«Heute werden Menschen wieder ausgeschlossen und diskriminiert»

Interview mit Klaus Hoffmann («Wenn ein Mann einen Mann liebt»)

klaus hoffmann
Klaus Hoffmann (Bild: Marlene)

MANNSCHAFT sprach mit Klaus Hoffmann über Patti Smith, fliegende Bierdosen und seine Songs über Schwule.

Klaus Hoffmann (73) verwandelt die grossen Dramen des Lebens in zauberhafte Chansons. Es war der legendäre Jacques Brel, der ihn inspiriert hat, Sänger zu werden. Hoffmanns neues Buch «Alle meine Lieder» ist so etwas wie eine Autobiografie in Songtexten, in denen es auch immer wieder um Homosexuelle ging und andere ausgegrenzte Personen.

In Ihrem Buch «Alle meine Lieder» schreiben Sie über die Aufregung vor Ihrem ersten Konzert vor 50 Jahren. Wie war das damals?

Irgendwann wurde ich von Ce-eff Krüger ins Mainzer Unterhaus geholt, wo ich mit einem Riesenbammel auf die Bühne gegangen bin. Ich habe an dem Abend kein Wort gesprochen, was man nicht glaubt, weil ich heute so viel rede. Ich kam da an mit Texten, die ich einfach so rauswarf. Die Leute dachten, ich hätte sie nicht alle. Diese Art zu Texten hatte ich mir von meinem Leithammel Jacques Brel abgeguckt. Brel war für mich ein innerliches Geländer, so dass ich ziemlich auf die Kacke gehauen habe. Meine ersten Platten steckten voller Zorn und Rebellion.

1987 sangen Sie: «Wenn ein Mann einen Mann liebt». Lieder über Homosexuelle waren damals noch nicht an der Tagesordnung. Wie waren die Reaktionen?

Hoffmann: Eigentlich sehr gut, das Lied ist ja noch kommod. Ich habe viel schlimmere Heuler gemacht wie «Sie nennen mich Tunte». Da gehe ich noch einen Schritt weiter. Rosa von Praunheim hat 1985 ein grosses Aids-Benefizfestival veranstaltet, u.a. mit Herbert Grönemeyer und mir. Ich habe da «Rosen im Schnee» gesungen, ein Lied über schwule Anzugträger aus der Generation, wo man für Homosexualität noch in den Knast kam (MANNSCHAFT berichtete). Das fand ich beachtlicher, aber dann wurde alles so kommod.

Heute werden Menschen, die irgendwie nicht reinpassen, wieder ausgeschlossen und diskriminiert. Da möchte ich mal wieder ran. Das Schlimme bei Sängern ist aber, wenn sie anfangen, die Themen abzuklappern. Im Moment bin ich aber wieder aufgerufen, Kante zu zeigen.

In Ihren Liedern begegnet man oft Randfiguren der Gesellschaft: Prostituierten, Kleinkriminellen, Trinkern, Drogensüchtigen. Was faszinierte Sie an Aussenseitern? Ich habe grosse Zuneigungen für die Kinder der Strasse, aber wenn daraus eine Romantik entsteht, habe ich ein Problem. Deswegen habe ich irgendwann mit Kreuzberg-Liedern aufgehört, weil ich jetzt auf dem Land wohne. Ich werde es aber nicht lassen, über meine Herkunft zu reden, es geht hoffentlich weiter. Ich hatte Angst, dass es mit dem Liederbuch alles gewesen sein könnte. Nein, es soll weitergehen! Alte Sänger kannte ich immer nur aus Frankreich, etwa Léo Ferré. Oder die Gréco. Sie lebte mit dem Pianisten von Brel zusammen, Gérard Jouannest. Mein Pianist Hawo Bleich hat mit dem ein Duell mit Chansons von Brel gespielt. Anschliessend hat die Gréco mich gesegnet: Ich darf das, ich bin in Ordnung.

Sie haben viele Songs über Frauen geschrieben. Geben Frauen für Sie als Liedermacher generell mehr her als Männer?

Ich war von ihnen immer getragen, ich bin ein Mutter-Sohn. Die Frauen fanden es toll, dass sie so einen Verehrer hatten. Also, ich bin denen verpflichtet. Ich war aber nie ein Frauenversteher, ich habe eher meine Liebe geäussert. Bei Brel war es anders. Er trug in seinen Chansons immer eine Maske, indem er als Chauvinist rüberkam. Die Frauen lagen ihm zu Füssen, und er hat sie immer noch getreten. Aber solche Lieder brauche ich nicht. Wenn die Vokabel nicht so ausgelutscht wäre, dann ist es bei mir ein Menschwerdungsweg. Da geht einer pfeifend durch den Wald - und wenn er Glück hat, hören ihm die anderen zu, weil sie ähnliche Empfindungen haben.

«Dann schmeisse ich halt zurück, die Ärsche!»

Patti Smith

«Schwimmen gegen den Strom» heisst es in dem Lied «Meine stolze Galeere» von 1975. Hatten Sie von Anfang an einen ganz eigenen Kopf?

Ja. Zum Glück hatte ich gleich einen tierischen Erfolg. Das war aber auch eine Prüfung, weil ich mir überlegen musste, was ich damit anfange. Ich weiss noch, wie ich irgendwann zur berühmten Patti Smith in Hamburg in der Laeiszhalle gegangen bin. Patti fragte mich, ob ich wüsste, was Punk ist. Ich: «Nein» – «Okay», sagte sie. «Dann geh' ich jetzt mal raus und zeige dir, was die mit mir machen.» Und dann sah ich, wie die Leute mit Bierbüchsen nach ihr schmissen. Und Patti Smith meinte zu mir: «Dann schmeisse ich halt zurück, die Ärsche!» Ich stehe einfach auf Sängerinnen und Sänger, die aus dem Nichts heraus ein Lied erfinden.

Klaus Hoffmann: Alle meine Lieder (Westkreuz Verlag, gebunden, 268 Seiten, 29,90 Euro)

Klaus Hoffmann geht mit Band live auf Tour und ist u.a. zu sehen in Düsseldorf: 16.11., Saarbrücken: 20.11., Bremen: 23.11., Berlin: 27.11.

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