25 Jahre Streichung von §175 – LSVD erinnert an 123 Jahre Leid
Der Unrechtsparagraph §175 bedeutet für Deutschland heute eine besondere Verantwortung, so der LSVD
Vor 25 Jahren, am 11. Juni 1994 wurde §175 aus dem Strafgesetzbuch (StGB) gestrichen. Am 10. März beschloss der Deutsche Bundestag damals die endgültige Streichung des Unrechtsparagrafen – 123 Jahre nach seiner Einführung. Am 11. Juni 1994 trat die Reform in Kraft.
Dass heute lesbische und schwule Paare heiraten, Lesben und Schwule Familien gründen können, sei keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis eines über Jahrzehnte andauernden Kampfes der homosexuellen Emanzipationsbewegung und ihrer Verbündeten, erklärt Helmut Metzner, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD).
Systematische Zerstörung durch §175 «Wir müssen uns daran erinnern, dass unter dem verschärften nationalsozialistischen Schandparagraphen 175, der auch in der Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang fortbestand, das Leben von Menschen systematisch zerstört wurde. Junge Menschen können es kaum glauben, wenn man ihnen heute erzählt, dass unser Staat Menschen ins Gefängnis steckte, nur weil sie anders liebten.»
Erst 2017 konnte die Aufhebung der meisten nach 1945 erfolgten Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen erkämpft und Entschädigungen erstritten werden. Bei deren Ausgestaltung in der Praxis sind immer noch Verbesserungen nötig.
Zur Geschichte der Unterdrückung gehörten auch die Eingriffe an intergeschlechtlichen Menschen. «Viele werden bis heute im Säuglings-, Kindes- oder Jugendalter ohne eigene Einwilligung medizinischen Zwangsbehandlungen unterzogen. Auch transgeschlechtliche Menschen mussten sich lange Zeit in Deutschland operativen Eingriffen unterziehen und sich sterilisieren lassen, um personenstandsrechtlich im empfundenen und gelebten Geschlecht Anerkennung zu finden. Diese vom Gesetzgeber erzwungenen Menschenrechtsverletzungen müssen endlich anerkannt und die Opfer entschädigt werden.»
Wegen der langen Geschichte von Verfolgung und Unterdrückung habe Deutschland heute eine besondere Verantwortung für Menschen, die wegen ihrer Homosexualität, als Trans* oder intergeschlechtliche Menschen in ihrer Heimat verfolgt werden und bei uns Schutz suchen, so Metzner.
Ein Land mit der schrecklichen Geschichte des § 175 StGB müsse diesen Menschen nicht nur Schutz bieten, sondern es dürfe niemals andere Länder mit einer ähnlichen homosexuellenfeindlichen Gesetzgebung zu «sicheren Herkunftsstaaten» erklären, so Metzner. Anfang des Jahres hatte der Bundestag entschieden, Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.
«Vor 25 Jahren wurde ein Stück nachkriegsdeutschen Unrechts korrigiert»
Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
Dirk Behrendt, Berlins Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, erklärte: «Vor 25 Jahren wurde ein Stück nachkriegsdeutschen Unrechts korrigiert. Wir sollten trotzdem jener erinnern, die den Akt der Rehabilitierung und die Entschädigung nicht mehr erlebten und mit dem Stigma der Strafverfolgung ins Grab gingen.» Erst viel zu spät habe die Bundesrepublik Deutschland Verantwortung für die Opfer des §175 übernommen, so Behrendt, der am 23. Juni beim BKA-Talk der MANNSCHAFT zu Gast ist.
«Es war eine späte Geste der Bundesrepublik Deutschland, den Opfern der Schwulenverfolgung mit Gerechtigkeit zu begegnen. Die Rehabilitierung und die Entschädigung der Verurteilten war ein wichtiges Signal für über 50'000 Opfer.»
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