Clara: «Ein Slogan wie ‹Love is Love› kann ausgrenzend sein»

Interview mit Clara vom Verein «AktivistA»

Clara vom Verein «AktivistA» bei einem öffentlichen Diskurs
Clara vom Verein «AktivistA» bei einem öffentlichen Diskurs (Bild: zVg)

Clara ist Mitglied des Vorstands von «AktivistA». Der Verein setzt sich für die Sichtbarkeit von asexuellen Menschen ein.

Clara, welche Vorurteile begegnen dir in deiner Arbeit? Dass dieses mangelnde Interesse an sexueller Interaktion gleichbedeutend sei mit Gefühlskälte, nicht empathisch oder lieblos sein.

«Ein Totschlagargument ist: Ihr werdet nicht diskriminiert.»

Clara, Vorstandsmitglied von «AktivistA»

Diese Annahme, dass alle Menschen eine monogame Paarbeziehung anstreben. Ein Totschlagargument ist: Ihr werdet nicht diskriminiert. 

Klar werde ich nicht auf der Strasse geschlagen, weil ich niemanden küsse. Aber ich erlebe Mikroaggressionen. Durch gesellschaftliche Erwartungen, Unverständnis und Pathologisierung. Fragen wie «Hast du schon mal deine Hormone überprüfen lassen, hast du ein Trauma?» 

Asexuell bedeutet nicht gleich asexuell, oder? Manche haben nicht von sich aus das Bedürfnis nach Sex, machen es aber für ihren oder ihre Partner*in. Anderen ist schon unwohl, wenn sie bloss an Sex denken. Dazu kommen die kinky Aces, die es durchaus gibt. Und neben der Einstellung konkret zu Sex gibt es auch Unterschiede in der Anziehung. 

Ob man niemals sexuelle Anziehung erlebt, erst, wenn man eine enge emotionale Beziehung aufgebaut hat, oder sie sich verflüchtigt, sobald man die Person näher kennenlernt.

Es gibt eine Menge solcher Mikrolabels, die Menschen helfen, sich zu verorten. Aber der gemeinsame Nenner bleibt, dass es nie oder selten passiert. Was genau «selten» heisst, ist private Definitionssache. Für die Aromantik gilt das ähnlich, aber da gibt es eine eigene Gruppe, «AktivAro», die sich da besser auskennen.

Wie seht ihr eure Position innerhalb der queeren Community? Im persönlichen Kontakt mit anderen Teilen der queeren Community habe ich bisher Wohlwollen und Unterstützung erlebt. Wenn queere Spaces sexuell aufgeladen sind, kann es schwierig sein. Einen Slogan wie «Love is Love» kann ich nachvollziehen, aber für alle auf dem aromantischen Spektrum  ist er eher ausgrenzend. 

Wir haben einen hohen Prozentsatz an trans- und nicht-binären Personen in der Community sowie eine Nähe zu Bi+-Orientierungen. Umfragen zeigen, dass Geschlecht für die meisten Menschen auf den A-Spektren bei der Anziehung eine untergeordnete Rolle spielt.

Welche Wünsche und politischen Forderungen habt ihr? Der deutsche Ableger des Netzwerkes «AVEN», der einer der Startpunkte der Community war, hat sich erst 2005 gegründet. Unsere Begriffe sind verhältnismässig neu und wir konzentrieren uns darauf, die bekannt zu machen und in bestehende queere Forderungen zu integrieren. 

Besonders wichtig ist uns, dass Identitäten der A-Spektren bei medizinischem, psychotherapeutischem oder beratendem Personal bekannter gemacht werden. Das gilt genauso für die Pädagogik und die Bildung. Ein wohl ziemlich dickes Brett wäre eine Form der Verantwortungsgemeinschaft als Alternative zur Ehe, die es Menschen, auch mehr als zweien, ermöglicht, gesetzlich anerkannt und abgesichert Verantwortung füreinander zu übernehmen, und auch gemeinsam Kinder adoptieren zu können. 

Weitere Infos:

Schweiz: aroace.ch Deutschland: aktivista.net | aromantik.de Österreich: acearo.at 

Macht fehlende Romantik einsam? Drei Menschen aus dem asexuellen und aromantischen Spektrum erzählen, wie vielfältig Nähe und erfüllende Ver­bindungen sein können – ganz ohne Sex oder Romantik (MANNSCHAFT-Story).

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