Serienjunkie: Queere Tipps für den Dezember
Verliebte griechische Fischer, eine Ü40-Version von «Glee» und die Verfilmung eines Skandalromans
Ab sofort wird unser Serienjunkie monatlich über die aktuellen, queeren Neustarts informieren. Der Dezember hat Vielversprechendes zu bieten.
Im Dezember haben es neue Serien tendenziell schwer. Müssen sie doch gegen die nie endende Flut von süsslichen Weihnachtsfilmen bestehen, die im Fernsehen und bei den diversen Streaminganbietern um die Zuschauer*innen buhlen.
Ein paar interessante Neustarts gibt es dennoch, für die es sich sogar lohnen könnte, den einen oder anderen Weihnachtsmarktbesuch sausen zu lassen und es sich stattdessen mit der Wolldecke auf dem heimischen Sofa bequem zu machen.
«Somebody Somewhere»
Ein absoluter Geheimtipp ist etwa die Dramedy-Serie «Somebody Somewhere», deren dritte Staffel vor wenigen Tagen bei Sky/Wow gestartet ist. Die Serie erzählt von Sam (Stand-Up-Comedienne und LGBTIQ-Ally Bridget Everett), die in einem kleinen Kaff in Kansas zu Hause ist.
So richtig reinpassen will sie in dieses Umfeld aber nicht und fühlt sich als Aussenseiterin. Das ändert sich erst, als sie ihre Stimme entdeckt, sich einem Laien-Chor der LGBTIQ-Community anschliesst und auf Gleichgesinnte trifft. Darunter der schwule Joel (Jeff Hiller) und trans Mann Fred (Murray Hill). Was sich zunächst anhört, wie eine Ü40-Version von «Glee» (MANNSCHAFT berichtete), ist eine der warmherzigsten Serien der letzten Jahre über Wahlfamilien und darüber, seinen Platz im Leben zu finden.
Viel zu selten werden Queers jenseits der Vierzig und abseits grosser Metropolen wie New York im TV gezeigt. Die HBO-Produktion ist also eine echte Perle. Schade, dass die Serie mit dieser Staffel enden wird.
«Get Millie Black»
Eine andere HBO-Serie feiert am 3. Dezember ebenfalls bei Sky/Wow ihre Premiere im deutschsprachigen Raum und Crime-Fans sollten in jedem Fall einmal reinschauen. Ermittlerin Millie-Jean Black (Tamara Lawrance) quittiert ihren Dienst bei Scotland Yard, kehrt London den Rücken und folgt ihren Wurzeln nach Jamaika, um der Polizei in Kingston bei der Aufklärung von Vermisstenfällen zu helfen. Einer der Fälle führt sie allerdings nicht nur zurück nach London, sie wird auch selbst zur Gejagten.
Geschrieben wurde die Serie «Get Millie Black» vom homosexuellen Bestseller-Autor Marlon James, der als erster jamaikanischer Autor mit dem renommierten Man Booker Prize ausgezeichnet wurde. Trans Schauspielerin Chyna McQueen ist als Millie-Jeans Schwester zu sehen, die Mitglied einer Band von queeren Outcasts ist. Mit der Figur wollte Autor Marlon James der queeren Community von Jamaika mehr Sichtbarkeit geben.
Er selbst musste in seinem Heimatland eine Konversionstherapie über sich ergehen lassen und konnte erst nach seinem Umzug in die USA frei leben und schreiben.
«No Good Deed»
Ein Wiedersehen mit «Friends»-Star Lisa Kudrow steht ab dem 12. Dezember bei Netflix an. In der Comedy-Serie «No Good Deed» sehen sich die Eheleute Lydia (Kudrow) und Paul Morgan gezwungen, ihre Villa im 20er-Jahre-Stil zu verkaufen. Gleich mehrere Interessenten versuchen sich daraufhin die begehrte Immobilie unter den Nagel zu reissen. Darunter auch das lesbische Ehepaar Leslie und Sarah, die das Haus schon jahrelang aus der Ferne beobachtet haben.
Was die Morgans allen Interessenten jedoch verheimlichen, ist, dass sich das vermeintliche Traumhaus für sie schon längst als Alptraum herausgestellt hat. Und nicht nur die Morgans, sondern auch die potenziellen neuen Besitzer*innen haben buchstäblich einige Leichen im Keller und mit jeweils ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Die schwarzhumorige Serie über den schönen Schein und Geheimnisse, die nach und nach ans Licht zu kommen drohen, verspricht ein Spass in bester «Desperate Housewives»-Manier zu werden.
«The Pursuit of Love»
Ziemlich beste Freundinnen sind Linda (Lily James) und Fanny (Emily Beecham). Oder sind die beiden Cousinen vielleicht sogar mehr als das? Die dreiteilige BBC-Miniserie «The Pursuit of Love», die am 17. Dezember auf One ihre Free-TV-Premiere feiert, überlässt die Antwort darauf zwar den Zuschauer*innen, ist aber ein gelungenes Porträt einer Frauenfreundschaft zwischen den beiden Weltkriegen.
In der Verfilmung des Skandalromans von Nancy Mitford aus dem Jahr 1945 folgen wir den Freundinnen auf ihrer sexuellen Entdeckungsreise, bevor sich deren Lebensentwürfe Stück für Stück voneinander entfernen. Das Ganze sei noch sexier als «Bridgerton» war hier und da zu lesen. Gemeinsames Baden und Fesselspiele inklusive.
Während Linda ihren für die damalige Zeit skandalösen Lebenswandel weiterführt, entschliesst sich Fanny den Konventionen zu folgen und zu heiraten. In einer Nebenrolle ist der schwule Schauspieler Andrew Scott («All Of Us Strangers») zu sehen, der den flamboyanten Lord Merlin spielt. Dieser scheint gleichermassen an Linda und deren Partner interessiert zu sein. Fans von Historien-Serien dürfte das gefallen.
«Maestro in Blue»
Ziemlich beste Freunde wiederum sind Antonis (Orestis Chalkias) und Spyros (Giorgos Benos). Und das schon seit Kindertagen bis nach und nach mehr daraus wurde. In der griechischen Serie «Maestro in Blue», deren dritte Staffel am 28.12. auf Netflix startet, müssen die beiden um ihre Liebe kämpfen (MANNSCHAFT berichtete).
Beide Leben auf der Insel Paxos und besonders Spyros‘ Familie ist traditionell, weshalb der junge Fischer seine Homosexualität verheimlicht und sich vielmehr als Frauenheld aufspielt. Auch Antonis muss ihn decken und kann sich nur heimlich mit Spyros treffen. Eine Situation, die er nicht lange aushält, und in der zweiten Staffel nach Athen aufbricht, während Spyros auf der Insel bei seiner Alibi-Freundin bleibt.
Spannend zu sehen, wie es für die beiden Männer weiter geht. Auch wenn die Liebesgeschichte der beiden nur einer von mehreren Handlungssträngen ist, lohnt es sich, einen Blick zu riskieren
Wer also im Dezember nicht nur Weihnachtsfilme schauen will, dem bietet sich ein durchaus interessantes Alternativprogramm. Und Glühwein kann man sich zur Not ja auch zuhause kochen. Der Serienjunkie wünscht frohe Feiertage und einen guten Rutsch ins neue (Serien-)Jahr!
Klaus Hoffmann verwandelt die grossen Dramen des Lebens in zauberhafte Chansons. Sein neues Buch «Alle meine Lieder» ist so etwas wie eine Autobiografie in Songtexten, in denen es auch immer wieder um Homosexuelle ging und andere ausgegrenzte Personen (zum MANNSCHAFT-Interview).
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