Tarik Tesfu: «Queerer Glamour hat auch etwas krass Politisches»
Wie passen linker Queeraktivismus, Antikapitalismus und Glamour zusammenpassen?
Der «It-Boy» (wie er sich selbst bezeichnet) moderiert die neue NDR-Reihe «A Glamorous Takeover», ein Format, wo man queere Artists kennenlernt, die mit ihrer Kunst die Kulturwelt aufrütteln (MANNSCHAFT berichtete). Aber was bedeutet für Tesfu das teils umstrittene Wort «queer»?
MANNSCHAFT sprach mit dem Moderator und Podcaster, als er gerade vom Sport kam. Er erzählt, wieso er den Begriff «schwul» für sich nicht verwenden will, warum besonders weisse Frauen krasse Ansprüche an ihn stellen und wie er gelernt hat, mit seinen eigenen Widersprüchen umzugehen. Ausserdem zieht er eine queerpolitische Bilanz fürs Jahr 2022.
Wie passt Queer und Glamour eigentlich zusammen: Sind das nicht zwei gegensätzliche Welten, die einander ausschliessen? Also ich persönlich finde, dass Queer und Glamour ganz wunderbar zusammenpassen, denn ich würde mich selbst als queer und als glamourös bezeichnen. Ich glaube aber nicht, dass Queersein automatisch Glamour bedeuten muss. Wenn man sich queere Geschichte anschaut, sieht man viele Räume, die sich queere Menschen erkämpft haben, oft im Nachtleben. Und das Nachtleben ist automatisch glamourös.
Wenn ich an die Voguing-Szene denke, an die Drag-Szene, an Kunst im Allgemeinen, Theater, Performances auf der Bühne, Musik … das sind Bereiche, wo queere Menschen schon immer Räume für sich geschaffen haben. Sobald da das Licht ausgeht und der Scheinwerfer an, passiert für mich automatisch Glamour. Dann sieht man Paillette und Make-up, viel Show und Performance. Und das ist für mich auf jeden Fall auch Glamour.
Wer mit queeren Aktivist*innen zu tun hat, hört vielfach die Klage, dass Queers in sehr prekären Situationen leben, weil sie ausgegrenzt werden von der Gesellschaft, weil sie keine Jobs kriegen. Das ist ja quasi das Gegenteil von Glamour. Wenn man mal überlegt, wie beispielsweise die Voguing-Szene entstanden ist in den 70er Jahren, dann ist es genau das. Die Erkenntnis: Hey, wir kommen nicht aufs Cover der Vogue, in bestimmten weissen schwulen Räumen bekommen wir als BPoC, als trans Personen oder als Non-Binarys keine Bühne, also schaffen wir unsere eigene und überinszenieren das, was wir in der Gesellschaft nicht bekommen, auch mit Hilfe von Glamour. Glamour hat dadurch auch etwas krass Politisches, weil man eben sagt: Wenn ihr uns den Glamour vorenthalten wollt, dann schaffen wir uns unsere eigene Glamourwelt, die auch ein Safe Space ist. Eine Welt, die Glamour divers denkt – und ihn für alle zugänglich macht.
Was du beschreibst, ist eine Art von Selbstbehauptungsglamour. Das Elend, das in der Vergangenheit dahintersteckte, auch der verzweifelte Überlebenswille, das thematisierst du in «A Glamorous Takeover» nicht. Ist das Absicht, weil du nur die schöne Seite der queeren Welt zeigen willst? Also, ich glaube, dass wir als Macher*innen den Begriff Glamour als genau das denken: als Empowerment. Natürlich ist das ein anderer Glamour als der, den eine heteronormative Welt für sich claimen würde. Aber es ist trotzdem eine Form von Glamour, und deswegen war es uns wichtig, unsere Sendung «A Glamorous Takeover» zu nennen, weil eben Glamour oft immer noch rein heteronormativ gedacht wird, jedenfalls wenn es um die Leute geht, die tatsächlich von ihrem Glam-Status leben können.
