«Sie schwuli dulli» – Was bedeutet queere Freiheit in der Klassikwelt?

Interview mit dem Schweizer Bariton Äneas Humm über Kommentare weit unter der Gürtellinie und die Verklemmtheit des Klassikbetriebs

Bariton Äneas Humm
Äneas Humm im Café Odeon in Zürich (Bild: mauricehaas.ch)

Der 30-jährige Äneas Humm wuchs in Wädenswil, Kanton Zürich, auf und studierte an der renommierten Juilliard School in New York. Nach Festengagements in Weimar, Karlsruhe und St. Gallen reist er inzwischen rund um die Welt – mit Recitals und Opern.

Gerade ist sein Album «Libertas» erschienen, mit Liedern rund ums Thema Freiheit. Das ihm als Künstler, der heute mit seinem Ehemann in Berlin lebt, wichtiger ist denn je. Gerade in Zeiten von Hasskommentaren auf Social Media und einem konservativen Roll-back in der Gesellschaft.

MANNSCHAFT traf Äneas Humm in seiner neuen Wahlheimat und sprach mit ihm über seine Erfahrungen als offen queerer Sänger im konservativen Klassikbetrieb, über die schwulen Brüder seines Ehemanns, sein Leben auf dem Präsentierteller, über SUP – und schwarze Listen von Veranstalter*innen, mit denen er nicht mehr zusammenarbeiten will wegen ihres Umgangs mit LGBTIQ.

Du hast ein Album rausgebracht, das von «Freiheit» handelt. Wieso ist dir das Thema so wichtig – und hat deine eigene Homosexualität bzw. die Tatsache, dass du aus der Schweiz stammst, etwas damit zu tun?

Freiheit bzw. frei sein ist ein Thema, das meiner Meinung nach im Kern jeden von uns beschäftigt. Wenn wir uns aber ganz besonders mit unseren Identitäten beschäftigen, können wir uns oftmals fragen: bin ich in meinem Tun und meinem Sein frei von Zwängen oder Anforderungen der Gesellschaft? In der Schweiz ist man als schwuler Mann sehr einfach sehr schnell auf dem Präsentierteller – und fühlt sich etwas wie in einem Glasgehäuse.

Für mich hat aber Freiheit auch damit zu tun, dass im Klassikbereich eine ganz klare Vorstellung kursiert, wie und was gesungen / gespielt werden muss. Ein Schubert-Lied zum Beispiel dürfe nur auf eine gewisse Weise musiziert werden, meinen manche. Das erstickt für mich viel künstlerische Kraft im Keim.

Offen schwul sein in der oftmals konservative Klassikbranche kann schwer sein. Selbst im Jahr 2025. Viele prominente LGBTIQ-Künstler*innen entscheiden sich, einfach gar nicht öffentlich über ihr Privatleben zu sprechen. Sie stellen sich quasi als asexuell dar. Was für Erfahrungen hast du mit der Situation gemacht?

Die Klassikwelt ist in der Tat konservativ geprägt. Der Markt ist erstaunlicherweise oftmals nicht auf Individualität ausgelegt, sondern auf Masse. Das macht es z.B. schwierig, Programme mit Seltenheitswert aufzuführen. Welches Festival würde einen Liederabend programmieren, der ums Thema Queerness kreist? Mir wurde von einem bekannten Festival schon abgeraten, einen Komponisten wie Viktor Ullmann zu singen, denn diese Musik würde «spalten», hiess es. Die Musik eines Opfers des Holocausts sollen wir also nicht aufführen, weil sie «spaltet»? Uff.

Als Mensch, der schwul ist und das auch lebt, erfahre ich leider regelmässig Hass und Hetze an meinen Arbeitsplätzen. Erniedrigende Kommentare und Beleidigungen kommen des Öfteren vor. Das Enttäuschendste für mich war, als ich einmal einen solchen Vorfall – bei dem es viele Zeug*innen gab – gemeldet habe. Erst wurde mir versprochen, dass man sich um diesen Vorfall kümmert, am Ende hat man mir mitgeteilt, dass das Problem ich war und nicht die Person, welche mich in der Öffentlichkeit gedemütigt hatte.

Wenn eine solche Institution sich dann zum Pride-Monat mit einer Regenbogenflagge schmückt, kann ich nur lachen. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich solche Orte auf eine «Black List» setze, und neue Angebote von dort kategorisch ablehne.

