Wie geht es Queers an Schulen in Thüringen und Sachsen?
Zwei Vertrauenspersonen berichten aus dem Alltag
Im Schulalltag in Sachsen und Thüringen macht sich queerfeindliche Stimmung immer mehr bemerkbar. Ein Lehrer und ein Mitarbeiter in einem Antidiskriminierungsprojekt berichten.
«Die Schule ist ja nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensort», sagt Marcus Heyn, Vertrauenslehrer an einer Weimarer Schule in Thüringen. Er bekommt in seinem Alltag tagtäglich mit, wie Schüler*innen miteinander umgehen. Er sieht und hört, wie die zunehmend queerfeindlicher gewordene gesellschaftliche Stimmung auch in den Schulalltag durchschlägt.
Wie es mit dem Schutz queerer Menschen insbesondere auch an Schulen künftig weitergehen wird, darüber werden die Landtagwahlen am kommenden Sonntag mitentscheiden. Die Aussichten sind jedoch für queerfreundliche Politik eher düster. Denn AfD und das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) dürften mit starken Stimmenzuwächsen rechnen. Und mit diverser Politik sind beide nun wirklich nicht aufgefallen.
So hatte etwa die AfD im letzten Jahr eine Plakatkampagne gegen die Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im sächsischen Schulunterricht gestartet, wie der Bundesverband Queere Bildung berichtete. In Thüringen unterstützen nach Informationen des MDR AfD und CDU Anfang dieses Jahres gemeinsam einen Antrag, der sich für ein Verbot des Gebrauchs gendergerechter Sprache an Schulen einsetzt. In Sachsen ist das «Gender-Verbot» bereits umgesetzt. Und Sahra Wagenknecht äusserte sich ebenfalls wiederholt queerfeindlich. So nannte sie etwa trans Menschen eine «radikale Minderheit».
Dass dieses veränderte gesellschaftliche Stimmungsbild mittlerweile auch in den Schulen spürbar geworden ist, davon kann der Lehrer Marcus Heyn einiges berichten. «Bis vor einigen Jahren habe ich es so wahrgenommen, dass die Offenheit in der Gesellschaft zugenommen hat», sagt er. Manchmal seien queere Themen gar «cool» geworden für manche Schüler*innen. Einzelne fingen an, sich ganz bewusst nicht-binär zu kleiden, oder beschäftigten sich mit queeren Themen oder Begrifflichkeiten.
Doch «queerfeindliche Einstellungen sind in letzter Zeit wieder salonfähiger geworden», sagt der Weimarer Vertrauenslehrer. So sei etwa der Begriff «Schwuchtel» wieder öfter auf dem Schulhof zu hören. Oder es sei zu beobachten, das nicht-binäre Schüler*innen angepöbelt würden.
Der Umgang mit dieser Situation sei für das pädagogische Personal dann auch alles andere als einfach. Wenn etwa Schüler*innen durch Instagram und TikTok Informationen bekämen, blieben diese oft unhinterfragt so stehen, berichtet Heyn aus seinem Schulalltag. Vor allem die AfD habe dabei eine hohe Präsenz. «Sie tun dabei so, als wären sie feinbürgerlich und als wäre das quasi auf Grundlage von demokratischen Normen und Werten, was es aber nicht ist», sagt Heyn.
Immer wieder komme es zu Konflikten im Schulalltag, die einen queerfeindlichen Hintergrund hätten. So habe seine Weimarer Schule seit mehreren Jahren eine genderneutrale Toilette, sagt Marcus Heyn. Diese werde aber immer wieder aus der Schülerschaft und von Eltern lächerlich gemacht.
Daneben gäbe es auch viele Fälle von verbaler, sexueller Gewalt und von Nichtakzeptanz von bestimmten queeren Themen. Auch er selbst habe diese Ablehnung schon einmal zu spüren bekommen, sagt der Weimarer Geschichtslehrer: «Als ich einmal Plakate zu sexueller Vielfalt aufgehängt habe, waren die eine Woche später runtergerupft.»