Nichtsdestotrotz wollen wir zeigen, dass der Mainstream schon immer von queerem Glamour beeinflusst war, auch wenn es ein prekärer Glamour ist, der meist erst Jahre später seinen Weg in den Mainstream findet. Unsere NDR-Reihe ist also auch eine Art von Wertschätzung, um zu zeigen: Schaut mal, queerer Glamour war schon immer da; ja, er ist anders, aber trotzdem. Fangt endlich an, ihn genauso fair zu behandeln und zu bezahlen und zu feiern, denn euer Glamour ist von unserem beeinflusst.
Der queere Glamour der Ballroom- bzw. Voguing-Szene ist nicht gut bezahlt bzw. gar nicht bezahlt worden. Ist es eine besondere Qualität von Queers, aus den prekären Umständen etwas «zu machen»? Ich glaube, das ist eine Qualität von allen Gruppen, die von der Gesellschaft einen Platz zugewiesen bekommen, der ihnen nicht gefällt. Viele Menschen schaffen daraus eine krasse Kreativität und auch Mut. Ich beobachte das auch bei Menschen in meinem Umkreis, die schwarz sind, die queer sind, die erleben: «Mir wird eingeredet, dass ich hier nicht hingehöre. Also was mache ich? Ich schaffe mir meine eigenen Räume.»
Ich glaube das ist eine Qualität, die besonders Menschen haben, die diskriminiert werden; nicht alle, aber es gibt immer Vorreiter*innen. Was dann dazu führt, dass Leute wie Madonna oder Beyoncé sich davon beeinflussen lassen. Und ich finde, das muss langsam mal sichtbar werden! Denn ich glaube, wenn es sichtbarer wird, dann schaffen wir es vielleicht, dass gewisse Subkulturen – wenn sie denn überhaupt Lust dazu haben – Teil des Mainstreams werden können und die Credits bekommen, die sie schon immer verdient haben.
Es gibt aber auch queere Leute, die sagen: «Ganz ehrlich, mit diesem Mainstream-Scheiss will ich nichts am Hut haben. Das ist nicht meine Welt!» Das ist auch komplett fine. Ich glaube, es kann weiterhin die Subkulturen geben, die politisch-aktivistisch unterwegs sind. Aber genauso kann es Queers geben, die sagen: «Nee, ich habe so Bock auf Mainstream und Brands und Glamour at its best.» Es gibt da für mich kein richtig oder falsch. Für mich ist das ein grosser Kampf und keiner, der separiert werden sollte.
Viele, die queer-aktivistisch unterwegs sind, verorten sich politisch links und vor allem anti-kapitalistisch, anti-kolonialistisch, anti-rassistisch usw. (MANNSCHAFT berichtete). Wie passt eine anti-kapitalistische, linke politische Haltung zu dem Glamourbegriff, den du beschreibst? Ich glaube, das muss jeder für sich selbst rausfinden. Für mich passt es ganz wunderbar zusammen, weil ich queere Menschen sehen möchte, die bei Prada oder Gucci über den Laufsteg laufen. Ich möchte queere und schwarze Menschen auf riesigen Werbeplakaten sehen.
Dass meine Kapitalismuskritik gewisse Flecken hat, die andere Leute irritiert, ist vollkommen okay. Für einige Menschen ist das ein Widerspruch. Für mich ist aber alles auf der Welt ein Widerspruch. Es gibt keine Gradlinigkeit. Man kann sich fürs Klima einsetzen und trotzdem Pommes mit Currywurst essen.
Trotzdem ist es aber auch richtig, wenn Leute sagen: «Nein, ich will die Pommes-Currywurst nicht!» Ich finde, wir sollten lernen, dass wir alle einen anderen Blick auf die Welt haben. Einige Menschen gehen da in einer vermeintlichen stärkeren Position durch die Welt, weil sie (vermeintlich) konsequenter sind. Ich lebe mit den Widersprüchen, die ich habe.