In vielen Ländern ist derzeit ein konservatives Roll-back zu beobachten, und es kommen rechte bis rechtsextreme Politiker*innen an die Macht, die offen queerfeindlich sind. Spürst du davon etwas im Konzert- und Opernalltag?

Natürlich haben politische Entscheide immer eine direkte Auswirkung auf die Kulturbranche. Die Etatkürzungen zum Beispiel - wie aktuell in Berlin - sind bei den Kolleg*innen sofort angekommen. Produktionen, die schon zugesagt worden sind, fallen einfach aus.

Was in vielen Ländern noch dazu kommt: Eine neue Ideologische Anforderungen an Spielpläne wie z.B. in Ungarn, wo gewisse Themen auf der Bühne nicht mehr thematisiert werden dürfen. Das sehe ich als grosse Gefahr. Ist dann Mozarts «Hochzeit des Figaro» schon ein queeres Stück, weil der Cherubino von einer Frau gesungen wird? (Wie von Mozart vorgesehen.) Das öffnet Gräben, welche wir nicht brauchen.

Das Liedalbum «Libertas» von Äneas Humm
Das Liedalbum «Libertas» von Äneas Humm, mit Dorina Tchakarova als Pianistin (Bild: Rondeau)

Auf deinem neuen Album «Libertas» kann man Lieder von Beethoven und Schubert hören, die von einigen Forschenden als homosexuell beschrieben werden. Was viele in der Klassikwelt auf die Palme treibt. Ist es dir wichtig, offen über die Sexualität von Komponist*innen zu reflektieren – und beeinflusst es die Weise, wie du ihre Musik wahrnimmst?

Die Tatsache, dass es Menschen gibt, die sich praktisch vehement dagegen wehren, dass man die Leben von Komponisten wie Schubert oder Beethoven genau unter die historische Lupe nimmt - mit dem möglichen Ausgang einer Erkenntnis von deren Queerness - ist für mich besorgniserregend und moralisch nur schwer verständlich. Es wird doch auch darüber geforscht, was Beethoven gerne gegessen hat oder welche Badedüfte er mochte. Also total unwichtige Aspekte seiner Biografie, könnte man meinen. Warum ist sein Liebes- und Sexleben und sein erotisches Begehren dann tabu?

Beethoven hat mit seiner Musik die Menschheitsgeschichte beeinflusst. Die «Ode an die Freude» (auch bekannt als Europahymne) wird bestimmt in alle Ewigkeit Teil unserer Kultur sein, genau wie Franz Schuberts berühmte «Unvollendete Symphonie». Wenn wir mehr über diese Menschen erfahren, hilft es uns doch auch, mehr von dieser göttlichen Musik zu verstehen.

Was heisst «Freiheit» im Rahmen deines Albums? Welche Themen besingst du? Wonach hast du die Komponist*innen/Repertoire ausgewählt?

Freiheit in „Libertas“ bedeutet nicht nur die Freiheit eines Duos. welches ich mit der grossartigen Pianistin Doriana Tchakarova formiere, sondern die biographische Präsentation vierer Musiker*innen, die trotz der zeitlichen Unterschiede und seelischen Umständen ihrem Kompass gefolgt sind und durch ihre Musik eine Freiheit erreichten, an welcher wir heute als Hörer*innen oder Interpret*innen teilhaben dürfen. Die Komponisten haben sich nach und nach herauskristallisiert. Für uns war klar, dass Joseph Marx (1882-1964) unbedingt ein grosser Teil des Albums sein muss, da seine Lieder nicht nur wunderschön sind, sondern sein Leben auch einen genaueren Blick verdient.

Amy Beach (1867-1944) lässt uns mit vier Liedern von reizender Süsse fast meinen, sie sei im Paradies zu Hause, aber sie erlebte in ihrem Zuhause Unterdrückung und wurde wortwörtlich verhindert, eine zweite Clara Schumann zu werden.

Schubert und Beethoven waren beides Liedkomponisten, deren Werke ich enorm gerne singe, aber mich immer zierte, diese Werke auf CD aufzunehmen, da ich mich vor den Zwängen der Branche gefürchtet habe. Es gibt diesen «bestimmten» Stil Schubert zu singen. Über Schuberts Liedern schwebt für mich ein goldener Schimmer, der mit einer Bronze-Farbe eingedunkelt wurde. Diese Traurigkeit probiere ich in meiner Stimme zu suchen und sie so ehrlich und unverschönt klingen zu lassen wie möglich.

