Doku: Die Geschichte des Lesbischen Aktionszentrums (LAZ) 1972-82
Als eine Art Oral History ist die LAZ-Ausstellung «Radikal – lesbisch – feministisch» auf Film festgehalten worden und nun erstmals auf DVD erhältlich
Erst waren sie die «schwulen Frauen», wie sie sich selbst nannten aus Solidarität mit den schwulen Männern von der HAW, der Homosexuellen Aktion West-Berlin. Als sie aber aufgefordert wurden, die gemeinsam genutzten Räume zu putzen, weil das halt Frauenaufgabe sei, trennten sie sich und gründeten 1972 das Lesbische Aktionszentrum. Jetzt ist die erste LAZ-Filmdokumentation erschienen.
Natürlich war das mit dem Putzen nicht der einzige Grund für die Abspaltung. Christiane Härdel, eine der LAZ-Gründerinnen, erinnert sich: «Die waren total dominant, die Redebeiträge waren oft von Männern. […] Aber wir waren es irgendwann mal Leid. Wir waren frauenpolitisch engagiert und hatten Schwerpunktthemen wie Gewalt gegen Frauen, Selbstverteidigung, den Paragraphen 218 [der Abtreibung regelt, Anm.], die Frauengesundheitsbewegung.» Im Jahr 1972 waren zwei Frauen verhaftet worden, die man beschuldigte, dass sie den gewalttätigen Ehemann der einen gegen Bezahlung hatten töten lassen. Das führte zum sogenannten Itzehoe-Prozess, der von den Medien zu einer wahren Hexenjagd umfunktioniert wurde. Die BILD-Zeitung startete ihre berüchtigte Serie «Die Verbrechen der lesbischen Frauen» und erklärte ihren Leser*innen, dass Lesben angeblich seit der Antike durch Hass und Gewalt aufgefallen seien. Es gab später noch weitere Springer-Schlagzeilen, die verständlich machen, warum bis heute viele LGBTIQ den Verlag für die Ausgeburt des Teufels halten.
Die Gruppe der jungen linken LAZ-Aktivistinnen formierte sich als Widerstandsbündnis gegen die Art und Weise, wie dieser Gerichtsprozess geführt wurde. Und so wie Rosa von Praunheims Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt» zu einer Art Gründungsmoment der westdeutschen Schwulenbewegung wurde (und nicht die Stonewall Riots), so war der Itzehoe-Prozess so etwas wie der Startschuss für eine deutlich sichtbare Lesbenbewegung in Deutschland – die mit spektakulären Aktionen im Gerichtssaal auffiel, aber auch mit Demonstrationen auf der Strasse, mit Kiss-ins, mit eigenen Buchläden und Publikationen, mit Konzerten und Sommeruniversitäten. Aus dem LAZ ging dann sogar eine eigene Rockband hervor, die Flying Lesbians mit dem Hit «Wir sind die homosexuellen Frauen».
Jahr der Frau_en Im Jahr 2018 widmete das Schwule Museum Berlin dem LAZ und seiner Geschichte eine Ausstellung, die Wolfgang Theis zusammen mit Christiane Härdel, Regina Krause und Monne Kühn gestaltete, ausserdem wirkte Christiane von Lengerke mit. Gezeigt wurde die Schau «Radikal – lesbisch – feministisch» im Rahmen des vom Berliner Senat geförderten «Jahr der Frau_en». Während die meisten anderen Ausstellungen sich als «künstlerische Intervention» verstanden, kreierte Theis mit den LAZ-Damen eine klassische «historische» Übersichtsausstellung, die anhand von Themenschwerpunkten und mit unendlich vielen Originaldokumenten durch die Zeitläufe führte. Und einer jüngeren queeren Generation zeigte, wie viel diese Frauengruppe bis zu ihrer Auflösung 1982 auf die Beine gestellt hat: vollständig analog und ohne Online-Möglichkeiten der internationalen Vernetzung. (Man flog mit dem Flugzeug in die USA und anderwo hin, um Kontakte auszubauen und sich zu vernetzen.)