War das für dich ein Prozess dahin zu kommen? Oh ja, auf jeden Fall. Ich habe ja mal Gender Studies studiert. Das heisst, auch ich war mal ein bisschen strikter mit anderen Menschen und mit Lebenskonzepten, die andere Menschen für sich als gut empfunden haben. Ich habe mich auch mal selbst als «Aktivist» verstanden. Ich bin da aber irgendwann raus, weil ich gemerkt habe, dass es auch ganz schön anstrengend ist, Aktivist*in zu sein. Für mich persönlich hat es sich irgendwann schwer angefühlt, mit den Widersprüchen klarzukommen, wenn ich mich öffentlich als Queer-Aktivist bezeichne. Also habe ich für mich den Titel geändert und bin mittlerweile sehr, sehr froh darüber …
Was ist denn jetzt dein Titel? Offiziell würde ich sagen, ich bin Moderator und Podcaster. Aber natürlich bin ich auch Glam-Minister. Und ich bin natürlich It-Boy. Ich mag all diese albernen Bezeichnungen, um für mich selbst ein bisschen die Ernsthaftigkeit rauszunehmen.
Du sagtest gerade, es sei anstrengend gewesen, Queer-Aktivist zu sein, wegen der Widersprüche. Welche Widersprüche waren anstrengend? Ich fand‘s anstrengend, dass die Leute so krasse Anforderungen an mich hatten. Gerade fremde Leute, die mir auf Instagram oder damals noch auf Facebook gefolgt sind. Die hatten sehr, sehr hohe Ansprüche an mich, weil ich natürlich auch sehr, sehr hohe Ansprüche nach aussen kommuniziert habe.
Du meinst die Ansprüche der Queer-Szene an dich oder Ansprüche von Leuten ausserhalb der Queer-Szene? Sowohl als auch. Die meisten Ansprüche kamen interessanterweise von weissen Personen, im Speziellen von weissen Frauen, wobei ich gar nicht weiss, ob die queer waren oder nicht. Das wenigste kam von Blacks und PoCs, vielleicht weil das für die auch so eine Erfahrung ist von: «Ja, wir wollen auch auf diese verdammten Plakate, lasst uns doch einfach und lasst doch mal die berechtigte Kapitalismuskritik kurz aussen vor!» Von den Queers wurde ich gefragt, gerade wenn es um grosse Marken geht, ob es denn fine sei, mit denen zu kooperieren. Für mich war aber schon immer klar, dass mein Ziel ist, mit grossen Marken zusammenzuarbeiten. Deshalb wollte ich den Leuten ein bisschen den Druck nehmen.
Gerade im Netz ist es schwierig, wenn wildfremde Menschen, mit denen man noch nie ein Wort gesprochen hat, einem vorwerfen, dass man sich verkauft hätte und öffentlich anklagen, was mit meinen Prinzipien passiert sei. Das sind Fragen, die können wir bei einem Glas Chardonnay besprechen, aber doch bitte nicht online, wenn diese Leute überhaupt nicht wissen, warum ich gewisse Dinge tue oder eben nicht. Weil sie mich privat gar nicht kennen.
Das ist dann ja eine Attacke gegen dich als Queer von anderen Queers. Wie geht man damit um, wenn man von Leuten, von denen man glaubt, dass sie auf deiner Seite sind, plötzlich mit einem Shitstorm überzogen wird? Ich muss dazu sagen: ich habe Shitstorm nur aus rechter Ecke bekommen (MANNSCHAFT berichtete). Das kann man überhaupt nicht vergleichen mit dem, was von linken Queers kam. Ich finde auch, dass das in deren Fall keine Hassrede war, es war eher eine Kritik, die in meinen Augen ein bisschen zu weit ging. Aber damit kann ich leben. Ich kann auch damit leben, wenn Leute Fragen haben. Die Frage ist, ob ich diese Fragen via Social Media beantworten muss oder eben nicht. Natürlich verletzt es mehr, wenn einen Leute kritisieren, von denen man denkt: Wir sitzen doch im selben Boot.