Eine Inspiration aus der Instrumentalwelt ist für mich die Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Sie geht ans Limit ihrer Möglichkeiten mit dem Auftrag «freier» Interpretation. Daran habe ich versucht anzusetzen und stimmlich eine Freiheit zu erreichen, die sich dann als Tondokument veröffentlichen lässt.

Du bist inzwischen nach Berlin gezogen, wie einst dein*e Schweizer Musikkolleg*in Nemo. Wieso ausgerechnet Berlin? Was ist für dich hier interessanter, aus LGBTIQ-Perspektive, als in der Schweiz?

Berlin ist für mich die Stadt geworden, in der ich mich komplett entfaltet habe. Lange dachte ich, dass New York für mich der Sehnsuchtsort ist - verständlich, da ich dort studiert habe. In Berlin habe ich eine grosse gay family. Mein Mann ist ein eineiiger Drilling, seine Brüder sind alle schwul – wenn man ihre Ehemänner mitgezählt, sind wir zu sechst. Wir wohnen alle in der Nähe voneinander, und diese Männer sind mein engster Kreis geworden.

«Mein Mann ist ein eineiiger Drilling, seine Brüder sind alle schwul – wenn man ihre Ehemänner mitgezählt, sind wir zu sechst»

Äneas Humm, Bariton

Es wird gewitzelt, dass wir die «First Family Berlin» sind, da wir zu sechst schon ein lustiges Bild abgeben, drei sehen sich auch noch identisch gleich.

Was ich an Berlin besonders schätze sind die unterschiedlichsten Stadtteile. Da ich überzeugter Radfahrer bin, radle ich zu fast allen Terminen - teils ergibt das täglich viele Kilometer. Das eröffnet mir die Chance, die Stadt ganz anders zu sehen und mal spontan einen Kaffeehalt einzulegen. Eine Entdeckung für mich war der Schlachtensee, wo ich inzwischen an jedem schönen Sommertag zum Stand Up Paddling hingehe. Es ist herrlich dort.

Berlin scheint generell ein beliebter Ort für Schweizer*innen zu sein: Ich bin selten allein und werde des Öfteren erkannt, besonders amüsant, wenn ich feiern bin (im «Usgang» wie man bei uns sagt) und dann auf eine SRF-Sendung angesprochen werde. Da ich in Berlin nur selten Auftritte habe, bin ich aber auch sehr viel weg aus Berlin und freue mich dann immer besonders, wenn ich mal zwei Wochen am Stück Zuhause habe.

Der neue Kulturstaatsminister der deutschen Bundesregierung, Wolfram Weimer, hat Coming-outs von LGBTIQ als «Trend» bezeichnet und als «Enttabuisierung», die nicht in die Öffentlichkeit gehöre. Wie hast du das als Sänger in deinem Umfeld erlebt? Ist es wichtig, offen über die eigene Sexualität zu reden – und wenn ja, mit wem? Auch mit dem Publikum? Kann man überhaupt seine Seele in Musik offenlegen, wenn man grosse Geheimnisse hüten muss?

Für mich wäre ein Leben in der Deckung gar keine Option, ich bin der Meinung, dass Menschen, die mich wegen meiner Sexualität nicht engagieren oder kennen wollen es nicht wert sind, meiner Lebenszeit ein Stück abzuschneiden. Ich sehe mich ein Stück weit auch als Vorbild für jüngere Musiker*innen, die sich im Studium befinden oder es gerade planen zu beginnen. Kürzlich sass ich in der Jury eines Wettbewerbs. Da merkte ich, dass ich das grosse Bedürfnis habe, den jungen Studenten mitzugeben, dass sie sich niemals verstecken dürfen für wer sie sind. Die «Persona» ist Teil der Stimme, Teil unseres Klanges und unserer Identität.

Wenn ein Mensch ein Coming-out als «Trend» bezeichnet, zeugt das für mich von einer grossen Ignoranz und fehlenden Sensibilität. Die Leser*innen von MANNSCHAFT werden wissen, was für absurden Situationen wir oftmals ausgesetzt sind und wie oft man sich als queerer Mensch erklären muss, weil man für viele Menschen nicht Teil der Norm ist. Ich habe mich nach einigen Enttäuschungen entschieden, dass ich Menschen, welche mich beleidigend und schlecht behandeln, gegenüber keinen Bildungsauftrag habe.

