Zum Selbstschutz: Queers in den USA kaufen Waffen

«Wenn ich mich nicht selbst beschütze, wer tut es dann?»

Symbolbild
Symbolbild (Bild: Semanita, Adobe Stock)

Vor dem Amtsantritt von Donald Trump verzeichnen Waffenclubs viele Neueintritte aus dem links-liberalen und queeren Lager. Treiber ist die Angst, die die LGBTIQ-feindliche Rhetorik der neuen US-Regierung bei vielen Mitgliedern der Community auslöst.

Am Boden steht eine Trinkflasche mit rosaroten Regenbogen-Herzen und einem «Protect trans Kids»-Aufkleber inmitten von leeren Patronenhülsen. Sie gehört einer trans Frau, nennen wir sie Ariane, die in einem Artikel der Oakland Press porträtiert wird. Aus Sicherheitsgründen will sie nicht ihren richtigen Namen preisgeben oder sich fotografieren lassen. Ariane ist eine von vielen queeren Personen, die sich seit dem Wahlsieg von Donald Trump eine Waffe gekauft haben und sich am Schiessstand damit vertraut machen.

Ariane, 24 Jahre alt und wohnhaft in Philadelphia, beschreibt ihren Weg zur ersten eigenen Waffe als eine Konsequenz aus der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Monate. «Drei Monate vor der Wahl begannen bei mir die Alarmglocken zu läuten», erzählt sie gegenüber The Oakland Press. Der landesweite Diskurs habe sich zunehmend gegen Menschen wie sie gerichtet, insbesondere durch Millioneninvestitionen in TV-Werbung, die trans Personen als Bedrohung darstellten (MANNSCHAFT berichtete). Als Reaktion entschied sie sich, eine «Ruger Security-380»-Pistole zu kaufen und einen Waffenschein zu beantragen.

Obwohl Ariane nicht vorhat, ihre Waffe täglich mit sich zu führen, fühlt sie sich mit der Option besser vorbereitet. «Bewaffnete Minderheiten sind schwerer rechtlich zu unterdrücken», sagt sie. Das Schiesstraining gibt ihr ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit – besonders in einer Zeit, in der Hassverbrechen und politische Unsicherheit zunehmen.

Zunehmender Zulauf bei queeren Waffengruppen Ariane ist nicht allein. Seit der Wiederwahl Donald Trumps registrieren links-liberale Waffenvereinigungen wie der «Liberal Gun Club» oder die «Pink Pistols» landesweit steigende Mitgliederzahlen. Die Nachfrage nach Kursen für Waffensicherheit und Schiessübungen ist so hoch, dass vielerorts zusätzliche Schulungen angeboten werden müssen. Auch die lokale «Socialist Rifle Association (SRA)» berichtet von einem starken Mitgliederzuwachs. «Es gibt definitiv ein Gefühl unter vielen LGBTIQ-Individuen: Wenn ich mich nicht selbst schütze, wer tut es dann?», sagt Madeline Shearman, eine trans Frau aus Glen Mills und Leiterin einer queeren Waffen-Selbsthilfegruppe.

Diese Entwicklung spiegelt sich jedoch nicht in den allgemeinen Waffenkäufen wider: Laut Zahlen der Pennsylvania State Police sanken die registrierten Waffenverkäufe 2024 im Bundesstaat um rund ein Drittel im Vergleich zum Rekordjahr 2020. Die steigende Zahl an queeren Waffenbesitzer*innen bleibt damit ein Nischenphänomen, doch sie zeigt einen klaren Trend hin zu einer diverseren Waffenkultur in den USA.

Politische und gesellschaftliche Auslöser Laut David Yamane, Soziologe und Autor des Buches «Gun Curious», hat sich die amerikanische Waffenkultur in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Während früher Jagd und Sport im Vordergrund standen, dominiert heute der Fokus auf Selbstverteidigung. Besonders 2020, geprägt von sozialer Unsicherheit und Unruhen, war ein Wendepunkt: «In solchen Zeiten wenden sich viele Menschen Waffen zu, um ein Gefühl von Sicherheit zurückzugewinnen», erklärt Yamane. Minderheiten hätten dabei die höchste Wachstumsrate bei den Neuanschaffungen verzeichnet.

Besondere Ereignisse wie das Massaker im Pulse-Nachtclub 2016, bei dem 49 Menschen in einer queeren Bar erschossen wurden, oder jüngste rechtliche Einschränkungen für trans Personen in konservativen Bundesstaaten haben das Sicherheitsbedürfnis vieler weiter verstärkt. Die Gründung der «Pink Pistols» im Jahr 2000, inspiriert durch einen Essay des Journalisten Jonathan Rauch, war ein früher Vorbote dieser Entwicklung. «Bewaffnete Schwule werden nicht verprügelt», lautet ihr Motto.

Kritische Stimmen und Sicherheitsbedenken Die steigende Bewaffnung in marginalisierten Communitys wird jedoch nicht nur begrüsst. Studien belegen, dass eine erhöhte Verbreitung von Schusswaffen auch mit mehr Schussverletzungen, Suiziden und tödlichen Unfällen zusammenhängt. Organisationen wie die SRA setzen deshalb auf eine intensive Schulung ihrer Mitglieder. Neben rechtlichen und praktischen Grundlagen betonen sie psychische Gesundheitsaspekte. «85 Prozent aller Suizidversuche mit Schusswaffen enden tödlich», warnt ein SRA-Trainer. «Deshalb ist es essenziell, sich der Verantwortung bewusst zu sein.»

Mehr: «Y.M.C.A» – Von der LGBTIQ-Hymne zum Trump-Song: (MANNSCHAFT berichtete)

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