Berliner CSD ist besorgt: «Wir werden im Stich gelassen»
Beleidigende Äusserungen des Kanzlers helfen gerade überhaupt nicht
Angriffe auf queere Orte, politische Rückzieher und eine spürbare gesellschaftliche Kälte: Der Berliner CSD steht in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen.
Wenige Wochen vor der Berliner Demonstration zum Christopher Street Day (CSD) am 26. Juli zeigen sich die Veranstalter besorgt: Die queere Community stehe unter massivem Druck – durch politische Signale, und konkrete Bedrohungen, etwa von Rechtsextremen oder Angriffe auf CSD-Feste. Die Gesamtlage sei prekär. «Viele haben gerade das Gefühl, wir werden im Stich gelassen», sagt Thomas Voges, Vorstandsmitglied des Berliner CSD, der Deutschen Presse-Agentur.
Die jüngsten Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zur Regenbogenflagge am Bundestag hätten die Unsicherheit weiter verschärft lt» (MANNSCHAFT berichtete). «Das kommt on top», so Voges. In einer Zeit, in der queere Menschen täglich Angriffen ausgesetzt sind, erwarte er von der Politik Empathie und Rückhalt und keine Vergleiche mit einem Zirkuszelt, betonte Voges. «Das führt zu viel Unruhe.» Ein Zirkus reagierte Ende der Woche mit dem Hissen einer Pride-Fahne (MANNSCHAFT berichtete).
Merz hatte sich in der ARD-Talkshow «Maischberger» hinter den Kurs von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zum Christopher Street Day gestellt. Auf die Frage, wie er es finde, dass Klöckner die Regenbogenflagge zum CSD nicht auf dem Bundestag hissen will, sagte er: «Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt», auf das man beliebig Fahnen hisse. Klöckner hatte auf die Neutralität des Bundestages verwiesen.
Queere Schutzräume schwinden Viel gravierender sei die Gesamtlage: Queere Schutzräume wie Clubs und Bars stünden unter Druck, etwa durch steigende Mieten, verändertes Ausgehverhalten – und zuletzt auch durch Angriffe. «Wenn Orte wie das Schwuz in finanzielle Schieflage geraten oder queere Bars schliessen, bricht für viele ein Stück Sicherheit weg», sagt Voges (zum MANNSCHAFT-Kommentar).
Das Schwuz wurde 1977 gegründet und ist eigenen Angaben zufolge Deutschlands ältester queerer Club sowie grösste Kulturinstitution im queeren Bereich.
Trotz der angespannten Lage rechnet der CSD auch in diesem Jahr mit mehreren hunderttausend Teilnehmer*innen – aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Die Polizei sei vorbereitet, die Stadtgesellschaft solidarisch, betont Voges.
«Und allein die Grösse des CSD schützt uns und führt auch dazu, dass die Berliner Polizei sich auf viele Szenarien und auch auf die verändernden Sicherheitsbedingungen vorbereitet. Wir erwarten daher keine grossen Gegenbewegungen», erklärte Voges.
Feuchtfröhliche Veranstaltung erwartet Thematisch setzt der CSD 2025 drei Schwerpunkte: die explizite Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz (was die CDU ablehnt – MANNSCHAFT berichtete), die Zukunft Berlins als «Regenbogenhauptstadt» und den Kampf gegen Hasskriminalität. Der Leitsatz: «Wir hören nicht auf, bis alle gehört werden!».
Das Feiern soll dabei aber nicht zu kurz kommen, verspricht Voges. «Wir wollen auch eine gute Zeit miteinander haben, als Community zusammenkommen, zusammenrücken, gerade in der Zeit, wo wir einfach unter Druck geraten sind. Und es wird auch trotzdem sehr feucht, fröhliche, gute Veranstaltung werden.»
Fahnenkunde mit MANNSCHAFT: Diese Flaggen sind Teil des Regenbogens. Jede sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität hat ihre eigene Farbe.
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