Sind nach einem Coming-out bestimmte Länder für dich als Künstler No-go-Zonen? Engagements nach China, Saudi-Arabien, Katar usw.? Was für Erfahrungen hast du gemacht mit Konzertveranstalter*innen und Publikum/Fans?

Leider kann man davon ausgehen, dass viele Märkte für queere Künstler*innen nur mit viel Mühe zu erreichen sind. Ich bin davon überzeugt, dass mein Leben nicht danach gerichtet sein sollte, ob ich in einem Land auftreten kann oder nicht. Das wäre für mich uninteger.

Tatsächlich bin ich jedoch sehr vorsichtig, wenn ich allein auf Konzertreisen bin, wo ich mich aufhalte. Ich schaue vorher, ob die Hotels in denen ich übernachte (und oftmals ja länger als zwei Nächte bleibe) als LGBTQI-freundlich gelten oder nicht.

Meine Fans sind wunderbar, noch nie habe ich aus deren Reihen etwas Diffamierendes gehört. Eher umgekehrt: Ansporn, Motivierendes und herzliche Nachrichten. Ich kriege aber leider auch Hassnachrichten zugeschickt auf sozialen Medien: «Sie schwuli dulli» oder Kommentare weit unter der Gürtellinie. Ich bin da rigoros und sende alles, was beleidigend ist, umgehend an die Polizei.

Musiker wie der Schweizer Dirigent Lorenzo Viotti haben teils heftige Kontroversen in der Klassikwelt ausgelöst, weil sie Fotos von sich auf Social Media posten, wo sie halbnackt und durchtrainiert zu sehen sind. Viele Millennials finden das super, etabliertere Klassikfans sind entsetzt. Wie wichtig ist für dich – im Zeitalter der «Barihunks» – dein Aussehen und soziale Medien als karriereunterstützendes Medium? Sollte die Klassikwelt endlich aufhören, so verstaubt und altmodisch zu sein und dem Vorbild der Popmusik zu folgen?

… Lorenzo Viotti sieht in meinen Augen nicht nur sehr gut aus, er ist auch ein sehr guter Dirigent, sein Lebenslauf spricht für sich.

Herbert von Karajan wäre mit Sicherheit (!) auf Instagram unterwegs, würde er heutzutage seine Karriere gestalten. Ich würde schon die These vertreten, dass wir die Klassikwelt nur in die Zukunft führen können, wenn wir uns auch verändern und neue Wege finden, mit unserem (teils schwindenden) Publikum in Verbindung zu treten. Mein Instagram Profil soll immer ein Mix aus privatem Leben und sängerischer Verwirklichung sein. Da für mich Sport, Essen und auch etwas Lifestyle absolut zu meinem Leben gehören, zeige ich das auch oft und gerne. Ich möchte, dass Menschen, die mich auf der Bühne erleben, auch etwas von der Welt hinter der Stimme erfahren. Klassik muss wieder nahbar und unkompliziert werden. Wenn ich so schaue, wer in meine Konzerte kommt, freue ich mich oft über das viele jugendliche Publikum. Das hat kürzlich sogar die Berliner Morgenpost über mich geschrieben!

Deine letzten Solo-Alben hiessen «Embrace» und «Awakening». Gibt’s an denen auch eine queere Seite?

Meine Alben «Awakening» (2017) und «Embrace» (2020) haben keine spezifischen queeren Thematiken. Diese Alben habe ich rund um die Themen künstlerisches Erwachen und musikalische Umarmungen konzipiert. „Libertas“ setzt sich da etwas ab, da ich gezielt die Verbindung zu meiner Person herstellen wollte.

Auf dem «Libertas»-Album singst du auch Musik von Joseph Marx, der eine nicht unumstrittene Rolle im Kontext des Nationalsozialismus und Austrofaschismus gespielt hat. Wieso wolltest du ihn Teil deines Albums machen?