Mir zeigt das, dass queere Menschen krass unterschiedlich sind und dass wir kein homogener Brei sind, der zusammen gegen das Patriarchat ankämpft. Damit bin ich auch vollkommen fine. Ich kann das aushalten, und deswegen erwarte ich eben auch von anderen, dass sie meinen Weg respektieren. Jeder Mensch, egal was für ein Geschlecht, egal welche Hautfarbe, egal welche politische Präferenz, sollte für sich entscheiden dürfen, welchen Weg er*sie einschlagen möchte. Das habe ich über die Jahre gelernt. Das heisst im Umkehrschluss, dass auch meine Kritik nicht mehr so intensiv sein kann, denn das, was ich von anderen erwarte, gilt natürlich auch für mich selbst.
Manche verwenden queer als Oberbegriff für LGTBTIQ. Andere als politische Kampfansage. Dahinter stecken jeweils andere gesellschaftliche Erwartungen. Macht es das nicht ein bisschen schwierig, mit einem so vielfältig besetzten Wort wie «queer» umzugehen? Ich finde, das ist der grosse Reiz daran, weil es eben alles und nichts heissen kann, was einem eine gewisse Freiheit gibt. Ich selbst fand den Begriff schwul nicht empowernd genug, weil ich bei schwul ganz schnell bei Schwuchtel bin. Wenn ich zum Beispiel «hetero» durch die Gegend rufe, würde niemand reagieren. Wenn ich «schwul» rufen würde, hätte ich direkt eine Reaktion – und im besten Fall keine gute.
Jeder Mensch, der sagt, der Begriff schwul ist für ihn oder sie genau das Richtige, da kann ich nur sagen: go for it! Für mich war er das nie. Weswegen genau dieses Wort queer für mich besser passt, weil es eben so viel mehr bedeutet. Es beschreibt nicht nur meine Sexualität, sondern auch meine Geschlechtsidentität. Es beschreibt die Art und Weise, wie ich auf die Welt blicke. Es ist auch die Art und Weise, wie ich Feminismus verstehe. Es ist manchmal auch die Art und Weise, wie mich andere Menschen verorten, wenn ich Make-up oder ein Kleid trage. Das heisst, dieses Wort erlaubt mir ziemlich viel. Und das mag ich daran. Aber ich verstehe, wenn Leute sagen: «Um Gottes Willen, ich bin gay, ich bin lesbisch, ich bin keine Ahnung was. Ich brauche diese Unterteilung, weil sie mir Halt gibt.» Mir gibt der Begriff «queer» Freiheit.
Die Queer-Bewegung ist aus der schwul-lesbischen Bewegung hervorgegangen. Es ist vor allem eine Bewegung gegen den Mainstream und jede Form von Normativität. Es ist auch ein Absetzen von der Generation davor. Heisst das, Queersein ist nur für jüngere Leute und alte weisse schwule cis Männer haben «keinen Zutritt»? Jede Person, egal welches Alter, egal welches Geschlecht, soll diesen Begriff für sich benutzen können, wenn sie das will. Die grosse queerfeministische Welle ist ja in den 90er Jahren durch Leute wie Judith Butler ins Rollen gebracht worden. Und Butler ist nicht Generation Z, machen wir uns nichts vor. (lacht) Von daher sollte man auch immer die Menschen feiern, die vor uns kamen und den Weg bereitet haben. Das gilt auch für weisse schwule Männer, die ihren wichtigen Part bei der Etablierung der Queer-Bewegung geleistet haben.
