Mit Gedenkkugel werden lesbische NS-Opfer endlich sichtbar
Auch dank der autonomen Lesben in Deutschland und Österreich
Lesbische Frauen und Mädchen, die in der NS-Zeit verfolgt wurden und im KZ Ravensbrück inhaftiert waren, erhalten im nächsten Jahr einen würdigen Gedenkort.
Nun ist es endlich soweit: Es wird einen ersten öffentlichen Gedenkplatz geben, um an alle lesbischen Frauen und Mädchen, die im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück und Uckermark durch die NS-Diktatur verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden, zu erinnern. Das ist auch dem jahrelangen intensiven Dranbleiben der länderübergreifenden Initiative «Autonome Feministische Frauen Lesben aus Deutschland und Österreich» zu verdanken. Die Initiatorinnen und wichtigsten queeren Verbände setzen sich damit für ein offizielles Mahnmal in der Mahn- und Gedenkstätte ein. Schliesslich waren von 1939 bis 1945 etwa 120.000 Frauen und 20.000 Männer aus über 30 Nationen im zentralen Frauen-Konzentrationslager im deutschen Reich in Ravensbrück inhaftiert. Auch lesbische Frauen wurden in der NS-Diktatur verfolgt und sogar ermordet.
Allerdings musste die Fachkommission der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in einem Gutachten zuerst nachweisen: Auch lesbische Frauen wurden innerhalb und ausserhalb des Konzentrationslagers tatsächlich verfolgt. Darum veröffentlichte auch die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ein Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager, und die Leitung der Gedenkstätte hat gemeinsam mit dem Vorstand der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erfolgreich dem vorliegenden Antrag, der seit dem Jahr 2016 grosse Widersprüche auslöste, auch für ein öffentliches Gedenkzeichen endlich zugestimmt.
Letztendlich zeigten sich die Frauen der Initiative darüber erleichtert, nicht mehr darüber debattieren zu müssen, ob Lesben verfolgt wurden. Mit der nun anerkannten Gedenkkugel werden lesbische Frauen und Mädchen über ein Dreiviertel-Jahrhundert nach der Befreiung des Konzentrationslagers endlich öffentlich sichtbar gemacht, sagt Marion Lüttig, die Vorstandsfrau beim LesbenRing.
Schliesslich hat vor allem die «Initiative Autonome Feministische Frauen Lesben aus Deutschland und Österreich» ihren besonderen Dank verdient, denn mit dem Internationalen Ravensbrück Komitee sowie der österreichischen und deutschen Lagergemeinschaft Ravensbrück unterstützten sie von Anfang an die Initiative. Und gestützt von einem wissenschaftlichen Gutachten von Martin Lücke von der Freien Universität Berlin fand der neue Vorschlag auch die Zustimmung der Stiftungsgremien.
«Es war auch ein sehr langer Kampf, um sowohl die Wissenschaft wie auch schwule Verbände zur Einsicht zu bewegen», sagt Lisa von dem Autonomen Frauen-Migrantinnen-Lesben-Mädchen-Zentrums in Wien. Lisa, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, ist auch seit den 1990er Jahre Mitglied bei der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück. Bis zu gefühlten 600 Unterstützer*innen inklusive der HOSI und der FZ-Wien über 20 Länder verteilt, kämpften erfolgreich vor allem gegen diesen massiven patriarchalen Gegenwind, der von Seiten der Wissenschaft und vom männlich dominierten LSVD in Berlin-Brandenburg kam, erinnert Lisa. Es sei damit ein Meilenstein gesetzt, als das Gedenken an lesbische Opfer der NS-Zeit offiziell genehmigt und beschlossen wurde, denn das Ravensbrücker Konzentrationslager zählte zu einem der grössten, in dem Frauen und Lesben inhaftiert wurden.
Im April soll eine aus Keramik angefertigte 40 cm grosse Kugel im Rahmen des 77. Jahrestages der Befreiungauf dem neuen Gedenkareal an der ehemaligen Lagermauer in Ravensbrück eingeweiht werden. Dabei trägt diese Gedenkkugel auch eine Inschrift mit den Worten: «In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, ermordet. Ihr seid nicht vergessen.»
Schliesslich werde damit einmal mehr aufgezeigt, wie sehr gemeinsame länderübergreifende Aktivität zwischen Deutschland und Österreich, unterstützt von zahlreichen internationalen Aktivist*innen, Erfolgreiches erreicht: mehr öffentliche Sichtbarmachung von Frauen und Lesben.
Ein Journalist des polnischen Staatsfernsehen (TVP) erklärte 2020, dass «viele Homosexuelle in den Konzentrationslagern aussergewöhnliche Degenerierte und Vergewaltiger» waren. Der Mann wurde angezeigt (MANNSCHAFT berichtete).
Wie sich Opfergruppen bei der Erinnerung an die Nazi-Gräuel gegenseitig das Gedenken streitig machen: Pol*innen gegen Schwule gegen Lesben (MANNSCHAFT berichtete).
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