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Zu der Ausstellung, die von Juli bis November 2018 lief, kamen viele ältere Frauen, die in den 70er- und 80er-Jahren selbst dabei gewesen waren, schauten sich die Exponate an, teilten ihre Erlebnisse, waren erfreut, dass die LAZ-Geschichte mit ihren vielen Facetten wieder sichtbar und neu diskutiert bzw. gewürdigt wurde. Die Führungen, die die Kuratorinnen regelmässig gaben, waren fast immer überfüllt – auch mit Jugendlichen, die staunend zuhörten, wenn von der BILD-Kampagne die Rede war oder vom ersten CSD in Berlin 1979, bei dem die LAZ-Frauen Picknickkörbe für alle mitbrachten, auch für ihre alten HAW-Mistreiter, oder wenn der Pflasterstein gezeigt wurde, mit dem die Fensterscheibe des Buchladens Labrys eingeschmissen wurde, weil darauf mit einem Slogan aufgefordert wurde, die Männer doch lieber zuhause zu lassen. Ferner schockierten Berichte, wie händchenhaltende Frauenpaare auf der Strasse zusammengeschlagen wurden von Männern, die sich davon bedroht fühlten. Christiane Härdel erzählte in einem Interview: «Ich hab‘ in Friedenau gewohnt, das war die beste linke Gegend, Kommune 1 und so weiter. Wenn ich aber mit meiner Freundin auf den Cosimaplatz gegangen bin und wir haben Händchen gehalten, dann hat uns einer hinterher gerufen ‹euch hat man wohl vergessen zu vergasen›, das war die Stimmung damals. Du durftest nicht schwul oder lesbisch sein.» (MANNSCHAFT berichtete über die anhaltende Gewalt gegen Lesben in Berlin.)
Jenseits vom Mainstream-Narrativ Eine dieser Führungen mit allen drei LAZ-Kuratorinnen sowie Christiane von Lengerke wurde gefilmt von Tille Ganz. Und somit wurde erstmals die Geschichte, so wie sie im Schwulen Museum aufbereitet worden war, festgehalten als Form von Oral History mit Bewegtbild. Das ist faszinierend zu sehen, weil es eine speziell westdeutsche LGBTIQ-Bewegungsgeschichte erzählt, die so ganz anders ist, als das berühmte Mainstream-Narrativ mit den USA als Vorbild.
Natürlich ist es auch faszinierend, mehr über die speziellen deutschen Befindlichkeiten zu erfahren, nicht nur bezüglich der BILD-Zeitung, sondern zu den vielen Büchern und Zeitschriften, die im Rahmen des «Frauenbuchbetriebs» als Raubdrucke, im Selbstverlag und über FrauenLesbenVerlage Diskursanstösse gaben. Man erfährt auch, wie diese jungen radikalen Linken – die in Arbeitsgruppen über Marxismus und die Bekämpfung des Kapitalismus diskutierten – mit der älteren Generation von Lesben umging.
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In der Doku erklärt Christiane von Lengerke die Geschichte von «L74» und würdigt deren Gründerin Kitty Kruse, die in den 70er-Jahren eine Gruppe für ältere Frauen gründete, die sich von der neuen Jugendbewegung nicht mitgenommen fühlten. Ab 1975 gab «L74» die Lesbenzeitschrift «ukz – unsere kleine zeitung» heraus, die mehr als fünfzehn Jahre lang existierte und informierte.
Solche Geschichten sind vielen LGBTIQ im deutschen Sprachraum heute kaum (mehr) bekannt. Auch die physische Gewalt, gegen die sich lesbische Frauen damals nahezu täglich zur Wehr setzen mussten, nicht nur wenn Pflastersteine flogen. Das LAZ gründete eine Selbstverteidigungsgruppe, die bald so überrannt war, dass sie ausgebaut werden musste, um den enormen Bedarf zu decken.