Ich finde, das ist ein gemeinsamer Kampf und den muss man appreciaten. Gerade auch lesbische Frauen, die sich während der Aidskrise um schwule Männer gekümmert haben, als niemand sie anfassen wollte. Das ist immer so schade: Man vergisst solche Gemeinsamkeiten, und dann entstehen Grabenkämpfe. Für mich ist das eine Bewegung mit Menschen, die unterschiedlich sind und nicht immer einer Meinung sein müssen, eine Bewegung, die aber niemals ihr Fundament vergessen darf. Und dieses Fundament ist Solidarität.
Aktuell wird in Deutschland über das Selbstbestimmungsgesetz debattiert. Die Transbewegung ist Teil der Queer-Bewegung, aber trotzdem etwas anderes als die Bewegung der Schwulen und Lesben. Siehst du Verbindungslinien? Es gibt für mich keinen queeren Kampf ohne trans Menschen. Es gibt die Ballroom Culture nicht ohne trans Personen. Es gibt die Stonewall-Aufstände nicht ohne trans Personen. Queersein funktioniert für mich nicht ohne das Mitmachen von trans Personen. Bei mir fällt alles zusammen, wenn ich in feministischen Kontexten Transfeindlichkeit mitbekomme oder auch unter queeren Menschen selbst, wo teils Diskussionen geführt werden, die so heteronormativ sind, dass mir schwindelig wird. Nach dem Motto: «Das sind keine echten Frauen oder das sind keine echten Männer.» Sorry Leute, so was macht mich wütend. Deswegen stellt sich nicht die Frage, ob das Nebenkämpfe sind, für mich ist queere Geschichte immer auch Transgeschichte. Das ist ein Kampf, der zusammengehört.
Du hast mit dem Begriff «Takeover» auch ein politisches Statement gemacht: Es geht dir nicht um die Erweiterung des Spektrums, sondern um die Übernahme. (lacht) Erstmal ist dieser Takeover-Moment eine Wertschätzung, denn Queers haben die Mode- und Kulturszene schon längst übernommen, sie sind Teil von allem. Man muss nur richtig hingucken.
In der Folge mit Distorted Drag Artist*in Hungry fährst du zu seinen Eltern nach Bayern. Und man sieht nicht die glamouröse öffentliche Kunstperson, sondern den Privatmenschen Johannes Jaruraak im Alltag mit den Geschwistern und Eltern. Ich finde, dass das einer der stärksten Momente ist, wo Hungry im bayerischen Dorf landet, bei seiner Familie, und dort zum allerersten Mal in Drag um die Ecke kommt. Weil das auch eine Verletzbarkeit zeigt. Und man merkt, dass da viel, viel mehr passiert als nur Show.
Solche Familienkonfrontationen sind für einige queere Menschen ein sehr sensibler Moment, der manchmal auch weh tut. Und dass Hungry den Mut zeigt, uns da mitzunehmen, ist Beleg für das Konzept von Tristan Ferland Milewski, der auch Regie führt und die ganze Vorarbeit geleistet hat. Ihm ist es zu verdanken, dass Hungry sich sicher genug gefühlt hat, das mit uns zu machen. Das zeigt mal wieder, dass es superwichtig ist, gerade bei solchen Formaten, queere Menschen nicht nur vor die Kamera zu packen, sondern auch im Team zu haben.
Was waren für dich die wichtigsten Dinge, die im Jahr 2022 passiert sind in Bezug auf Queeraktivismus? Als allererstes das Selbstbestimmungsgesetz (MANNSCHAFT berichtete). Das haben wir ja noch nicht. Ich denke mir immer: Ist es jetzt langsam mal da? Und dann google ich und stelle fest, da ist noch nichts passiert. Also ran da, Leute! Wir brauchen zu 100 Prozent dieses Selbstbestimmungsgesetz. Das sogenannte Transsexuellengesetz ist zeitlich falsch, in Gedanken falsch, ist menschlich und moralisch falsch. Let’s move on. Wir brauchen da was Neues, was Besseres.