In solchen Situationen rechtzeitig einzugreifen und zu vermitteln, sei jedoch für ihn als Lehrer, wie für seine Kolleg*innen, eine Herausforderung. Denn als Pädagog*in nehme man solche Auseinandersetzungen meist erst dann wahr, wenn sie bereits eskaliert seien, sagt Heyn. «Dann merkt man oft, dass die Atmosphäre unter der Oberfläche tatsächlich doch queerfeindlicher ist, als man sich das zunächst vorgestellt hat».
Doch nicht nur für Lehrer*innen und Schüler*innen in den Schulen hat sich die Situation offenbar verschlechtert. Auch für Ehrenamtliche, die für Workshops tageweise anreisen gilt dies. Dies berichtet Adam Williams, Mitarbeiter der RosaLinde Leipzig, und dort zuständig für das Projekt Schule der Vielfalt Sachsen. Personen, die an sächsischen Schulen Workshops durchführten, seien zuletzt immer stärker mit Ablehnung und queerfeindlichen Aussagen belegt worden, sagt er. Dies stelle für die Ehrenamtlichen eine psychische Belastung dar, manche würden nur noch unter Pseudonym in die Schulen gehen.
Als Ansprechpartner bei der RosaLinde Leipzig für Lehrer*innen und Schüler*innen bekomme er immer wieder mit, wie gross der Druck in manchen Schulen sei. Er kenne mehrere Personen, sagt Adam Williams, die sich nicht trauen würden, sich zu outen oder bei dem Projekt Schule der Vielfalt mitzumachen. Es gäbe auch Schulen in Sachsen, die daran zwar teilnähmen, aber das dazugehörige Schild «Come-In – wir sind offen» lieber im Inneren des Schulgebäudes anbrächten, und nicht gut sichtbar an der Aussenwand.
In den sächsischen ländlichen Raum würden einzelne Ehrenamtliche ohnehin nicht allein fahren, sagt Williams. «Wir überlegen uns sehr genau, ab wann wir uns als queer sichtbar zeigen oder lieber ‹unerkannt› sein möchten.» Auch wenn es bisher nicht zu körperlichen Angriffen gekommen sei, würden sich ehrenamtlich Tätige seit längerem auf gefährliche Situationen vorbereiten.
Dieses Stadt-Land-Gefälle, wenn es um Offenheit für queere Antidiskriminierungsarbeit geht, nimmt auch Marcus Heyn in Thüringen wahr. So kämen Anmeldungen für Workshops bei Initiativen, die entsprechende Seminare anbieten, eher aus dem Umfeld der grösseren Städte wie Thüringens Erfurt, Jena und Weimar, beklagt Heyn. Aus dem ländlichen Raum gäbe es nur selten Anfragen. Auch ein Methodenkoffer – der Regenbogenkoffer -, den verschiedene queere Initiativen erarbeitet hätten, würde nur selten ausgeliehen. Damit sei queere Vielfalt aber, so Marcus Heyn, der auch in der Antidiskriminierungsinitiative pro familia aktiv ist, oft nicht Bestandteil der Lebensrealität in der Schule – obwohl es doch innerhalb der Schüler*innenschaft gelebter Alltag sei.
Die Gründe, dass immer noch zu wenig Antidiskriminierungsarbeit an Schulen stattfinde, sind dabei recht vielfältig. Neben dem Druck von aussen und fehlender Sensibilität, geht es aber oft auch einfach auch um mangelnde Ressourcen. So jedenfalls erlebt Marcus Heyn die Situation in Thüringen, der sich neben seiner Lehrertätigkeit auch im Landesausschuss Diversity der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) einsetzt. Es liege vor allem an der schwachen Personalausstattung und den Prioritäten, die gesetzt würden, sagt er. «In den Schulen ist es wichtiger, zunächst den Regelunterricht durchzuführen.» So fänden queere Antidiskriminierungsprojekte oftmals nur dann statt, «wenn man am Ende noch Zeit dafür hat».
Für die Zukunft seines Bundeslandes Thüringen wünscht sich Marcus Heyn mehr Aufklärungskampagnen und besseren Zugang zu sexueller Bildung. Queere Projekte, Zentren und Beratungsstellen müssten die Möglichkeit haben, weiter zu existieren, sagt er gerade im Vorfeld der Wahl am kommenden Sonntag. «Es muss weiter Möglichkeiten geben, auch queeren Kindern und Jugendlichen Schutz und Sicherheit zu bieten – gerade auch in der Schule.»
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