Neue Stolperschwelle in Bochum gedenkt homosexuellen Häftlingen
Der Künstler Gunter Demnig verlegte vor dem Strafgefängnis Krümmede in Bochum eine neue Stolperschwelle. Neben homosexuellen Häftlingen würdigt sie auch andere Opfergruppen der NS-Willkür.
Am 5. Juni 2025 wurde vor dem Strafgefängnis Krümmede in Bochum eine neue Stolperschwelle verlegt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig, der das europaweite Projekt der Stolpersteine ins Leben gerufen hat, setzte das Mahnmal persönlich. Die Schwelle erinnert an mehrere Gruppen von Häftlingen, die zwischen 1933 und 1945 in der Krümmede eingesperrt wurden – unter ihnen auch homosexuelle Männer, die nach dem nationalsozialistischen Paragrafen 175 verfolgt wurden
Die Stolperschwelle in Bochum ist ein gruppenbezogenes Mahnmal. Anders als Stolpersteine, die an einzelne Personen erinnern, markieren Stolperschwellen Orte der systematischen Verfolgung – wie Gefängnisse, Zwangsarbeitslager oder Sammelstellen für Deportationen. Die Inschrift auf der Stolperschwelle benennt die Opfergruppen klar und ohne Umschweife: «Krümmede 1933 – 1945. Mehr als 2000 politisch verfolgte Menschen inhaftiert: Angehörige des Widerstandes aus Frankreich, Belgien und anderen besetzten Ländern Westeuropas. Mitglieder verbotener Parteien, christliche Regimegegner, Homosexuelle, Zeugen Jehovas. Viele versterben an den Haftbedingungen oder werden in Hinrichtungsstätten der NS-Justiz getötet.»
Die Geschichte der in der Krümmede inhaftierten homosexuellen Männer hat der Historiker und Aktivist Jürgen Wenke umfassend recherchiert. Er dokumentiert ihre Lebenswege auf der Website stolpersteine-homosexuelle.de. Besonders tragisch ist das Schicksal der jüdischen Zwillingsbrüder Ernst und Leo Salomon aus Trier (MANNSCHAFT berichtete). Beide wurden als Homosexuelle verfolgt. Ernst wurde im Februar 1943 in Auschwitz ermordet. Leo starb im November 1942 im Gefängnis Wolfenbüttel, wohin er von Bochum aus überstellt worden war. Die schlechten Haftbedingungen führten vermutlich zu seinem Tod.
Ein weiteres Beispiel ist Gerhard Krebs (MANNSCHAFT berichtete). Kurz vor dem Ende seiner Haftzeit in Bochum nahm er sich das Leben. Laut Wenke hatte man ihm möglicherweise angekündigt, dass er in ein Konzentrationslager überführt werden sollte. Auch der Auschwitz-Überlebende Michael Unger gehört zu den Opfern. Er wurde während der NS-Zeit wegen eines sexuellen Kontakts mit einem Mitgefangenen verfolgt. 1969 starb er im Gefängnis Bochum. Sein Leben ist bislang kaum erforscht.
Homosexuelle Männer wurden im Nationalsozialismus auf Grundlage des verschärften Paragrafen 175a verfolgt. Bereits harmlose Kontakte wie Küsse oder Liebeserklärungen reichten für eine Verurteilung. Denunziationen durch Nachbar*innen, Kolleg*innen oder Angehörige führten oft zu Polizeiaktionen, Verhören durch die Gestapo und Haftstrafen. Viele Männer wurden nach ihrer Gefängnisstrafe nicht entlassen, sondern ohne neues Verfahren in sogenannte «Vorbeugehaft» genommen – was meist die Deportation in ein Konzentrationslager bedeutete.
«Viele Männer starben an den Folgen von Gefängnishaft, KZ-Internierungen oder nahmen sich das Leben, um den Qualen nicht länger ausgesetzt zu sein», schreibt Wenke. Die Strafverfolgung ging nach 1945 weiter – der Paragraf 175 in der verschärften Fassung von 1935 blieb in der Bundesrepublik bis 1969 nahezu unverändert in Kraft. Vollständig abgeschafft wurde der Paragraph erst 1994 (MANNSCHAFT berichtete). Die Betroffenen galten weiterhin als vorbestrafte Straftäter und litten unter lebenslangen Benachteiligungen – beruflich, sozial, familiär.
Die Stolperschwelle in Bochum ist nicht die erste ihrer Art in der Stadt. Bereits 2024 wurde eine Schwelle vor dem ehemaligen Landgericht verlegt, die an homosexuelle Männer erinnert, die dort verurteilt wurden. Auch an anderen Orten in Bochum wird heute mit Stolperschwellen der Opfergruppen des NS-Regimes gedacht, etwa im Apolonia-Pfaus-Park (Sinti und Roma, 2022) oder am Standort eines Zwangsarbeiterlagers (2018).
Mehr: Zwei Männer nach Angriff auf schwules Paar in Berlin verurteilt (MANNSCHAFT berichtete)
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