«Mid-Century Modern» ist «definitiv eine schwule Serie»
Das sagen die Stars
Bei Disney+ läuft jetzt «Mid-Century Modern» – eine der Form nach klassische, wenn nicht gar altmodische Sitcom, die von einer Wohngemeinschaft schwuler Singles um die 50 in Palm Springs handelt und gerne als männlich-queere Antwort auf die legendären «Golden Girls» gehandelt wird.
Bei einer virtuellen Pressekonferenz standen kürzlich die drei Hauptdarsteller Nathan Lane, Matt Bomer und Nathan Lee Graham sowie die beiden Serien-Schöpfer Max Mutchnick und David Kohan (die sich auch schon «Will & Grace» ausgedacht hatten) Rede und Antwort.
Max, Sie sind selbst ein schwuler, nicht mehr ganz junger Mann. Was brachte Sie auf die Idee zu «Mid-Century Modern»? Mutchnick: Freunde, die zusammenleben, sind bekantlich etwas, das David und mich schon lange interessiert. Entsprechend sind wir immer auf der Suche nach neuen Geschichten in dieser Richtung. Dass wir dabei inzwischen auch mal an ältere oder sagen wir lieber: erfahrene Figuren denken, liegt natürlich auf der Hand.
Die Grundidee für «Mid-Century Modern» hatten wir jahrelang immer mal wieder im Gespräch, und als dann 2023 in Hollywood die Schauspielenden streikten, nutzten wir die Zeit und brachten sie endlich mal zu Papier. Wenig später traf ich mich mit Ryan Murphy zum Abendessen, und als ich ihm von dem Projekt erzählte, meinte er, wir sollten das für ihn zurückhalten. Er wollte es Dana Walden bei Disney anbieten – und genau das hat er dann auch gemacht.
Nathan, waren Sie dann sofort Feuer und Flamme? Lane: Lange zögern musste ich jedenfalls nicht, als Ryan Murphy mich anrief und mir das Projekt vorstellte. Schon allein, weil Max Mutchnick und David Kohan dahintersteckten. Dass er die Serie als «schwule Golden Girls» beschrieb, fand ich in vielerlei Hinsicht zwar fragwürdig. Aber die ersten Drehbücher überzeugten mich sofort: herrlich komisch und clever konstruiert. Ich erkannte sofort, wie viel Potential in diesem Konzept steckte.
«Ich halte mich oft für Bea Arthur, aber nicht in diesem Fall.»
Nathan Lane
Sie fanden den Vergleich mit den «Golden Girls» nicht passend?? Lane: Ich habe zumindest nicht wirklich an die «Golden Girls» gedacht, als wir an der Serie gearbeitet haben. Schon allein, weil es zwar vielleicht anfangs mal die Überlegung gab, eine Serie über drei Männer in meinem Alter zu machen, es aber letztlich nun doch drei Freunde in ganz unterschiedlichen Phasen ihres Lebens wurden. Aber die einzige Parallele zwischen beiden Serien ist doch, dass es um eine Wohngemeinschaft geht und zwei Freunde mit mir und meiner Mutter zusammenleben. Bin ich deswegen gleich die Dorothy von «Mid-Century Modern»? Ich halte mich oft für Bea Arthur, aber wirklich nicht in diesem Fall.
Matt, was reizte Sie an der Serie?? Bomer: Nun, in den letzten 12 Jahren habe ich in meinen Rollen immer wieder unterdrückte Gefühle und Traumata in den verschiedensten Formen ausgelotet. Das würde ich auch nicht missen wollen, aber direkt nach «Fellow Travelers» hatte ich wirklich Lust darauf, bei der Arbeit auch mal lachen zu können. Das war mir ein echtes Bedürfnis, deswegen kam das Angebot für «Mid-Century Modern» wie gerufen. Dass ich mit Max und David sowie auch dem Regisseur Jimmy Burrows schon bei «Will & Grace» zusammengearbeitet und eine grossartige Zeit hatte, machte mir die Entscheidung zuzusagen natürlich umso leichter.
