Schwul, Jugo und ADHS: Milan Milanski über seine Superkräfte

Milan Milanski
Swiss Comedy Awards: Milan Milanski ist für den Publikumspreis und für bestes Soloprogramm nominiert. (Bild: zvg)

Was passiert, wenn man als schwuler Sohn serbischer Eltern in Basel aufwächst und ADHS als «Bühnenmotor» entdeckt? Für Milan Milanski ist daraus kein Drama, sondern ein Erfolgsrezept geworden.

Milan Milanski ist einer der spannendsten neuen Stimmen der Schweizer Comedy. Der 34-Jährige kombiniert auf der Bühne sein Aufwachsen zwischen Basler Reihenhaus und serbischen Wurzeln mit selbstironischen Geschichten über Coming-out, Familie und Popkultur. In seinem ersten Soloprogramm «Schwugo» verwandelt er persönliche Erlebnisse – von Spice-Girls-Fantasien bis zu Balkan-Klischees – in pointierte Alltagsbeobachtungen. Mit diesem Mix hat er nicht nur ein treues Publikum gewonnen, sondern sich auch eine Nominierung für den Swiss Comedy Award verdient (hier kannst du für den Publikumspreis abstimmen).

Zusammen mit Comedian Reena Krishnaraja legte Milan am Gurtenfestival einen Stand-up hin – eine Premiere für das Berner Musikfestival. Die Bedingungen – brütende Hitze an einem Freitag-Nachmittag um 13:30 – waren nicht ideal. Doch die beiden Comedians hatten die Lacher und somit auch das Publikum auf ihrer Seite. Wir trafen Milan direkt nach der Show – noch verkatert vom Vorabend, aber bestens gelaunt.

Milan, du hast am Gurtenfestival mit 20-Jährigen gefeiert. Wie geht es dir? Ich bin mega verkatert. Aber ich fühle mich wie die «coole» aber eigentlich oberpeinliche Mutter im Film «Mean Girls», die für immer jung bleiben möchte und sagt: «You girls keep me young.» Genau so war es – bis zu dem Punkt, an dem ich dachte: Jetzt kann ich nach Hause gehen. Nur wollten die anderen nicht heim. Und ich wusste nicht mal, wie ich zu Reena komme, bei der ich übernachtet habe. Aber den Umständen entsprechend geht’s mir gut. Ich habe nur Bier getrunken. Die sind noch in dem Alter, in dem man fancy Cocktails trinkt – mit Glitzer, grünem Wodka und allem Drum und Dran.

Hast du ein Hausmittel gegen Kater? Einen halben Liter Wasser trinken, bevor du schlafen gehst.

Wie ist es, Comedy auf einem Festival zu machen? Speziell – nicht mal, weil es ein Festival, sondern weil es Outdoor ist. Draussen ist für Comedians immer tricky. Du hörst Lacher weniger und das ist auf der Bühne unser Grundnahrungsmittel. Wenn nur so ein «Weight Watchers»-Lachen zurückkommt – ein Diätlachen – kann das verunsichern. Reena und ich haben aber schon öfter Outdoor-Shows gemacht, wir wussten also, worauf wir uns einlassen. Und wenn man sich darauf einstellt, ist es eigentlich cool. Das Gurtenfestival ist sowieso für mich ein kleines Paradies.

Gibt es Vorteile bei Outdoor-Comedy? Nein. Halt, doch: Outdoor findet im Sommer statt. In der Schweiz geht man bei Sonne nicht ins Theater oder in eine Bar, um Comedy zu schauen. So bleibst du im Bewusstsein der Leute. Aber sonst? Nein.

Das Forum ist neu am Gurten. Hat so ein Format Platz auf einem Musikfestival? Absolut. Je älter ich werde, desto mehr mag ich es, wenn ein Festival nicht nur Party und Trinken bietet. Warum kein Yoga-Zelt oder einen Schamanen mit Klangschalen oder so? Solange es authentisch ist, hat alles Platz. Eine Spoken-Word-Bühne in Bern – einer der grössten Kulturstädte der Schweiz – passt perfekt. Das Publikum hat ja bewiesen, dass es gut ankommt.

Hier läuft «Schwugo» als nächstes

2. Oktober 2025 Millers, Zürich

31. Oktober 2025 Tabourettli, Basel

22. November 2025 Kleintheater, Luzern

27. November 2025 Obere Mühle, Dübendorf

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Du bist gleich doppelt für den Swiss Comedy Award nominiert. Was bedeutet dir das? Es ist vor allem Wertschätzung. Ich hatte lange das Gefühl, dass Stand-up in der Schweizer Kulturszene unter dem Radar läuft und manchmal auch belächelt wird. Dass eine Jury, in der viele Leute aus der Kabarett-Szene sitzen, mein Stück ins Finale wählt, bedeutet mir viel. Ich war als Kind jemand, der Plastik-Oscars sammelte und Dankesreden vor dem Spiegel probte. Jetzt für einen echten Preis nominiert zu sein, ist schon ein tolles Gefühl.

«Hört auf, mir Mitleid zu schenken – nur, weil ich schwul bin und vom Balkan komme.»

Milan Milanski

Worum geht’s in deinem Programm «Schwugo»? Es ist eine Reise von meinem Coming-out zu meinem Coming-of-Age. Ich erzähle von meiner Kindheit, meinem Erwachsenwerden, meiner Familie, meiner Herkunft – und versuche zu beantworten: Wer bin ich? Wer war ich die letzten 35 Jahre und wer werde ich in den nächsten 35 Jahren sein?

