«Männertreu Suisse» ist der erste schwule Jodlerklub in der Schweiz
Demnächst zu hören und zu sehen beim Bernisch-Kantonalen Jodlerfest
Heimatklänge mit Haltung: Der erste schwule Jodlerklub «Männertreu Suisse» will frischen Wind in die Volksmusik bringen.
Anfangs gab es nur einen einzigen Interessenten, dann waren sie irgendwann eine Gruppe von 40 Kerlen.
Der Präsident des Jodlerklubs Thomas Bachmann erzählt von seiner Kindheit. «Die traditionelle Schweizer Volksmusik widerspiegelt für mich das Leben auf dem Land und in den Bergen. Das ist für mich auch Heimat.» Aufgewachsen in einer Jodlerfamilie in Malters (Luzern), war er schon als Kind vom Jodeln fasziniert.
Gemeinsam mit vier weiteren Gründungsmitgliedern haben sie sich einen lang gehegten Traum erfüllt: einen Ort zu schaffen, an dem Männer jodeln können, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Der Jodlerklub probt einmal im Monat, vorzugsweise am Wochenende an einem zentral gelegenen Ort in der Schweiz, um die Anreise für die Mitglieder aus verschiedenen Regionen zu erleichtern. Bisher eignete sich dazu vor allem Olten.
Ursprünglich steht das Jodeln für Naturverbundenheit, Tradition und Gemeinschaft. Diese Werte prägen auch den Verein Männertreu Suisse hinter dem zwei besonders erfahrene Köpfe stehen: Franz-Markus Stadelmann, Dirigent aus Escholzmatt (Luzern) und Thomas Bachmann, Präsident des Klubs und langjähriger Sänger.
Jodeln ist eine besondere Gesangsform ohne eigentlichen Text, bei der zwischen der Brust und Kopfstimme gewechselt wird. Das sorgt für den klassischen «Jodelklang». Ursprünglich diente es der Verständigung über weite Distanzen in den Bergen, heute ist es ein fester Bestandteil der Volkskultur in der Schweiz.
Im Interview mit MANNSCHAFT spricht Präsident Thomas Bachmann über die Anfänge, Hürden und Hoffnungen des Vereins über die Kraft der Musik zur Verbindung mit Heimat und Freundschaft.
Die Idee zu einem schwulen Jodlerklub hatte Bachmann mit dem Dirigenten Franz-Markus Stadelmann bereits vor über zehn Jahren. Stadelmann, leitete über viele Jahre hinweg verschiedene Jodelchöre und machte sich als Juror und engagierte Stimme einen Namen in der Schweizer Jodlerszene.
Immer wieder spielten sie bei gemeinsamen Reisen mit der Idee, die sie aber nicht umsetzten. Den finalen Anstoss gab das Kennenlernen mit dem Sänger Reto Rüeg im Jahr 2023. Bei einem Apéro erzählte ihm der jetzige Vereinspräsident von der Idee und dieser war sofort Feuer und Flamme. Danach nahm das Projekt Fahrt auf. Dass der Dirigent Franz-Markus nach 25 Jahren den Frauenchor abgeben würde, spielte dem Team direkt in die Karten. Der Moment schien reif.
«Unsere erste Probe mussten wir verschieben. Es hatte sich nur ein einziger Interessent gemeldet», erinnert sich Bachmann. Doch die Gründer liessen sich nicht entmutigen. Die Anfangsschwierigkeiten erforderten etwas Kreativität, wurden jedoch mit Witz von den Gründern umgesetzt. Mit Bierdeckeln in Schwulenbars und Klubwerbung wurden die Medien auf sie aufmerksam und es setzte ein regelrechter Dominoeffekt ein. Bei der Gründung waren sie dann plötzlich rund 40 Männer.
«Die meisten kamen alleine und kannten sich vorher nicht», erklärt er. Durch die Proben und das gemeinsame Mittagessen hätten sich aber bereits viele Freundschaften gebildet. Es ist der Leitung ein persönliches Anliegen, dass auch das Soziale neben dem Singen wichtig ist.
Auf die Frage, was den Choralltag bei dem Klub so besonders macht, antwortet der Vereinspräsident: «Schwule Männer haben untereinander ein ganz anderes Selbstverständnis. Das ist von Aussen vielleicht schwierig vorstellbar. Dieses Sich-Wohlfühlen überträgt sich dann auch auf die Qualität des Chores.»
Was der Sänger Bachmann hier beschreibt, klingt nach einer tieferen sozialen Dynamik, die über das musikalische hinausgeht. Das «Sich-Wohlfühlen» bezieht sich auf etwas, was man als Konzept des «Safe Space» benennen könnte. Ein Ort, an dem anderswo marginalisierte Gruppen sich frei von normativem Druck und Abwertung bewegen können in einer Umgebung von Vertrauen und Zugehörigkeit. Der Klub ist offen für schwule, bisexuelle, trans, nicht-binäre und auch heterosexuelle Männer.
Dafür verdient der Chor grosses Lob: Männertreu Suisse schafft nicht nur einen musikalischen Raum, sondern auch einen sozialen als eine gelebte Gemeinschaft.
Obwohl der Klub offen schwul ist, soll das Projekt nicht ein politisches Statement sein. Die Mitglieder treten mit traditionellen Trachten auf und auch die Liedtexte bleiben die gleichen. Das macht die Leitung ganz bewusst. Das gemeinsame Singen soll im Vordergrund stehen.
«Das war Gänsehaut, als wir nach einer Stunde bereits ein Lied mitsamt Jodel singen konnten.»
Thomas Bachmann, Chor-Gründer
Bachmann erzählt von der ersten gemeinsamen Probe, einem für ihn emotionalen Moment. «Das war Gänsehaut. Als wir nach einer Stunde bereits ein Lied mitsamt Jodel singen konnten.» Inzwischen haben sie rund acht Lieder einstudiert. Besonders berührt und verbindet momentan den Klub das Lied «Alti Heimat». Dieses Lied singen sie ebenfalls am Jodlerfest an der Lenk und es wird sich intensiv damit beschäftigt.
Der Chor hat musikalische Ambitionen, geleitet von Thomas Bachmann und dem Dirigenten. «Bei uns müssen sich die Sänger auf die Proben vorbereiten.» Grund unter anderem dafür ist, dass sie einmal pro Monat proben im Vergleich zu anderen Klubs, die sich wöchentlich treffen. Männertreu unterscheidet sich dadurch, macht sich aber auch attraktiv. Die Mitglieder sind über die Schweiz verstreut, von Graubünden bis Wallis. Das ist ein Argument, von dem viele begeistert waren. Die wöchentlichen Verpflichtungen können schnell mal unvereinbar sein mit Beruf und Familie oder Partnern.
Ihr grosses Ziel ist das Eidgenössische Jodlerfest in Basel. Der Auftritt am Bernisch-kantonalen Jodlerfest in der Lenk am 21. Juni dient unter anderem als Qualifikation für den Wettbewerb.
Mit Männertreu Suisse ist etwas gelungen, was über den Chor hinausstrahlt. Ein Stück Schweizer Volkskultur wird geöffnet und weitergedacht. Der Klub schafft es, ohne Tradition zu sprengen, dass Menschen sich darin wiederfinden.
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