Die Community macht Schule – Lehrplan Q in Aktion
Barbara, Noeh und Peter teilen ihre Coming-out-Geschichten und entdecken Queersein mit Schüler*innen
Welche Fragen zu Sexualität und Identität gehen Jugendlichen durch den Kopf? LGBTIQ-Menschen und Allys versuchen ihnen im Klassenunterricht eine Antwort zu geben. Wir drücken mit Barbara, Noeh und Peter die Schulbank.
Es ist ein regnerischer Spätsommermorgen in einem beschaulichen Zentralschweizer Dorf. Barbara, Mutter eines nicht-binären Kindes, Noeh, junger trans Mann, und Peter, schwul und pensioniert, sind auf dem Weg in eine Sekundarschulklasse im Auftrag des Vereins ABQ.
Sie sind nicht nur mit Regenjacke oder Schirm ausgerüstet, sondern auch mit Wissen, Unterlagen und jeder Menge Erfahrung in Sachen Queersein. Sie werden von einer dynamischen Lehrerin abgeholt und begrüsst; man spürt, dass es ihr ein Anliegen ist, dass sich die drei Besucher*innen wohl fühlen.
Nach einem kurzen Streifzug durch ein labyrinthartiges Treppenhaus steht die Gruppe in einem noch leeren Klassenzimmer. Man spricht sich kurz ab, stöbert in der eigenen Tasche rum, kritzelt etwas auf ein Kärtchen. Wenig später treffen die Schüler*innen ein und nehmen im Stuhlkreis Platz. Peter, Noeh und Barbara tun es ihnen gleich. Im Raum ist ein wenig Nervosität zu spüren. Und viel Erwartung.
Wir sind alle anders Barbara holt Luft. «Als allererstes: Ihr dürft uns alles fragen, wir drei entscheiden dann, ob wir die Frage beantworten können beziehungsweise wollen oder nicht. Was wir euch sagen, dürft ihr weitererzählen, aber das, was eure Kamerad*innen sagen, bleibt in diesem Zimmer. Ihr sollt euch sicher fühlen: Wir lassen einander ausreden und es wird niemand ausgelacht.»
«Was eure Kamerad*innen sagen, bleibt in diesem Zimmer»
Barbara, Verein ABQ
Nach dem kleinen Regelwerk stellen sich alle kurz vor – mit Vornamen und einer Besonderheit, die sie ausmacht. Die einen erwähnen ihre Sommersprossen, andere ihre Vorliebe fürs Ausschlafen oder für Ananassaft.
Nun übernimmt Peter die Führung und fordert die Teenager auf, sich in die eine oder andere Ecke des Zimmers zu stellen – je nachdem, ob sie folgende Frage mit Ja oder Nein beantworten. «Hast du heute Frühstück gegessen?» Die meisten gehören zum Ja-Lager, einige zu jenem des Neins. Peter fragt bei einigen nach: «Hast du nur heute (nicht) gefrühstückt oder machst du das immer so? Weshalb? Und hast du dich selbst dazu entschieden?» Selbes Spiel, neue Frage: Ob man zuhause Deutsch spricht; ob man blaue Augen hat; ob man schon mal verliebt war.
Und spätestens bei der Nachfrage, ob man sich die Verliebtheit damals ausgesucht hat oder nicht, wird es interessant . . . Die Absicht ist klar: Die Teenager sollen sich bewusst werden, dass sie manchmal die Wahlfreiheit haben und manchmal nicht. Und, genauso wichtig: dass jede*r je nach Situation zu einer Minderheit gehört.
Reise durch Identitäten Nach Peters kleinen Übung für Beine und Geist ist Noeh an der Reihe: «Ich erzähle euch nun ein bisschen Theorie.» Seine Stimme wird ernst, vielleicht um zu signalisieren, dass dieses Kapitel etwas trockener, aber nicht minder relevant wird. Es geht ums Thema Geschlecht und Geschlechtsidentität.
