Trans Fernsehrätin Felizia Möhle: «Lasse mich nicht unterkriegen»
Von Hasskommentaren lässt sich die Thüringerin nicht aus der Bahn werfen
Trans Frau Felizia Möhle vertritt die queere Community im Fernsehrat. Dabei hat sie einige Ansätze für Veränderungen – und lässt sich von Hasskommentaren nicht abschrecken.
«Aufregend» – das Wort fällt immer wieder, wenn Felizia Möhle von ihrer neuen Aufgabe spricht. Seit Juli vertritt sie die queere Community im Fernsehrat, hat als Vorsitzende des Vereins QueerWeg den für Thüringen bestimmten Sitz für den «Bereich LSBTTIQ» eingenommen und die Nachfolger von Luca Renner angetreten. «Ich bin gespannt was sich verändern und positiv beeinflussen lässt.»
Dabei waren die ersten Tage erst einmal von Organisatorischem gezeichnet. Wie sind die bestehenden Strukturen, wer ist für was verantwortlich, wo lässt es sich ansetzen? Doch trotz der nötigen Eingewöhnung, hat Möhle bereits einige Ideen für die bevorstehenden vier Jahre ihrer Amtsperiode. «In erster Linie vertrete ich die queere Community und da möchte ich die Entwicklung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, weitertragen», erklärt die Erfurterin. «Da geht es darum, dass queere Menschen nicht stereotyp dargestellt werden, dass sie öfter gezeigt werden und dass das Fernsehen als Spiegel der Gesellschaft fungiert.»
Fernab der gängigen Klischees, der Eintönigkeit und des Schwarz-Weiss-Denkens sollen keine aufgesetzten Geschichten erzählt, sondern Nähe aufgebaut werden. «Wir sind keine fremde Gruppe, sondern zehn Prozent der Bevölkerung», betont Möhle, deren Ansätze sich nicht nur auf das lineare Fernsehen beschränken. «Ich bin mit dem Internet aufgewachsen und fühle mich von dem normalen Programm nicht angesprochen. Meine Generation schaut Sachen online. Da müssen wir ansetzen.»
Der 24-Jährigen ist es wichtig, dass die Resonanz der öffentlich-rechtlichen Produktionen mehr junge Menschen trifft, dass Partnerprogramme wie Funk weiterausgebaut werden. «Da gibt es viele gute Formate, die auch Aufklärung betreiben», sagt Möhle. «Aber die werden oft von der rechten Seite beschossen. In dem Zusammenhang müssen wir uns genauso mit Fakenews auseinandersetzen. Da sehe ich einen Auftrag fürs ZDF, dort mehr zu interagieren und in den neuen Medien die unabhängige Berichterstattung zu stärken.»
Möhle selbst wurde kurz nach ihrem Amtseintritt mit Hassnachrichten angegriffen und hatte mit einer Hetzkampagne zu kämpfen. «Da wurde ein Beitrag über mich erstellt auf der Plattform, die von einer rechten Person der CSU angeleitet wird. Über 80’000 Menschen haben das gesehen, Tausende haben es kommentiert – oft stark queer- und transfeindlich», berichtet die Studentin der Staatswissenschaften. «Ich habe da eine dicke Haut, aber das wird sicher nicht das letzte Mal passiert sein. Doch ich lasse mich nicht unterkriegen.»
Ich versuche, den Hass nicht so sehr an mich heranzulassen und bin da sehr selbstbewusst. Da habe ich die letzten zwei Jahre viel dazu gelernt
Einschüchtern lassen will sich Möhle nicht. Sie postete den Fall im Internet, nutzte ihre Plattform und baut auf die Regulationsmechanismen der Community. «Menschen die hinter mir stehen, haben mich unterstützt, haben den Beitrag positiv kommentiert und mir Rückendeckung gegeben», sagt Möhle. «Ich versuche, den Hass nicht so sehr an mich heranzulassen und bin da sehr selbstbewusst. Da habe ich die letzten zwei Jahre viel dazu gelernt.»