«Eldorado»-Ausstellung 1984 Im Abschnitt über den «Arbeitskreis der lesbischen Lehrerinnen» (ALL) erzählt Mecki Pieper, wie sie 1984 bei der berühmten «Eldorado»-Ausstellung im damaligen Berlin Museum mitmachte («Geschichte, Alltag und Kultur homosexueller Frauen und Männer in Berlin von 1850-1950»), der ersten grossen Museumsausstellung zu schwul-lesbischem Leben in Deutschland, und warum sie anschliessend nicht bei der Gründung eines eigenen Museums dabei war – weswegen die schwulen Männer nicht das schwul-lesbische Museum starteten, sondern eben das «Schwule Museum». Wolfgang Theis war einer der Gründer, und es ist kein Zufall, dass er als eine seiner letzten kuratorischen Taten die LAZ-Ausstellung machen wollte.
Der Film von einer Stunde und 20 Minuten Länge ist keine perfekt abgemischte Doku, wie man sie vielleicht bei arte oder in der ARD sehen würde. Sie hat etwas charmant Amateuerhaftes, in dem Sinn, dass sie nicht kürzt, sonder die Erzählungen in gefühlter voller Länge präsentiert. Bevor die Führung losgeht – also der Kern des Films – sieht man die Reden bei der Vernissage. Und man spürt, wie wichtig es den Frauen ist, nach so vielen Jahren nochmal an ihre Ziele von damals zu erinnern, für die sie immer noch glühen.
Am Ende des Films ist das Abschlusskonzert der Ausstellung zu erleben, für das drei Mitglieder der Flying Lesbians leibhaftig ins Museum kamen und Lieder von damals sangen. Wenn man Monika Mengel mit «Because she is woman» hört, mit ihrer persönlichen Liebes- und Lebensgeschichte dazu, dann geht einem schon das Herz auf. Und wenn Cillie Rentmeister mit Danielle de Baat an der Gitarre und Mengel den Superhit «Wir sind die homosexuellen Frauen» anstimmt und alle (!) älteren Damen im Saal aus voller Kehle und mit strahlenden Gesichtern mitsingen, dann ist das ein unvergleichlicher Moment.
Rassismusvorwürfe: «Wir waren alle weiss» 2018 wurde im Umfeld der Ausstellung u. a. darüber diskutiert, ob das LAZ «rassistisch» gewesen sei. Im Film wird der Punkt nicht aufgegriffen, aber Christiane Härdel erklärte damals in einem Interview mit der Siegessäule: «Wir waren sehr stark engagiert in der Frauenbewegung, das Thema Rassismus gab es in der Form nicht. Wir waren alle weiss, es war nicht das Thema. Wenn du siehst, was wir für Arbeitsgruppen hatten, wir haben uns mit allem auseinandergesetzt und wenn Rassismus ein Problem gewesen wäre zu der Zeit, hätten wir uns damit auch beschäftigt.»
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Es ist natürlich leicht, nachträglich heutige Sichtweisen auf das LAZ zu projizieren und zu fragen: Warum haben die damals dieses und jenes nicht getan? In der Doku wird sichtbar, wie viel diese Aktivistinnen stattdessen getan haben, wie viel anderes, das wichtig war. Ihnen nun den «Rassismus»-Vorwurf um die Ohren zu knallen, ohne weitere Differenzierung, ist krass; aber das sehe manche anders.
Der fertig geschnittene Film erlebte im September 2020 seine Uraufführung im Arsenal-Kino in Berlin, auch Wolfgang Theis kam mit auf die Bühne, um den Applaus entgegenzunehmen.
Ist solch eine Bewegung heute wieder nötig? Nun ist der Film als DVD erhältlich und kann bestellt werden über die Kontaktadresse auf der Webseite von «LAZ Reloaded». Das ist der Name der neuen Gruppe, die die LAZ-Frauen nach Eröffnung ihrer Ausstellung gründeten, weil sie fanden, dass die aktuelle (queer)feministische Bewegung daran erinnert werden sollte, «wie eine aktive und starke Bewegung ausgesehen hat» und wie «so eine Bewegung auch jetzt wieder nötig ist».
Darüber kann man lange diskutieren und streiten. Den Film anschauen sollte man* trotzdem, und man* muss nicht lesbisch sein, um von diesem Zeitdokument und den Aktivistinnen von damals beeindruckt zu sein.
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