Brunos schliesst Geschäfte: «Mir blutet das Herz»
Berliner Geschäft soll weiter ein Safe Space für die Community bleiben
Brunos ist seit Jahren ein Geschäft für die queere Community. Doch wegen des Onlinehandels und der veränderten Innenstädte schliesst das Queere Geschäft jetzt drei seiner vier Läden in München, Köln und Hamburg.
Der Geschäftsführer erzählt MANNSCHAFT, warum das nötig ist, was sexpositive Hetero-Männer bei ihm suchen und warum er sich an die Spucke-Flecke am Schaufenster gewöhnt hat.
Ganz am Ende des Telefongesprächs mit MANNSCHAFT, bricht Brunos Geschäftsführer Franz Landgraf-Happach doch kurz in Tränen aus. «Glauben Sie denn, dass es mir leicht fällt», sagt er, «mir blutet das Herz, dass wir das machen müssen.» Aber es gebe derzeit keine andere Möglichkeit, um sein Unternehmen «Brunos» wieder in die schwarzen Zahlen zu führen.
Am Tag zuvor hat das Unternehmen mitgeteilt, dass es die Standorte München, Köln und Hamburg ab dem Sommer 2025 abgeben wolle – «in wertschätzender Weise», wie es in der Mitteilung heisst. Man wollte das Unternehmen zukunftsorientiert aufzustellen. Einzig der Berliner Store mitten im Regenbogenkiez am Winterfeldtplatz werde bleiben. Ausserdem soll der Internetshop weiter ausgebaut werden. Seit dem 1. April dieses Jahres, so heisst es weiter, habe das Unternehmen in «Insolvenz in Eigenverwaltung», angemeldet.
Franz Landgraf-Happach hat das Unternehmen im Jahr 2017 mit zwei weiteren Gesellschaftern übernommen und zunächst noch erfolgreich durch die Pandemie geführt. «Aber unsere Kundschaft hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert», sagt er. Erstaunlicherweise mache man noch immer Umsatz mit Porno-DVDs und Gleitgel. «Aber der Absatz mit Büchern, Magazinen, Reiseführern, Spielfilm-DVDs, ist zurückgegangen.» Auch bei Kondomen, fügt er an, weil so viele inzwischen Prep benutzen. Natürlich unterstütze auch er Prep ausdrücklich, das für die Reduzierung der HIV-Infektionszahlen sehr viel beitrage.
«Ich habe es noch selbst als junger Mensch erlebt, wie sich homophobe Gewalt anfühlt und wie es ist, wenn die Polizei dann nicht hilft.»
Franz Landgraf-Happach
Zudem hat der offenere Umgang im Onlinehandel bei dem Zielmarkt viel kaputt gemacht «Wenn ich das gleiche Produkt woanders günstiger bekomme, ist das ja auch verständlich», sagt der Geschäftsführer, «aber ich muss trotzdem Ladenmiete und Gehälter bezahlen und bin für den Qualitätsanspruch der angebotenen Produkte verantwortlich zu machen.» Interessant fand Landgraf-Happach, dass unter neuen regelmässigen KundInnen sex-positive Heteros sei. Aber gerade am Abend sei das Geschäft auch oft eher ein Unterhaltungsmuseum für Party-Tourist*innen geworden.
Innerhalb der nächsten drei Monate wolle das Unternehmen seine Kräfte neu bündeln. Dem Geschäftsführer ist dabei bewusst, dass sein Geschäft auch eine wichtige Funktion für die queere Community hatte. Es hat durch sein Sortiment und das grosse Regenbogen-Schild in der Fussgängerzone zu einer Sichtbarkeit von schwuler Lebenswelt beigetragen.
Der 57-Jährige Landgraf-Happach kann sich noch an sein eigenes Coming-out erinnern und wie schwierig das war. «Ich habe es noch selbst als junger Mensch erlebt, wie sich homophobe Gewalt anfühlt und wie es ist, wenn die Polizei dann nicht hilft.» Das sei heute immerhin anders, aber bis heute kennt er Anrufe im Geschäft mit Beleidigungen und beinahe täglichen Spucke-Resten am Schaufenster. «Wir wollen im Berliner Brunos-Geschäft weiterhin ein Safe Space, für die gesamte queere Cummunity bleiben, gerade für die genderfluiden- und trans Personen.»
Das «Tuntenhaus» ist das älteste queere Wohnprojekt Berlins. Nach dem Verkauf der Immobilie kämpfen die Bewohner*innen nun um ihr Zuhause. Hier erzählen sie, was ihnen das Haus bedeutet (zur MANNSCHAFT-Story).
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