Katholische Kirche Luzern gestaltet queere Bibel für Pride
Seelsorger Meinrad Furrer will in Nacherzählungen LGBTIQ-Facetten verdeutlichen
Ein queerer Blick auf das Wort Gottes: Anlässlich der Pride Zentralschweiz erarbeitet die katholische Kirche der Stadt Luzern eine bunte Bibel, die LGBTIQ-Menschen Kraft geben soll.
Die Bibel ist jetzt nicht unbedingt dafür bekannt, ein besonders LGBTIQ-freundliches Buch zu sein. Alles eine Frage der Perspektive? So sieht es zumindest Meinrad Furrer, Leiter der Luzerner Peterskapelle: Zusammen mit Mentari Baumann der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» und zahlreichen Christ*innen aus der LGBTIQ-Community gestalten sie eine bunte Bibel, die der queeren Identität gut tun soll. Dieses Unikat wird dann am 26. August am Stand der katholischen Kirche der Stadt Luzern im Rahmen Pride Zentralschweiz zu sehen sein.
Historische Einordnung Das Buch, das noch am Entstehen ist und auf einer Ausgabe der Zürcher Bibel basiert, bekommt natürlich einen regenbogenfarbenen Einband und Bilder, die zur queeren Perspektive passen. Doch was passiert inhaltlich? Zum Beispiel mit der berüchtigten Stelle im Dritten Buch Mose? «Und wenn jemand mit einem Mann schläft, wie man mit einer Frau schläft, so haben beide einen Gräuel verübt. Sie müssen getötet werden, auf ihnen lastet Blutschuld.»
Meinrad, selber Mitglied der LGBTIQ-Community, kennt diese einschlägigen Passagen natürlich nur zu gut. «Es gibt ganz wenige homophobe Stellen in der Bibel», sagt der katholische Seelsorger. Dazu gehörten auch die Paulusbriefe, in denen der Apostel davon ausgeht, dass Frauen und Männer sich aus Gottlosigkeit dem eigenen Geschlecht zuwenden.
«Diese Stellen versehen wir mit Erklärungen, welche die Aussagen historisch einordnen», erklärt Meinrad. Das Gräuel-Zitat aus dem Dritten Buch Mose etwa meine in diesem Kontext nicht die Todesstrafe für alle homosexuellen Beziehungen. Es gehe vielmehr um das Verbot demütigender Gewaltakte – egalitäre Männerbeziehungen, für die es gar keine Begriffe gab, seien davon nicht betroffen.
Biblische Identifikationsfiguren Es gebe, so Meinrad, in der Bibel aber auch Geschichten, die aus einer queeren Perspektive gelesen durchaus Potenzial für LGBTIQ-Identifikationsfiguren bieten. Bei der biblischen Figur Joseph könnte es sich etwa um eine trans Person handeln (MANNSCHAFT berichtete). Es war nämlich ein «vielfarbiger Rock», der den Hass von Josephs Brüdern eskalieren liess. Sie wollten ihn – so die Josephsgeschichte in der Genesis – in einer Zisterne ertränken.
Der Ausdruck, mit dem Josephs Rock auf Hebräisch beschrieben wird, lautet «kethoneth passim» und benennt das Kleid einer unverheirateten Prinzessin. Joseph, der Auserwählte, der das Schicksal der Stämme Israels wendete, trug also Frauenkleider!
Und dann wären da zum Beispiel noch Ruth und Naomi, deren Beziehung weit über das hinausgeht, was die Konvention bei Schwiegertochter und Schwiegermutter vorsieht. «Nur der Tod wird mich von dir scheiden», verspricht Ruth Naomi, was verdächtig nach einer Liebeserklärung klingt. Diesen Text könnte man als lesbische Lovestory lesen – obwohl sexuelle Elemente gänzlich fehlen.
Psalmen aus der «churchy Bubble» Solche Geschichten schreiben Meinrad und seine Mithelfer*innen für das Luzerner Bibelprojekt ziemlich frei um. Mit den Nacherzählungen verdeutlichen sie die queeren Aspekte und holen sie aus ihrem Versteck zwischen den Zeilen hervor.
Dazu wird das Einzelstück durch selbstverfasste Psalmen mit queerem Bezug komplettiert. Diese stammen aus der Community von gläubigen LGBTIQ-Menschen – oder der «queeren churchy Bubble», wie sie Meinrad nennt. Dort sei man mit solchen Bibelauslegungen natürlich vertraut, jedoch habe noch nie jemand die Nacherzählungen auch wirklich umgesetzt und gesammelt.
«Innovative spirituelle Arbeit» An dieser regenbogenfarbenen Bibelinterpretation dürften vermutlich nicht alle Katholik*innen Freude haben, oder? «Natürlich, es gibt immer Leute, die solche Dinge nicht so toll finden», sagt Meinrad. Aber er sei nun mal angestellt für «innovative spirituelle Arbeit»; die queere Bibel passe also zu seiner Jobbeschreibung. «Und 90 Prozent von dem, was wir in der katholischen Kirche Luzern tun, ist ja weiterhin ganz traditionell.»
Über 20 Jahre lang war Meinrad Furrer kirchlich in Zürich tätig, bevor er 2022 nach Luzern wechselte und damit auch in den Kanton zurückkehrte, wo er aufgewachsen war. In den vergangenen Jahren hatte er mit dem Segnen homosexueller Paare für Aufsehen gesorgt und wurde deswegen sogar für den Prix Courage nominiert (MANNSCHAFT berichtete). Als LGBTIQ-Aktivist verstehe er sich jedoch nicht. Seine berühmte regenbogenfarbene Sitzbank nimmt er dennoch an die Pride Zentralschweiz für Seelsorge und Segnungen mit.
Mentari und Meinrad verstehen ihr Projekt als work in progress. Die Bibel wird nach der Pride noch einige Zeit in der Peterskapelle zu sehen sein und sich auch weiterentwickeln. Es ist zudem eine Online-Veröffentlichung des Materials geplant. Genaueres dazu ist aber noch nicht bekannt.
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