Noeh bindet die Klasse ein, indem er sie fragt, was das Erste sei, was bei einem Baby entschieden werde nach der Geburt. «Der Vorname?» fragt jemand zögerlich. Es dauert nicht lange und auch das Geschlecht wird thematisiert. Es wird darüber gesprochen, welche und wie viele Geschlechter und Identitäten es wohl gibt; was Begriffe wie cis, trans oder Geschlechtsausdruck bedeuten.
«Wenn die Geschlechtsteile eines Kindes nicht klar einzuordnen sind, spricht man von Intergeschlechtlichkeit», erklärt Noeh, und: «Unter den trans Menschen gibt es solche, die Hormone nehmen, solche, die sich geschlechtsangleichend operieren lassen, und andere, die nichts davon tun – aber deswegen nicht weniger männlich, weiblich oder nicht-binär sind.»
Nun fragt Noeh in die Runde, wie man Menschen nennt, die gleichgeschlechtlich lieben. Es folgt bedrückende Stille. Erst nachdem auch die Lehrerin versichert, dass es okay ist, das Wort auszusprechen, obwohl es teilweise noch als Schimpfwort gilt, traut sich einer der Jungs: «Homosexuell.» Als Noeh erklärt, dass man Menschen, die sich gar nicht verlieben, aromantisch nennt, versteht jemand «aromatisch». Gelächter macht sich breit. Nachdem die Klasse auch den Unterschied zwischen aromantisch und asexuell gelernt hat und die Tatsache, dass gewisse Menschen beides, aber andere nur etwas davon sind, kommt Noeh langsam zum Schluss. «Manchmal ist man noch unsicher, welche Eigenschaften nun auf einen zutreffen und welche nicht, und dies kann sich im Laufe des Lebens auch wieder verändern. Das ist okay.»
Bilder im Kopf Nach einer kurzen Pause wird ein Stapel Fotos aus einer Tasche gezückt und unter den Schüler*innen verteilt. Diese sollen kurz untereinander besprechen, was auf den Bildern zu sehen ist und danach präsentieren. «Das ist eine Dragqueen», meint ein Junge. Peter bejaht und fragt den Jungen, ob er auch wisse, wie sie heisse. «Grace Jones?», auch das im Zögermodus. «Fast», meint Peter, es handle sich um Olivia Jones. Darauf stellt er klar, dass es sich bei Drag nicht um Geschlechtsidentität, sondern um Geschlechtsausdruck handle.
Das nächste Bild zeigt einen Mann in Rock und Highheels. Peter fragt provokativ in die Runde, ob dieser wohl schwul, hetero, cis oder trans sei. Es folgt langes Schweigen. Das sei super, dass die Kids keine Antwort darauf hätten, meint der Schulbesucher – denn auch hier handle es sich um den Ausdruck eines Menschen, von dem man nicht auf dessen Identität oder Orientierung schliessen könne. Der abgebildete Mann ist der heterosexuelle cis Mann Mark Bryan, der mit seinen Outfits über die sozialen Medien bekannt wurde.
«Ich bin Mutter eines nicht-binären Kindes.»
Barbara, Verein ABQ
Ein besonderes Kind Peter, Noeh und Barbara sind beim Herzstück ihres Workshops angelangt: ihren persönlichen Coming-out-Geschichten. «Ich bin Mutter eines nicht-binären Kindes», setzt Barbara an, «und in letzter Zeit gebe ich mir Mühe, nicht mehr er oder sie zu sagen.» Alex (Name von der Redaktion geändert) sei schon immer besonders gewesen: laut, mutig, lustig und mit vielen Ideen. Es habe sie und ihren Ehemann immer stolz gemacht, ein so starkes und selbstständiges Kind zu haben.