Freiheit zu leben und sie sich zu erkämpfen ist Teil von uns. Joseph Marx wurde nach dem Krieg von jedem Verdacht befreit, dass er mit dem NS-Regime kooperiert hat. Dasselbe gilt übrigens für unzählige Komponisten aus dieser Zeit. Er hat nicht nur jüdischen Musiker*innen geholfen, er hat ihre Musik gefördert. Dass wir uns diese Fragen stellen, finde ich als Jude enorm wichtig, dann gehört sie aber zu jedem Oeuvre, zum Beispiel auch zu dem von Richard Strauss, von dem wir ein sehr zwiegespaltenes Bild aus jener Epoche überliefert bekommen haben.

Was hältst du eigentlich von Cancel Culture in der Musikwelt (MANNSCHAFT berichtete)? Warst du davon schon mal betroffen, z.B. dass du aufgefordert wurdest bestimmte Komponist*innen nicht zu singen? Und wie wichtig ist Social Media heute, bezogen auf Diskussionen über dich/deine Arbeit? Wie vorsichtig musst du sein mit Äusserungen oder Likes?

Fehlverhalten sollte immer thematisiert werden und Konsequenzen gezogen werden. In allen Fällen, welche ich gemeldet habe und die mich betrafen, hat sich leider nichts verändert dadurch. Es gibt den Fall eines berühmten Dirigenten, der einen Musiker in Anwesenheit von anderen geschlagen hat. Dieser Dirigent war dann kurz weg vom Fenster, tourt jetzt aber wieder durch die Welt und wird überall eingeladen, als wäre nichts geschehen. Natürlich kann man aus seinen Fehlern lernen. Aber die ganze Verhaltensweise der Klassikwelt in Personalfragen ist mir oft … unverständlich!

Zum Schluss: Was kommt als nächstes, im Konzertsaal oder in der Oper? Und: Hast du einen Ort, wo du besonders gern auftrittst?

In der Oper kommt für mich ein ganz besonderes Debüt. In Martina Franca werde ich die italienische Erstaufführung von Benjamin Brittens Oper «Owen Wingrave» singen, in der Titelpartie. Diese Oper thematisiert, wie nur wenige andere Stücke es tun, den inneren Kampf gegen gesellschaftliche und familiäre Zwänge. Auf diese Herausforderung freue ich mich sehr.

Im Konzertbereich geht es weiter mit einigen Liederabenden, aber gerade auch mit einer sehr schönen Tournee, bei der ich den Papageno in Mozarts «Zauberflöte» singe, gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Dies wird mein Debüt in der Elbphilharmonie sein und meine Rückkehr an die Festivals Bremen und Enescu Festival Bukarest. In der Schweiz singe ich in Montagnola (TI) in der Fondazione Boccadoro ein Recital, ein wunderbarer Ort, den ich besonders liebe!

Als PS: Kannst du als klassischer Sänger eigentlich in der Szene ausgehen und tanzen, vögeln, Party feiern, wie du willst?

Ich drücke das mal so aus: Die Stimme ist ein sehr filigranes Instrument. Stellt euch vor, man würde eine Geige aus zartem Holz bis morgens um 7 Uhr durchs Berghain ziehen und es allen Möglichen Temperaturen und Einflüssen aussetzen, der Geige würde es am nächsten Tage ziemlich sicher schlecht gehen.

Generell muss ich meiner Stimme im Leben fast immer die Priorität geben. Das beginnt bei der Zeit, wann ich ins Bett gehe, aufstehe, mit wem ich wie viel spreche an Tagen eines Auftritts oder die Wahl der Restaurants, in die ich gehe. Und es endet mit meinem täglichen Üben, welches für mich wie eine Physiotherapie bei Sportler*innen ist.

Laute Lokale meide ich generell, wenn ich in einer strengen stimmlichen Zeit bin. Je nach Party oder Konzert, welches ich singe, lebe ich mehr oder weniger zurückgezogen. Umso schöner, wenn ich dann das Leben ganz geniessen kann. Ich liebe es, Sänger zu sein - aber ich liebe es eben auch, wenn ich einfach mal einen Abend geniessen darf, ohne an das hohe A des nächsten Abends zu denken!

Im Rahmen des Hamburger «Queer History Month» wurde Kevin Harry Schwarzsteins Film über die Schwulenbewegung der 70er gezeigt: eine kraftvolle Zeitreise in die Anfänge der schwulen Emanzipation, mit Archivmaterial, das schmerzt, befreit – und alarmierend aktuell wirkt (MANNSCHAFT-Interview).

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