Lustvolle Zeitreise: 50 Jahre «Playgirl»

Sogar Donald Trump kommt in diesem neuen «schwulen» Jubiläumsbuch vor – als «Traummann» der 90er Jahre

Ausschnitt des Covers von «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Ausschnitt des Covers von «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Mit etwas Verspätung hat Playgirl die «Official History of a Cult Magazine» zum 50-jährigen Jubiläum herausgegeben. Dabei wird in verschiedenen Essays besonders die Bedeutung des Blatts für die schwule Kultur hervorgehoben.

Eigentlich ist Playgirl als so was wie eine feministische Antwort auf Hugh Hefners Playboy-Magazin gedacht gewesen, als es 1973 in Los Angeles erstmals erschien. Der Nachtclubbesitzer Douglas Lambert wollte der emanzipierten und sexuell befreiten Frau von damals ein Heft zur Hand geben, wo in den Centerfolds nackte Männer zur erotischen Stimulierung von weiblichen Leser*innen gezeigt wurden und wo in Werbungen (für Modeaccessoires usw.) sowie in Artikeln ein neues Lebensgefühl zelebriert wurde, z. B. mit einem «User-Friendly Guide to the Penis» mit der Überschrift «Handle with Care», also «mit Vorsicht behandeln». Unterüberschriften in diesem Ratgeber*innen-Essay lauten «Word of Mouth», «Talk It Up» und «Hop On Pop».

Inhaltsverzeichnis von «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Inhaltsverzeichnis von «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Temperamentvolles Korrektiv

Ausserdem gaben viele prominente Frauen Playgirl im Laufe der Jahr Interviews, in denen sie dieses neue Lebensgefühl ausdrückten, zu nennen sind hier u. a. Grace Jones, Dolly Parton, Cher, Bette Midler, Jane Fonda oder Gloria Steinem, die Paradefeministin der 70er.

In seinem Vorwort schreibt denn auch der Kultregisseur Bruce LaBruce, Playgirl sei «das temperamentvolle Korrektiv zu den grossbusigen Grosskampfschiffen Playboy und Penthouse, deren unverhältnismässige Popularität implizierte, dass nur Männer Befriedigung finden könnten, wenn sie sich nackte menschliche Formen anschauen». In Playgirl bekamen «Feministinnen endlich ihr eigenes Stück vom Kuchen ab – und konnten es auch essen», metaphorisch gesprochen, so LaBruce.

Seite aus «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Seite mit historischer Fotokollage in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: ‎ Abrams & Chronicle Books)

Raus aus der Schmuddelecke

Im Magazin wurden Männer zu Lustobjekten, die man zum eigenen Vergnügen anschauen und vergleichen durfte, um sie danach wegzuwerfen , wenn einen die «Fleischware» langweilte. Das war – in dieser Offenheit – damals neu.

Und natürlich war das auch für Männer-die-Männer-begehren neu, dies alles so inszeniert zu sehen. Noch dazu, weil die Playgirl-Hefte damals in jedem US-Supermarkt vorn an der Kasse auslagen, nicht wie die nach 1969 in den USA ebenfalls üppig spriessenden schwulen Pornomagazine in der Schmuddelecke von Zeitschriftenständen mit Altersbeschränkung («ab 21»).

Männermodel aus den 70er Jahren in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Männermodel aus den 70er Jahren in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: ‎ Abrams & Chronicle Books)

Cowboys-Obsession für die Ewigkeit

So erreichte das Blatt von Anfang an eine grosse Menge von schwulen bzw. bisexuellen Leser, für die Playgirl die erste Begegnung mit einer «anderen» Welt war. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch gut, wie er mit zirka 13 Jahren in einem Supermarkt in Honolulu ein Playgirl-Sonderheft mit Cowboys rumliegen sah, heimlich darin blätterte und seine vorher eher vage Lust an Männern plötzlich sehr konkrete Gestalt annahm, die (erschreckenderweise) bis heute sein Leben prägt.