In der Pubertät habe Alex allerdings eine grosse Krise durchlebt, ohne dass sie als Eltern etwas davon wahrgenommen hätten. Als ein Sozialarbeiter hinzugezogen wurde, schlug dieser Alarm und meinte, Alex ginge es gar nicht gut, man müsse handeln. «Das war ein riesiger Schock, denn von aussen schien alles in Ordnung. Wir mussten das erst einmal verarbeiten; es folgte eine schlimme Zeit.» Alex habe nicht mehr leben wollen und sei sechs Monate lang in einer Klinik gewesen.
Barbara habe sich lange gefragt, was los sei. Vielleicht sei ihr Kind, das damals noch als Mädchen gelebt habe, einfach lesbisch? Diese Vermutung habe sie nämlich schon länger gehabt. Als sie sich überwand, Alex danach zu fragen, blockte Alex ab und verneinte es – um es zwei Wochen später dann doch zu bejahen.
Dies und therapeutische Begleitung habe Entspannung gebracht, doch in den folgenden Jahren habe Alex gemerkt, dass das Thema damit nicht abgeschlossen sei. Und Barbara mitgeteilt, sich weder als Frau noch als Mann zu fühlen. Barbara war in dem Moment sehr berührt von der Offenheit ihres Kindes und drückte es fest. Kurz darauf habe sie aber selbst eine weitere Krise durchgemacht, nämlich als ihr bewusst wurde, was Nicht-Binarität alles mit sich bringe; das Unverständnis einzelner Verwandter, die Unmöglichkeit eines korrekten Geschlechtseintrags und die fehlende Sprache, um über nicht-binäre Menschen zu sprechen.
Zum Schluss meint Barbara aber hoffnungsvoll, sie wolle niemandem von einer Transition abraten, denn sie, Peter und Noeh seien hier, um aufzuzeigen, dass diese möglich sei. Heute sei sie optimistisch: «Mit jedem neuen Schritt, den Alex macht – neuer Name, neue Pronomen, Operation usw. – mache auch ich einen weiteren Schritt und gewöhne mich an das Neue.»
Generationenwechsel «Es gibt ein 60 Jahre altes Foto von mir und meinem Vater, ich war also fünf oder sechs«, beginnt Peter zu erzählen, «wir tragen aus Spass dieselbe Mütze und halten das gleiche Bierglas und stossen an. Mein Vater schaut mich fröhlich und gleichzeitig etwas besorgt an.» Diese Besorgnis habe der Vater später ausgesprochen: Würde aus Peter eines Tages wohl ein «richtiger» Mann werden?
«Was das genau sein soll, wusste ich nicht, und ich weiss es immer noch nicht.» Nicht nur Fotos, sondern auch die Welt um ihn herum sei schwarzweiss gewesen, also ohne Vielfalt oder Zwischentöne. Nur einmal habe seine Mutter über männerliebende Männer gesprochen – als etwas Kriminelles und Ekelhaftes aus der Grossstadt: «Sie meinte nur, für sie und meinen Vater wäre es das Schlimmste, wenn ich so einer wäre – das Wort schwul konnte sie nicht mal aussprechen.»
Obwohl Peter später in eine jener Grossstädte gezogen sei und sich da in einen Mann verliebt habe, wollte er sein Schwulsein trotzdem noch nicht wahrhaben. Kurz darauf habe er eine Frau kennengelernt, die später seine Ehefrau werden sollte.
«Ob dies die Sorge meines Vater war: Dass ich etwas ausleben würde, das er geheim halten musste?»
Peter, Verein ABQ
In der ersten Zeit sei er froh gewesen, dass die vermeintliche Phase vorbei gewesen sei, doch bei einer gemeinsamen Weltreise habe er sich eingestehen müssen, dass sein Begehren immer noch vor allem Männern galt. «Ich glaube, ich bin bi», habe er seiner Ex-Frau damals eröffnet, wovon diese gar nicht begeistert gewesen sei. Sie würde es aber akzeptieren – solange er’s nicht ausleben würde. Doch genau das habe Peter aber immer wieder mit schlechtem Gewissen getan, bis er es nicht mehr ausgehalten habe; und so traf er nach 31 Jahren Beziehung, aus der zwei Töchter hervorgegangen waren, die schwere Entscheidung, seine Frau zu verlassen.