Das ist noch nicht erreicht, aber dass diese Debatte geführt wird, dass die jetzige Bundesregierung bereit ist, diesen Schritt zu gehen, der so überfällig ist, das ist für mich der grösste Moment, wenn es um queere Rechte 2022 geht. Und ich hoffe, dass dieses Gesetzt 2023 durchgeboxt wird.
Es gibt auch aus der trans Community selbst Kritik an dem geplanten Gesetz. Nicht daran, dass das alte TSG geändert werden soll, sondern zur Frage, wie das neue Gesetzt genau aussehen sollte. Andererseits ist es momentan schwierig, eine ausgewogene Diskussion zu führen, weil schnell Schlagwörter fallen wie «TERF» oder «Nazi». Es wird oft masslos übertrieben und damit jede ernsthafte Diskussion abgeblockt. Würdest du diese Sitation in «A Glamorous Takeover» diskutieren wollen? Ich weiss nicht, ob «A Glamorous Takeover» der richtige Ort ist, um diese Diskussion zu führen, weil es ja kein Talkformat ist. Ich glaube es wäre wichtig, dass die Bundesregierung mehrere Vereine, Institutionen, Aktivist*innen an einen Tisch lädt, wo man gemeinsam diskutieren kann. Ich glaube, es wird niemals das Gesetz geben, das alle zufriedenstellt. Ich glaube, dass es ein Gesetz geben muss (und da sind wir wieder beim Thema Mainstream), das die meisten Menschen zufriedenstellt. Und wir beide sind uns ja einig, dass es das Gesetz, wie es jetzt ist, nicht tut.
Ich wäre schon zufrieden, wenn das neue Gesetz wenigstens 80 Prozent der Maximalforderungen umsetzen würde – und dann können wir im nächsten Schritt überlegen, wie wir die restlichen 20 Prozent noch hinbekommen könnten. Aber ich bin auch nicht trans oder nicht-binär oder inter. Gesetze stellen nie alle Menschen zufrieden, weil wir alle andere Bedürfnisse haben. Ich weiss, dass das nicht zufriedenstellend ist für Menschen, die betroffen sind. Wenn da eine Person wie ich kommt und sagt, 80 Prozent würde ja erstmals reichen … ist das frustrierend. Aber ich glaube, dass das der einzige Weg ist, um vorwärtszukommen.
Was passiert mit «A Glamorous Takeover» 2023? Im besten Fall machen wir 2023 einfach zehn weitere Folgen, kriegen eine richtig fette Staffel, lernen noch mehr tolle Menschen kennen. Alle, die’s geguckt haben, fanden es toll, alle erkennen, dass das neu ist, was da gemacht wurde und dass das Format etwas ist, was die ARD auch braucht. Neue Dinge haben es aber nie leicht. Gerade in Deutschland.
Warum tut sich Deutschland so schwer mit Neuem? Ich glaube, dass Deutschland sich immer noch schwer tut mit politischer Unterhaltung. US-Amerikaner*innen verstehen Unterhaltung viel breiter, und das macht es leichter, im Mainstream zu funktionieren und Leute abzuholen. D.h. es dreht sich viel um die Frage, was ist eigentlich Unterhaltung und was ist politisch? «A Glamorous Takeover» kombiniert genau das. Ich kann mir vorstellen, dass es einige Menschen gibt – auch queere Menschen –, die da an ihre Grenzen kommen und sagen: «Ich will gar nicht glamourös sein!» Da sage ich: Musst du auch nicht. Es ist nur ein Titel, der schön klingt. (lacht) Trotzdem verbirgt sich dahinter ein bisschen mehr. Und da habe ich das Gefühl, dass in Deutschland gleich alle sagen. «Wie kann denn das sein? Das passt nicht zusammen.» Und da finde ich, sind die Amis entspannter.
Die haben ja auch Ryan Murphy und Netflix und Amazon Prime. Da passiert quasi all das, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland nicht passiert. Ja, zu 100 Prozent. Aber vielleicht kommen wir da auch noch mal hin.
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