Für Felizia Möhle ist es wichtig, auf den Hass zu reagieren, ohne den Rechten zu viel Raum zu geben. Wie im Privaten möchte sie sich auf das Positive konzentrieren. Darauf, dass sie ihren Weg für sich erfolgreich geht.
So postete sie jüngst bei Instagram eine Bilderzusammenstellung, die ihre Transition zeigt. «Vor mittlerweile drei Jahren bin ich auf einer Reise zu mir selbst aufgebrochen. Danke an die Menschen, die mich dabei begleitet haben», schrieb Möhle dazu, die mit in Kraft treten des Selbstbestimmungsgesetzes auch endlich eine weitere Etappe auf ihrem Weg erklimmen kann, wenn ihr die neue Regelung erlaubt, ihren selbstgewählten Namen offiziell anzunehmen. Insofern ist ihre Aufgabe als Fernsehrätin auch eine, die sie persönlich betrifft, wenn sie für mehr Respekt und Gleichstellung der queeren Gemeinschaft in der Gesellschaft aufruft.
Insgesamt 60 Mitglieder gehören dem Fernsehrat an, aktuell 45 Frauen und 15 Männer. 18 Personen werden dabei von Ländern und dem Bund als Vertreter*innen bestellt, die übrigen Plätze werden aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einberufen, aus Kirchen, Gewerkschaften, Naturschutzverbänden, dem Sport etc.
Dass Thüringen dabei seinen Platz den Queers widmet, ist für Möhle nicht unbedeutend. «Thüringen ist nicht Berlin. Wir haben hier mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, haben kaum Fördermittel und müssen als queere Vereine um unsere Existenz bangen», erklärt die 24-Jährige. Dazu kommt das politische Klima: «Ich nehme aufgrund des bestehenden Rechtsrucks eine grosse Sorgen der Community wahr. 30 Prozent haben bei der Europawahl die AfD gewählt, das heisst 30 Prozent sind bereit, eine Partei zu unterstützen, die queere Menschen nicht haben möchte.»
«Das sorgt für Angst. Das schürt die Gedanken, aus dem Bundesland wegzuziehen, irgendwohin, wo Queers weniger auf der Strasse bedrängt werden», führt Möhle weiter aus. «Wir haben hier mit Mario K. auch den Fall, dass eine queere Person umgebracht wurde. Und die Strukturen bei Polizei und Verwaltung sind nicht so, dass ein klarer Fokus draufgelegt wird, dass sich daran bald etwas ändert.» Erst seit zwei Jahren wird beispielsweise in Thüringen zwischen politisch motivierten und queerfeindlichen Taten unterschieden.
Gewinnt die AfD bei der Landtagswahl am 1. September könnte das unterdessen auch für die queere Vertretung im Fernsehrat folgen haben. Denn an sich war diese zunächst so nicht vorgesehen (MANNSCHAFT berichtete) und wurde nur geschaffen, weil Thüringen sich von der Community angeleitet vor acht Jahren entschied, seine Abstellung für die LGBTIQ zu nutzen. «Die grösste Partei hat das Vorschlagsrecht für den Platz beim ZDF, für den Verein, der Thüringen dort vertritt», erklärt Möhle. «Selbst wenn es dabei bleibt, dass Thüringen weiter die queere Repräsentanz übernimmt, wäre es denkbar, dass die AfD einen queeren Verein gründet, diesen vorschlägt und das System so unterwandert.» Soweit möchte es Felizia Möhle nicht kommen lassen.
Kurz nach den rechtsextremen Protesten gegen den CSD in Bautzen reisen Neonazis auch in Leipzig an. Der Aufmarsch der Rechten misslingt. Trotzdem bleiben Hetze und Gewalt ein Gefahr für Pride-Veranstaltungen in Ostdeutschland (MANNSCHAFT berichtete).
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