Wie hat deine Familie auf «Schwugo» reagiert? Meinem Vater wurde es erst klar, als er den Flyer in der Hand hatte. Nach kurzem Überlegen hat er verstanden, was «Schwugo» bedeutet und ein bisschen die Augen verdreht. Stolz ist er trotzdem, auch wenn er es selten ausspricht. Typischer Balkan-Vater halt. Meine Mutter ist sowieso immer stolz, egal was ich mache. Im Vorfeld hatte ich sie darauf vorbereitet, «Gell, Mami, du kommst schon oft vor». Nach der Show hat sie voller Stolz geweint und allen gesagt «Das isch mini Sohn».

Deine Familie ist stolz auf dich und erfüllt damit so gar nicht das Klischee der intoleranten Balkanfamilie? Mein erster Sketch vor fünf Jahren begann genau damit: «Hört auf, mir Mitleid zu schenken – nur, weil ich schwul bin und vom Balkan komme.» Danach erzähle ich Geschichten, in denen ich viele Stereotype aufgreife, die mir im Leben tatsächlich begegnet sind. Es war aber nicht so, dass meine Familie sofort gesagt hat: «Cool, du bist schwul, we love it.» Das war ein Prozess – für sie und für mich. Comedy hat mir geholfen, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Und irgendwann haben meine Eltern, Tanten und Onkel gesagt: «So ist es. Nicht anders. Take it or leave it.» Das war unglaublich empowering – und, wie du sagst, nicht unbedingt typisch. Allerdings habe ich mich nicht geoutet und gleich am nächsten Tag mit Comedy angefangen. Das war ein Weg. Auf der Bühne zu stehen und zu sagen: «Hey, ich bin ein schwuler Mann» – das fühlt sich heute selbstverständlich an, war es aber lange nicht. Das Wort «schwul» war so lange negativ besetzt, und ist es teilweise immer noch. Es zurückzuerobern, zu «reclaimen», hat bei mir gedauert. Aber je öfter ich es sage, desto besser fühlt es sich an.

Als Comedian sind «Jugo» und «schwul» ein gefundenes Fressen für Gags. Comedy-technisch war meine Herkunft, meine sexuelle Orientierung und überhaupt meine ganze Andersartigkeit – inklusive der intersektionalen Mischung – von Anfang an ein Vorteil. Heute hilft mir genau das, meinen eigenen Brand zu formen. Beides prägt meinen Blick auf die Welt. Im zweiten Solo wird die Herausforderung sein, mich auch davon zu lösen. Aber es bleibt immer ein Teil von mir. Vielleicht komme ich ja beim nächsten Solo mit Background-Dancern im Jockstrap auf die Bühne. Wer weiss?

Kann Comedy ohne Klischees funktionieren? Ja – aber sie muss authentisch sein. Ich spiele gerne mit Klischees, erfülle sie aber nicht einfach. Schon die Tatsache, dass jemand mit Balkan-Wurzeln in der Schweiz so offen über intime Themen spricht, bricht ja genau diese Klischees mit denen ich inhaltlich gerne spiele.

Wer kommt zu deinen Shows? Lustigerweise sind es vor allem Frauen vom Balkan zwischen 35 und 45 – richtige Girl Power. Das freut mich, weil die wichtigsten Unterstützerinnen in meinem Leben immer Frauen waren: meine Mutter, meine Tanten, Cousinen, Freundinnen. Natürlich habe ich auch viele schwule Männer im Publikum.

Du sprichst offen über ADHS. Hilft dir das auf der Bühne? Auf jeden Fall. Wenn das Adrenalin kurz vor dem Auftritt kickt, bin ich konzentrierter und fokussierter als viele ohne ADHS. Das ist meine Superkraft. Natürlich gibt’s auch die andere Seite: 16’000 ungelesene E-Mails, 250 unbeantwortete Whatsapp-Nachrichten. Aber ich kann gut damit leben.

Bist du noch Lehrer oder schon Vollzeit-Comedian? Fast Vollzeit. Ich arbeite noch wenige Stunden als Fachlehrer bei einer Freundin – das gibt Sicherheit. Ich mag den Beruf und bin gerne auf der sicheren Seite. Man weiss nie, was die Zukunft bringt.

«Comedy war für mich der Weg zurück zu mir selbst.»

Milan Milanski

Was hat dich zur Comedy gebracht? Als Kind stand ich oft auf der Bühne: Musikakademie, Jugendchor, Kindertheater. In der Pubertät habe ich abrupt aufgehört, um mich anzupassen. Erst Jahre später, bei einem Gespräch am Meer, sagte mir jemand: «Du gehörst auf die Bühne.» Kurz darauf habe ich ein Open Mic ausprobiert – und seitdem nicht mehr aufgehört. Comedy war für mich der Weg zurück zu mir selbst. Heute kann ich meine Liebe zu Musik und Theater auf der Bühne einbauen, ohne alles perfekt beherrschen zu müssen.

Deine queeren Comedy-Vorbilder? International: Matteo Lane, Simon Stäblein oder Jessica Kirson. In der Schweiz beeindrucken mich Michael Elsener, Frank Richter und Leila Ladari. Aufgewachsen bin ich mit deutschen TV-Legenden wie Hella von Sinnen und Dirk Bach – ihre Sketch-Shows haben mich geprägt. Sie waren für mich Vorbilder, auch wegen ihrer Solidarität zwischen lesbischen Frauen und schwulen Männern in den 80ern und 90ern.

Letzte Worte? Ja: Vergiss nie – Christina Aguilera ist und bleibt der eigentliche Star.

Mehr: Swiss Diversity Awards 2025: Das sind die Nominierten (MANNSCHAFT berichtete)

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