auch nicht zwingend Händchen haltend am Strand entlanglaufen oder uns auf der Promenade küssen, aber verstellen wollen wir uns im Urlaub natürlich auch nicht.
Vor allem aber wollen wir im Urlaub keine Angst haben müssen, wenn wir uns – vom Moment mitgerissen – doch küssen oder berühren wollen. Angst zu verspüren ist eine hochgradig individuelle Empfindung und so zieht auch jeder von uns eine individuelle Grenze, wenn es um tolerierbare Reiseziele geht.
Länder, deren queerfeindliche Politik tief verankert ist, und die Homosexualität unter Strafe stellen, stehen jedenfalls ganz bestimmt nicht auf meiner Reiseliste. Die ILGA World, ein Zusammenschluss weltweit agierender queerer Organisationen, veröffentlicht regelmässig Weltkarten, die über die gesetzliche Situation der LGBTIQ-Community Aufschluss geben. Und auch der Gay Travel Index informiert dahingehend. Viele Länder sind beliebte, aber unethische Reiseziele, da für queere Menschen Gefängnis- oder gar Todesstrafen drohen.
Will man sein Geld in diese Länder tragen? Ich sage ganz klar: Nein. Auf Wikipedia findet sich ebenfalls eine Rangliste der Länder nach LGBTIQ-Toleranz und -Rechten. Hier zeigt sich, dass die von Queers selbst wahrgenommene Toleranz und die tatsächlichen Rechte mitunter stark auseinander gehen. Ich selbst habe mich jedenfalls damit abgefunden, dass ich die Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale in Moskau oder den opulenten Golestanpalast in Teheran zeitlebens wohl nur von Fotos oder aus dem Fernsehen kennen werde. Macht es mich manchmal traurig, dass mir als queerer Person nicht die ganze Welt offensteht? Auf jeden Fall. Aber glücklicherweise gibt es mehr schöne Orte auf der Welt, als dass man sie je alle wird bereisen können. Und das Gefühl, dort «Willkommen» zu sein, trägt noch zusätzlich zu deren Schönheit bei.
Neben der Frage nach der ethischen Verantwortung, macht es – zumindest für mich – auch einen Unterschied, ob ich mit dem Partner oder allein reise. Vor einigen Jahren habe ich meine Chefin nach Marokko begleitet, und wir hatten wunderbare Tage in der Küstenstadt Essaouira, haben die Souks und Bäder besucht und uns unter die Leute gemischt. Wäre ich komisch angeguckt worden, wenn ich mit meinem Partner dort gewesen wäre? Vielleicht ja, vielleicht nein. Und ganz gleich, wo man ist, kulturelle Sitten und Gesetze sind in jedem Falle zu respektieren. Gleiches wünscht man sich ja auch für Besucher*innen, die im eigenen Land urlauben. Die Art des Urlaubs macht natürlich ebenfalls einen gewaltigen Unterschied. Plane ich einen Cluburlaub in Ägypten, bei dem ich das Resort nicht verlasse und mir am Pool die Sonne auf den Bauch scheinen lasse, habe ich wohl nichts zu befürchten. Will ich hingegen auf eigene Faust das Hinterland erkunden, sähe das vielleicht schon anders aus.
Reiselustigen Queers wünsche ich also einerseits den Mut, ihre Grenzen immer wieder neu abzustecken, andererseits aber auch den Mut, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben und bestimmte Reiseziele kategorisch auszuschliessen. Ich bin dann jetzt auch mal weg, Koffer packen. Ein paar Tage Polen. Mit meinem Partner. Auch in Polen ging die vorige, konservative Regierung nicht gerade zimperlich mit LGBTIQ um. Immerhin geht es nach Warschau, der Stadt mit der grössten Pride in Mitteleuropa (MANNSCHAFT berichtete). Gute Reise allerseits!
*Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
Eine homosexuelle Dreierbeziehung aus San Diego bekam zwei Kinder, in deren Geburtsurkunden die Namen von drei Vätern eingetragen sind (MANNSCHAFT berichtete).
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