Nachgeborene können sich das vermutlich schwer vorstellen, aber damals – also in den 1970er Jahren – gab es kein Internet, wo man derartige Bilder von Männern einfach so bei Pornhub oder X oder Instagram finden konnte.

Anzeige aus den 70er Jahren in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Zigarettenwerbung aus den 70er Jahren in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Pornographie ohne Scham

Auch der schwule Bruce LaBruce beschreibt in einem Vorwort, wie Playgirl ihn als Teenager in den 70ern in den Bann zog. Und zur Pornographie brachte, ohne Scham.

Denn er hatte in einem Playgirl-Interview mit der Feministin Sandra Bernhard gelesen: «Pornographie ist eine absolute Notwendigkeit. Ich verurteile sie in keinster Weise. Vielmehr unterstütze ich sie aktiv. Ich betrachte Pornos als gesund, sie helfen vielen Menschen, mit ihrer Sexualität zurecht zu kommen.» Darauf antwortet LaBruce heute: «Halleluja!»

Cover vom November 1974 mit dem Schauspieler Philip Avalon als Centerfold
Cover vom November 1974 mit dem Schauspieler Philip Avalon als Centerfold (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Werbung für schwule Kundschaft

Gleich nach diesem Vorwort findet sich ein Text von Daniel McKernan, der beschreibt, wie er als «Gay Video Editor» zu Playgirl kam – inzwischen sind wir fast 25 Jahre weiter in der Geschichte des Magazins. Es ist faszinierend zu lesen, wie damals ein offiziell «For Women» gemachtes Heft mit eigenem TV-Kanal hinter den Kulissen von fast ausschliesslich schwulen Männern gestaltet wurde. Genau wie in Playgirl viele Models aus dem Bereich des Schwulenpornos gezeigt wurden – als «Männer des Monats» für Frauen. Was in Einzelfällen für Schlagzeilen sorgte, als «aufflog», dass diese Models gar nicht hetero und an Frauen interessiert waren. Was wiederum eine super Werbung für die schwule Kundschaft war.

Sexratgeber-Seite nachgedruckt in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Sexratgeber-Seite nachgedruckt in «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: ‎ Abrams & Chronicle Books)

Nach zwei weiteren Texten von Frauen (Chefredakteurin Nicole Caldwell, die von 2006 bis 2016 das Blatt leitete, und von Michelle Zipp, Chefredakteurin von 2000 bis 2005), äussert sich der Schriftsteller Mickey Boardman zum Thema «Playgirl Made Me Gay». Seine Supermarktgeschichte in Chicago ist sehr ähnlich wie die des Autors dieses Artikels in Honolulu. Boardman meint: «Für einen pubertären Schwulen-im-Reifungsprozess wie mich war Playgirl ein Gottesgeschenk. Es bot mir die Sexyness, die ich ersehnte, auf eine vorurteilsfreie Weise, plus so viel mehr.»

Amerikanisches Lebensgefühl

Das «so viel mehr» ist ein ausgesprochen amerikanisches Lebensgefühl, das sich in Outfits, Interieurs, aber auch Körperidealen spiegelt. Somit ist das nun vorliegende Coffeetable-Buch von knapp 240 Seiten auch eine Zeitreise. Diejenigen, die alt genug sind, sich zu erinnern, werden bei vielen Bildern nostalgisch schmunzeln. Auch beim Verfolgen der Veränderungen in der Körperästhetik in den 80ern und 90er Jahren.

Werbung für «Playgirl» aus den 70er Jahren
Werbung für «Playgirl» aus den 70er Jahren (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Die Herausgeber*innen haben sich entschlossen, fast ausschliesslich Originalseiten zu zeigen, was dem Ganzen einen starken Vintage-Touch gibt. Auch, weil die diversen Layouts jeweils Spiegel der Zeitgeschmäcker sind.

«Sleep With Donald Trump!»