Nathan Lee, Sie haben schon in Filmen wie «Zoolander» und Serien wie «Absolutely Fabulous» mitgespielt, sind aber vor allem als Broadway-Darsteller bekannt. Warum hatten Sie Lust auf «Mid-Century Modern»?
Graham: Für jemanden, der wie ich vom Theater kommt, sind wunderbare Dialoge natürlich ein Geschenk, und die Autoren dieser Serie sind nun einmal mit die besten im Business. Aber ich bin auch einfach ein grosser Fan von physischer Comedy. Lustig sein mit vollem Körpereinsatz, und dann auch noch gemeinsam mit Nathan Lane – das war schlicht fantastisch. Als jemand, für den die Sitcom-Ikone Lucille Ball eine der größten Inspirationen überhaupt ist, war die Arbeit an dieser Serie wirklich ein wahrgewordener Traum.
David, «Will & Grace» und Ihre anderen bisherigen liefen in den USA bislang im frei empfangbaren Fernsehen, «Mid-Century Modern» dagegen bei einem Streamingdienst. Was auch bedeutet, dass nicht nur deutlich expliziter über Sex gesprochen werden kann, sondern auch das F-Wort fallen darf. War das eine grosse Umstellung?
Kohan: Die festen Strukturen und Regeln beim Free-TV in den USA empfand ich in der Arbeit immer als spannende Herausforderung. Denn gerade bei einer Serie wie «Will & Grace» bedeutete das, dass wir versuchen mussten, wirklich die Grenzen den Erlaubten auszuloten, ohne sie zu überschreiten. Da wird man echt kreativ. Bei «Mid-Century Modern» war es nun eher wichtig, nicht auf Teufel komm raus zu fluchen oder vulgär zu werden, nur weil es geht. Aber natürlich war es gerade bei diesen Figuren sehr angenehm, dass wir sie wirklich so sprechen lassen konnten, wie das schwule Männer mit einer gewissen Lebenserfahrung eben tun.
Apropos schwule Männer mit Lebenserfahrung: Der zentrale Punkt der Serie – nämlich das Zusammenleben mit Gleichgesinnten – ist sicherlich einer, denn gerade der queere Cast der Show auch aus dem eigenen Leben kennt, oder? Bomer: Die Thematik der «found family» ist auf jeden Fall eine, die mir persönlich sehr viel bedeutet. Und ich denke, ohne generalisieren zu wollen, dass das vielen Menschen in der queeren Community ähnlich geht. Ich liebe die Familie, in die ich hineingeboren wurde, wirklich sehr. Aber letztlich war es meine selbstgewählte Familie, mein Freundeskreis, in dem ich gelernt habe, meine eigene, authentische Identität voll auszuleben. Dass die drei Männer in «Mid-Century Modern» aus ihrer Freundschaft heraus und in der Trauer um einen gemeinsamen Freund beschliessen, ihr Leben gemeinsam zu verbringen, empfand ich als extrem nachvollziehbar und sehr berührend.
Also ist die Serie nicht zuletzt eine für ein queeres Publikum? Mutchnick: Das würde ich nicht so sagen. Für mich ist es eine Serie über Freundschaft, nicht eine schwule Serie. Eine Sitcom im klassischen Sinne, die sich an alle richtet, die Lust haben, Zeit mit diesen Figuren zu verbringen, oder das Gefühl, Menschen wie diese Männer auch aus ihrem Leben zu kennen. Darum geht es, nicht darum, wer abends mit wem ins Bett geht.
Lane: Na ja, Max, das stimmt schon einerseits. Es geht hier nicht darum, wer mit wem ins Bett geht. Aber seien wir doch mal ehrlich: so sehr es eine Serie für alle ist, ist es eben doch auch definitiv eine schwule Serie!
Aufgezeichnet von Patrick Heidmann
Anastasia Biefang scheitert mit ihrer Klage – hat aber trotzdem gewonnen. Soldat*innen können nicht mehr aufgrund ihres privaten Datingprofils gemassregelt werden (MANNSCHAFT berichtete).
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