Eines glücklichen Tages lernte er seinen jetzigen Partner kennen, und als die beiden zwar keine Weltreise, aber eine Fahrradtour machten, verliebten sie sich ineinander. Sie liessen ihre Partnerschaft eintragen und heirateten nach der Öffnung der Ehe als erstes Paar im Kanton Schaffhausen. Man merkt Peter einen gewissen Stolz an, als er dies erwähnt.
Sein Vater sei vor 32 Jahren gestorben, aber bei seiner Mutter habe er sich endlich outen können. Mittlerweile habe diese ein gutes Verhältnis zu ihrem Schwiegersohn, und ihre erste Reaktion sei erstaunlich gewesen: «Ob dein Vater wohl auch homosexuell war?», habe sie gefragt. «Seither überlege ich mir manchmal, ob dies die Besorgnis meines Vater war: Dass ich etwas ausleben würde, das er geheim halten musste.»
«Ich wollte nicht erwachsen werden» Noehs Erzählung wird eine Art Fotoroman; passend zur Stelle in der Biografie reicht er jeweils ein Foto umher. Seine Kindheit sei unbeschwert gewesen, verspielt in einem Bauernhaus mit viel Besuch. Irritierend sei eigentlich nur gewesen, dass er damals noch Laura hiess – einen Deadname, der Noeh bei jeder Klasse aufs neue erfindet.
«Ich wollte nicht erwachsen werden, denn ich ahnte, dass es dann erst richtig schwierig werden würde»
Noeh, Verein ABQ
Sorgen liessen allerdings nicht lange auf sich warten, denn mit der Einschulung kam das Gefühl, dass es in dieser Welt keinen Platz für ihn gebe; Mädchenklos, -kabinen, und -interessen waren nichts für ihn. «Ich wollte nicht erwachsen werden, denn ich ahnte, dass es dann erst richtig schwierig werden würde.» Und so war es auch – die Pubertät brachte ein grosses Unwohlsein mit sich, ohne wirklich herausfinden zu können, was los sei, damals ohne Internet.
Nichtsahnend begann Noeh, im Damenteam seines Dorfes Volleyball zu spielen, wo er fortan lernte und abschaute, was Frausein offenbar bedeutet. «Eine Maskerade», in seinen Worten. Bis zu seiner Transition war er jedoch nie wirklich geschlechtskonform. In diesem Zwischenstadium war er zwar zufrieden – sportlicher Erfolg, ein liebevolles Umfeld und ein erfüllender Beruf – aber es fehlte immer etwas.
Eines Tages stieg er wie gewohnt aufs Motorrad, um zur Arbeit zu fahren, doch diesmal sollte es anders kommen. Er hielt zwar an einer roten Ampel, aber die telefonierende Person am Steuer hinter ihm nicht. Es folgte eine Rücken-OP, nach der er vom Bauchnabel an abwärts nichts mehr gespürt habe; an Stehen und Gehen war also nicht mehr zu denken. Dieser Moment sei der Tiefpunkt gewesen: «Ich hatte das Gefühl, dass Teile meines Körpers falsch waren, jetzt war er auch noch kaputt.»
Noeh lernte während einer langen Reha wieder zu gehen und meisterte wieder seinen Alltag. Aber es war nie mehr so wie vor dem Unfall, und zusammen mit der Dysphorie* trieb ihn das in den sozialen Rückzug. «Schlussendlich wurde ich lebensmüde, und ich wusste: Wenn ich leben will, muss ich mich outen.» Noeh – damals immer noch Laura – eröffnete seinem Hausarzt, dass der Grund für sein Leiden wohl sei, dass er sich als Mann fühle. Dieser habe «cool» reagiert und den Transitionsprozess eingeleitet, indem er Noeh zu einem Psychiater überwies – für ein Gutachten, das für Operationen benötigt wurde.