Zwischendurch findet man Dinge, die verblüffen. Auch verstören. So gab es etwa 1990 einen annoncierten Wettbewerb mit der Überschrift «Sleep With Donald Trump!». Teilnehmerinnen wurde dabei die Möglichkeit geboten, mit dem «Mann ihrer Träume» im Bett zu landen. Trump wird dabei angepriesen als «gross, gutaussehend, demnächst geschieden und reich jenseits unserer Vorstellungskraft»: «Mit jeder Bewegung macht er Schlagzeilen – auch mit seinen Bewegungen im Schlafzimmer. Eine Frau meinte, sie habe mit ihm den besten Sex ihres Lebens gehabt.» Was die Teilnehmer*innen des Wettbewerbs wohl heute zu solch einer Aktion sagen würden?

Wettbewerb, der eine Nacht mit Donald Trump als Gewinn verspricht, 1990t
Wettbewerb, der eine Nacht mit Donald Trump als Gewinn verspricht, 1990 (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Es gibt im Buch auch eine Sektion mit Cartoons/gezeichneten Witzen von damals, die oft immer noch zünden. Und nichts von ihrem Biss eingebüsst haben, wenn man politisch unkorrekten Humor mag.

Markenname

Im letzten Kapitel geht es um «Playgirl Today». Man erfährt, dass das Magazin im Februar 2022 ein Revival erlebt hat (MANNSCHAFT berichtete) und seit März 2024 als digitale Version neu verfügbar ist. Wiederum mit einem «Man of the Month», ausserdem mit Reportagen und Interviews; bislang nicht ganz so mit Stars garniert wie einst, aber … in diese Richtung zielend. Wobei es heutzutage nicht wirklich eine Plattform wie Playgirl braucht, um nackte Männermodels zu bestaunen. Die kann man überall finden. In weit expliziteren Posen. Aber die Aura des Magazins ist nach wie vor da, der Markenname zieht immer noch. Und man darf gespannt sein, was die neuen Besitzer*innen sich für die Zukunft ausdenken werden.

Im Kapitel 13 erfährt man nicht, wer Playgirl 2022 gekauft hat. Dass es jemand aus der schwulen Pornowelt ist, wie MANNSCHAFT aus Insider*innengesprächen erfuhr, passt da gut ins Bild. Es erklärt auch die so überdeutliche Betonung der «schwulen» Seite in dieser «Official History».

Der irische Folk-Musiker Fiachra, der 2023 auf dem digitalen Playgirl-Cover zu sehen war
Der irische Folk-Musiker Fiachra, der 2023 auf dem digitalen Playgirl-Cover zu sehen war (Bild: Abrams & Chronicle Books)

«Community-Standards»

Ob sich jüngeren Leser*innen der Impact von einst vermittelt, bleibt ein Fragezeichen. Auf alle Fälle ist dieses Buch eine Dokumentation, die beweist, dass der Ansatz von Playgirl nach wie vor für einige Moralhüter*innen zu viel ist. Bei Facebook werden alle Online-Artikel mit der Playgirl-URL sofort gelöscht als «Verstoss gegen Community-Standards», anderswo (Amazon usw.) liegt eine Art «Shadow Ban» über allem, was mit Playgirl zu tun hat. Als müsste man Frauen im Jahr 2024 vor zu viel selbstbestimmter Lust schützen – und Männer begehrende Männer erst recht. Das es eine derartige Rolle rückwärts zu verzeichnen gibt, hätte die Playgirl-Macher*innen von 1973 sicher erstaunt. Vermutlich hätten sie’s für gänzlich unmöglich gehalten.

Auf jeden Fall ist diese «Official History of a Cult Magazine» die perfekte Vorlage für eine Doku. Vielleicht findet ja bei Netflix jemand Gefallen an der Idee?

Das neue Buch «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine»
Das neue Buch «Playgirl: The Official History of a Cult Magazine» (Bild: Abrams & Chronicle Books)

Die Plattform Pornhub hat ihre Datenstatistik «Year in Review» für 2024 veröffentlicht, mit einer Sonderrubrik für «Pornhub Gay»: mit den beliebtesten Stars und Schlagworten (MANNSCHAFT berichtete).

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