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Beth Ditto ist gern allein daheim

Freitag erscheint das neue Album von Gossip

Beth Ditto
Beth Ditto (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Disco. Pop. Punk. Rock. Soul. Electro. Gossip haben stilistisch kaum Berührungsängste gezeigt. Nun kommen Motown und Funk dazu. Das Comeback-Album zeigt sich von mitreissender, weil ruhiger Kraft.

Von Sebastian Fischer, dpa

Es gab eine Zeit, da haben sie im verschwitzten Berliner Techno-Schuppen Berghain die Temperatur mächtig nach oben gedreht. Später wiederum animierten sie im herausgeputzten Ambiente der «Helene-Fischer-Show» das Publikum zum Mitmach-Klatschen: Gossip und die markante Frontfrau Beth Ditto sind wahrlich ein undurchsichtiges Phänomen. Irgendwo zwischen queer-feministischem Underground und durchorchestriert-kommerziellem Mainstream hat sich die US-Band seit Jahren eingenistet.

Mehr als eine Dekade nach ihrer letzten Platte und einer zwischenzeitlichen Trennung hat das Trio mit «Real Power» nun ihr sechstes Album am Start (MANNSCHAFT berichtete). Kurz vor Veröffentlichung des Albums am Freitag (22. März) absolviert die Band aus Portland (US-Bundesstaat Oregon) einen Promotion-Marathon in Europa: auch in der deutschen Hauptstadt.


«Berlin macht wirklich Spass»
«Mal ehrlich, Berlin macht wirklich Spass», sagt Ditto der Deutschen Presse-Agentur in der Neuen Nationalgalerie. Die Sängerin passt mit ihrem wilden Look aus Flieder-weissem Strickkleid über schwarz-gepunkteter Tüll-Bluse und den orangen Haaren perfekt zwischen die knalligen Kunstwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das Museum sei wunderschön, sagt sie. «Ich bin gespannt, alles darüber zu lesen.»


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Doch jetzt steht erst einmal Arbeit an, ein Album will beworben werden. Elf neue Songs sind auf «Real Power», und die haben es in sich. Gleich der Opener lässt alle Härchen am Körper nach oben schnellen: Im heftigen Soul-Brett «Act of God» irgendwo zwischen derbem Punk und melodiösem Motown geht es um Kontrollverlust, den Glauben an Gott und das Leben.


Der vorzüglich vielseitige Sound der Platte entspringt im Grossen und Ganzen dem Kopf des Gitarristen Nathan Howdeshell. «Ich vertraue auf seinen Geschmack, und ich vertraue darauf, dass er im richtigen Moment ja oder nein sagt», erklärt die Sängerin. «Und das ist für mich das Wichtigste.»

Auf Hawaii im Studio
Wer auf «Real Power» seine Finger genauso wieder mit im Spiel hat: Star-Produzent Rick Rubin. Der zeigte sich schon 2009 verantwortlich für Gossips Mainstream-Durchbruch «Music For Men» und den Mega-Hit «Heavy Cross», der sich damals fast zwei Jahre am Stück in den deutschen Charts hielt. In Rubins Studio auf Hawaii entstehen im Laufe der vergangenen fünf Jahre die neuen Songs. Durch ihn heben sich die Tracks wieder merklich voneinander ab – anders als zuletzt auf «A Joyful Noise».

Die Platte verabschiedet sich auch vom Dance des Vorgängers und ist in weiten Teilen viel ruhiger angelegt – samt Balladen. Es lassen sich stilistisch gänzlich unterschiedliche Glanzstücke finden. Da wäre etwa das grandiose «Tell Me Something» mit einem Mix aus tiefergelegt-dröhnenden Industrial-Elementen, klassischem Piano, leichten Percussions und Dittos mächtiger Soul-Stimme. In «Don’t Be Afraid» wiederum kommt die Dominanz der Sängerin zwischen 80er-Keyboard-Einsprengseln eindrucksvoll zum Vorschein.

«Einfach Tschüss»
Seit ihrer Teenager-Zeit im US-Bundesstaat Arkansas kennen sich Ditto und Howdeshell. Vor 25 Jahren formiert sich die Band, zu der später Drummerin Hannah Blilie stösst. Die ersten Alben sind von Garage-Rock und Riot-Punk geprägt. Im Jahr 2006 beginnt mit der dritten Platte «Standing in the Way of Control» der Aufstieg auf der Karriereleiter. Vor allem in Europa spielen Gossip ihre wilden Konzerte bald in grösseren Hallen.


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Die heute 43-jährige Frontfrau wird mit ihrer Coolness zur Ikone der LGBTIQ-Community. Bis heute hat die Band nach Angaben ihres Labels weltweit mehr als 10 Millionen Platten verkauft.

2016 wird die Trennung publik. «Es gab keinen grossen Krach. Am Ende haben wir einfach Tschüss gesagt, das Leben geht weiter», sagt die Sängerin damals. Kein Drama also.

Es gab keinen grossen Krach. Am Ende haben wir einfach Tschüss gesagt, das Leben geht weiter

Und jetzt einfach wieder «Hallo»? «Irgendwie schon», sagt Ditto in Berlin. «Es gab kein Zögern, besonders nicht zwischen mir und Nathan.» In guten Beziehungen werde verstanden, dass der oder die andere Freiheiten brauche, und dass man nicht mehr dieselbe Person sei wie 13 Jahre zuvor. «In Gossip steckt eine Schlichtheit, die ich einfach liebe», sagt sie. «Es wird nicht viel über unsere Ziele gesprochen oder darüber, was wir wollen oder was wir nicht wollen. Es passiert einfach.»

Ditto sagt in Berlin aber auch: «Es ist wirklich toll, allein zu sein.» Daheim in Portland wolle sie «einfach Ruhe haben, Musik hören und sich Zeit nehmen, etwas zu lesen».

Fletcher: «Es gibt nichts Radikaleres, als du selbst zu sein». Die queere US-Sängerin spielt mehrere Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. MANNSCHAFT+ hat mit ihr gesprochen


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