«Rückblickend war das die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.»
Noeh, Verein ABQ
Das erste Coming-out sei bei seiner Schwester gewesen, die es schon geahnt hätte, und kurz darauf folgte sein bester Freund Fabio, der selbst schwul ist. Als er auch seine Eltern einweihte, meinte sein Vater nur, er sei davon ausgegangen, dass sein Kind lesbisch sei, aber trans sei doch auch gut. Seine Mutter habe, ähnlich wie Barbara, etwas Gewissensbisse gehabt. Als dann auch noch der Volleyverein Bescheid wusste, konnte Noeh rund um die Uhr sich selbst sein: «Endlich kein Bitte-behalte-es-für-dich-mehr . . . Rückblickend war das die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.»
Ein halbes Jahr nach der ersten Testosteronspritze machte Fabio ein Selfie mit Noeh und schickte es einer Bekannten. Zurück kam die Frage, ob der junge Mann neben Fabio sein neuer Freund sei. «Zum ersten Mal wurde ich als Mann gelesen, ohne es ankündigen zu müssen», freut sich Noeh. Als danach noch Mastektomie und Phalloplastik folgten, identifizierte er sich endlich ganz mit seinem Körper: «Es war der beste Sommer meines Lebens, ich wäre am liebsten die ganze Zeit oben ohne herumspaziert.»
«Die Narbe an deinem Arm . . . ist die von der Operation?»
Eine Frage aus der Klasse
Von Hunden und Playmobil Nun wird der Raum für Fragen geöffnet. Den Anfang macht ein Junge, der sich von Noehs Unverblümtheit wohl ermutigt fühlt, Intimes zu fragen: «Die Narbe an deinem Arm . . . ist die von der Operation?» Noeh hat kein Problem mit dieser Direktheit und antwortet ohne zu zögern, die fehlende Haut sei tatsächlich für sein Geschlechtsteil verwendet worden: «Und obwohl ich mich für diese Operation entschieden habe, macht mich nicht primär mein Penis zum Mann – schliesslich hatte im ersten Moment wohl niemand von euch den Gedanken, ich könnte trans sein.»
Es folgen weitere Fragen zu Noehs Geschlechtsteilen, der Interviewte bleibt gelassen und gibt Auskunft zu Fragen von Erektion bis Fruchtbarkeit. Peter will das allerdings nicht ganz unkommentiert lassen: «Nur weil Noeh gerne offen über diese Themen spricht, heisst das nicht, dass das alle trans Menschen machen. Seid also bitte nicht immer so direkt.»
«Nur weil Noeh gerne offen über diese Themen spricht, heisst das nicht, dass das alle trans Menschen machen. Seid also bitte nicht immer so direkt»
Peter, Verein ABQ
Als nächstes erzählt eines Schülerin, sie habe schon von Menschen gehört, die sich als Hunde oder Playmobil identifizieren würden. Sie will von Barbara wissen, wie sie als Mutter reagieren würde, wenn ihr das eines ihrer Kinder mitteilen würde. Barbara zögert und gibt den Ball weiter. Peter übernimmt und sagt, solche Fälle würden von Medien zu sehr aufgeblasen, was vielen Leuten den Eindruck gebe, sie seien verbreitet, obwohl sie eher die Ausnahme seien.
Noeh fügt hinzu: «Bei solchen Identitäten geht es oft auch um Spass, sie werden also den Kämpfen von trans Menschen nicht gerecht. Ausserdem grenzen wir von ABQ uns von solchen Themen ab, da sie nichts mit Gender oder sexueller Orientierung zu tun haben. Wir können euch also nicht wirklich Auskunft darüber geben.»
