100 Jahre Knef: Der Skorpionstachel der Schwulenikone

Ihr Visagist erinnert sich an die Diva

Der Visagist René Koch in seinem Lippenstiftmuseum in Berlin
Der Visagist René Koch in seinem Lippenstiftmuseum in Berlin (Bild: Jens Kalaene/dpa)

Mit Gesichtsmaske lag sie oft da, eine Zigarette in der Hand: Die legendäre Hildegard Knef wäre 100 Jahre alt geworden. Ihr Visagist René Koch erzählt, was ihn an ihr faszinierte – und dass sie durchaus stechen konnte.

Wenn Hildegard Knef, diese grosse Künstlerin, ihrem Visagisten schrieb, dann ging das so: «Geliebter René, Mama braucht…». Keine nüchterne Bitte um Ausstattung oder Kosmetikbehandlung, sondern kleine Miniaturen voller Humor und Selbstironie. «Kannst du morgen kommen? Haut und Seele hätten’s nötig.» René Koch vermisst diese Nachrichten bis heute.

Die Diva mit rauchiger Stimme Am 28. Dezember wäre Knef 100 Jahre alt geworden (MANNSCHAFT berichtete). Als Schauspielerin, Sängerin und Autorin prägte sie das Nachkriegsdeutschland und blieb eigensinnig. Eine Frau mit rauchiger Stimme, klugen Texten und dunkel geschminkten Augen. «Wenn sie die Wimpern dran hatte, dann war sie schon Diva», erinnert sich Koch. Am meisten fasziniert habe ihn ihr Humor. Sie habe sich trotz Widrigkeiten im Leben nicht unterkriegen lassen.

Mit Liedern wie «Für mich soll’s rote Rosen regnen», «Im 80. Stockwerk» und «Von nun an ging’s bergab» wurde Knef zur Chansonikone. Ihr Lied «Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen» ist eine Hymne auf eine komplizierte Stadt.

Wenn der Skorpion zustach Geboren am 28. Dezember 1925 in Ulm, drehte Knef mit «Die Mörder sind unter uns» (1946) den ersten deutschen Nachkriegsspielfilm. Nach einem erfolglosen Versuch in Hollywood übernahm sie die Titelrolle im Film «Die Sünderin» (1951) – inklusive einer Nacktszene, die einen Skandal auslöste. Sie spielte am Broadway, schrieb eigene Liedtexte, veröffentlichte Bücher («Der geschenkte Gaul») und malte. Krankheiten, Tablettenabhängigkeit und drei Ehen prägten ihr Leben (MANNSCHAFT berichtete über die verborgenen Seiten ihrer Vita).

René Koch vor der Schminkwand in seinem Museum
René Koch vor der Schminkwand in seinem Museum (Bild: Jens Kalaene/dpa )

Koch beschreibt sie als modern, emanzipiert und ehrlich – Eigenschaften, die ihr manchmal auch schadeten. Für ihn gab es zwei Seiten von Knef: die mütterliche Hilde und die öffentlich auftretende Diva. Knef sei ein typischer Steinbock gewesen, «Aszendent Skorpion», und «wenn der kam, hat sie auch gestochen». Er habe aber gut mit ihr umgehen können.

Ein unordentliches Leben Ihre Ehrlichkeit zeigte sich auch in Interviews. Über Misserfolge sprach sie offen und äusserte schlaue Gedanken, wie im Dokumentarfilm «Hildegard Knef – Ich will alles» (ARD) zu sehen. Als ein Fernsehreporter versuchte, sie zu charakterisieren («naiv-vertrauend, trotzdem berechnend, trotz-unabhängig, aber anlehnungsbedürftig»), entgegnete sie trocken: «Sie machen aus mir 24 Personen auf einmal.» Dabei nahm sie sich eine Zigarette.

Veränderung sei das Beständigste im Leben, erklärte sie weiter: «Es ist nun mal ein unordentliches Leben.» Auch wenn man versuche, Ordnung zu halten – das gelte für jedes Leben.

Das Glück kennt nur Minuten Wann war sie glücklich? «Also richtig glücklich? Was ist glücklich?», erzählt Koch. Knef habe selbst geschrieben: «Das Glück kennt nur Minuten, der Rest ist Warteraum.» Wenn ihre Tochter da gewesen sei, sei sie wie jede Mama sicher glücklich gewesen. «Sie war ein Steh-Auf-Frauchen.»

Szene aus «Die Sünderin»
Szene aus «Die Sünderin» (Bild: dpa ZB)

Koch erinnert sich: «Ich habe mit ihr mehr gelacht als geweint.» Bei schlechten Tagen holte er sie mit seiner Ente ab, und sie fuhren zum KaDeWe oder ins Hutgeschäft.

Kleine Freuden des Lebens Geschenke bereiteten ihr einfache Freude. Nicht die roten Rosen, wie Fans vermuten würden, erzählt Koch: «Nein. Eine Stange Marlboro, eine Flasche Champagner – Dom Pérignon – und eine Schüssel russischer Kaviar.» Kosmetika oder Kleider freuten sie ebenfalls.

Als sich Mode und Zeiten änderten, riet Koch ihr, beim Make-up zu sparen. Sie behielt jedoch ihre Wimpern – und im Nachhinein sei das gut gewesen. «Wir reden heute noch von den Wimpern und es war doch richtig, dass sie sie nicht abgelegt hat.»

Die legendären Wimpern Ein Paar ihrer Wimpern liegt heute in der Vitrine. Damals gab es weder magnetische Wimpern noch Contouring-Videos auf Tiktok. Kleber musste aus Hollywood bestellt werden, erzählt Koch, der Knef liebevoll «Ida Putenschlund» nannte, wenn sie verknittert im Bett lag (MANNSCHAFT berichtete über das bewegte schwule Leben von René Koch).

René Koch mit den berühmten falschen Wimpern der Knef
René Koch mit den berühmten falschen Wimpern der Knef (Bild: Jens Kalaene/dpa)

Ein Ohrring von ihr verlieh er einmal und vergass, ihn zurückzugeben. Knef schrieb ihm: «Du hast meinen goldenen Ohrring. Nicht, dass ich ihn dir nicht gönne. Doch leih ihn mir mal für einen Abend aus. Deine Ida Putenschlund.» Die beiden kannten sich seit den 1970ern, über zwei Jahrzehnte lang.

Knef starb am 1. Februar 2002 im Alter von 76 Jahren. Ihr Leben wurde mit Heike Makatsch verfilmt und als Graphic Novel erzählt. Koch glaubt, sie habe immer im Moment gelebt: «Das war für sie immer das Schönste, der Moment.»

Von Julia Kilian, dpa

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