Die letzte Frage geht erneut an Noeh: Ob er sich mit der Transition immer sicher gewesen sei, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Er bejaht unverzüglich und sagt, er habe es niemals bereut. «Allerdings habe ich lange Zeit bestimmte Dinge vermisst, die es in meinem Leben gab, als ich noch als Mädchen gelebt habe – beispielsweise das intensive Reden über Gefühle unter Mädchen aus dem Volleyteam. Aber glücklicherweise machen das auch Jungs je länger je mehr», schmunzelt er.
Die dichte Doppelstunde neigt sich dem Ende zu, Feedback aus der Klasse ist das Einzige, was noch fehlt, und viele nennen die Coming-out-Geschichten als ihr persönliches Highlight des Workshops. Ein Junge meint etwas sarkastisch, er nehme aus der Lektion vor allem viele Wörter mit, die er immer noch nicht verstehe. Als sich das ausgelöste Gekicher beruhigt, reagiert Noeh wohlwollend darauf: «Falls ihr dieses Gefühl habt, seid ihr deswegen keine schlechten Menschen. Nicht einmal wir kennen alle Begriffe, denn es kommen ständig neue dazu.» Vielleicht ist das das Wertvollste, was die Teenager heute gelernt haben: Dass sie nie auslernen werden.
Lehrplan Q Der Lehrplan 21 gibt die Themen sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als obligatorische Unterrichtsinhalte für Deutschschweizer Schulen vor. «Viele Lehrpersonen fühlen sich aber im Schulalltag nicht genügend kompetent und laden uns deshalb in der Regel zum allgemeinen Unterricht ein, wo wir oftmals bereits zum jährlichen Programm gehören», sagt Stefano Carlucci, Geschäftsleiter des Vereins ABQ.
Als Informationsportal steht den Lehrpersonen der «Lehrplan Q» zur Verfügung, ein Projekt von allen Deutschschweizer Organisationen im Bereich LGBTIQ und Schule, koordiniert von Pink Cross. Dort können sie sich über Weiterbildungen informieren, Unterrichtsmaterial herunterladen oder einen Schulbesuch buchen.
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Organisationen in deiner Region suchen laufend Schulbesucher*innen:
Der Verein ABQ führt jährlich rund 250 Schulbesuche in der Deutschschweiz durch – dies lediglich auf Anfrage von Lehrpersonen. In den Kantonen St. Gallen und beiden Appenzell ist das Schulprojekt Comout aktiv, in beiden Basel der Verein Queeres Ah & Oh. Der Verein ABQ zählt rund 50 Mitglieder, die Schulbesuche sind ein ehrenamtliches Engagement. «Unsere Lebensrealitäten und Erfahrungen sind so divers wie die Gesellschaft», sagt Stefano.
«Wir sind zwischen 17 und 70 Jahre alt, lesbisch, schwul, bi-, hetero- oder asexuell, trans, nicht-binär oder cis.» Ähnliche Schulprojekte sind unter anderem Schlau NRW, Lambda Bayern und ABqueer in Deutschland sowie Queer Connexion in Österreich.
Fast jeder von uns kennt dieses Gefühl: Eine Leere, die sich langsam von der Brust bis in den letzten Winkel des Körpers ausbreitet. Gefühle der Freude werden mit gnadenloser Brutalität verdrängt und der Verstand mit schweren Gedanken verhängt. Wir haben uns an unsere Leser*innen gewandt, um zu erfahren, inwieweit Einsamkeit die Lebensrealität der LGBTIQ-Community (mit)bestimmt. Mehr auf: MANNSCHAFT+
* Die Dysphorie ist eine Störung des emotionalen Befindens und kann als Gefühl von körperlichem oder sozialem Unwohlsein beschrieben werden. Bei trans Menschen wird die Gender-Dysphorie oft dadurch hervorgerufen, dass die gefühlte Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
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